Lernwelten 2030: Kapitel 1 – Zukunftsträume fliegen von Afrika nach Berlin

Liebe Leserinnen und Leser meines Blogs: Hiermit ist der Startschuss gefallen für die Fortsetzungsgeschichte „Lernwelten 2030 – Zusammenstoß ungleicher Lernkulturen“ von Dorit Havel und Ulrike Arabella Meran.

In dieser Verquickung von fiktionaler Erzählfreude und einer wissenschaftsbasierten Zukunftsvision zu Lernräumen und -technologien möchten wir euch ins Jahr 2030 entführen: an der Seite des kenianischen Studenten Kibe und der deutschen Studentin Fiona geht es nach Kenia und an eine Hochschule in Berlin.

Ich wünsche euch einen unterhaltsamen Einstieg mit dem ersten Kapitel:

Kapitel 1 – Zukunftsträume fliegen von einer afrikanischen Bastmatte nach Berlin

Kenia: Ein Dorf bei Murang’a, Kibes Zuhause 4. Februar 2030, 6:45 Uhr Kibe frühstückt mit seiner Mutter und macht sich auf die Reise nach Berlin

Wach auf, Kibe. Ni tha cia gukira. Es ist Zeit, aufzustehen“, hörte Kibe die Stimme seiner Mutter und spürte ihre warme Hand sanft auf seiner Schulter. „Ich fange jetzt an, unser Frühstück zu kochen“, sagte sie und ging.

Kibe setzte sich auf und blickte benommen um sich. Eben war er noch im Traum mit schweren Beinen über den Berliner Campus gerannt, er wusste, dass er für seine Präsentation zu spät kam, aber immer, wenn er sich der Tür zum Workshopraum näherte, verwandelte das 3D-Morphing sie in etwas Seltsames und alles drehte sich. Jetzt tastete er nach Halt und spürte die Bastmatte unter seinen Füßen. Seine Orientierung kehrte zurück, er war im Zimmer seiner Kindheit. Die Morgensonne schien durch die Ritzen der Holzläden herein und an der Wand gegenüber sah er das vertraute Poster seines Lieblingsfilms Black Panther. Ja, das war sein Zuhause. Aber der Besuch bei seiner Mutter war nur kurz, denn heute reiste er nach Berlin, um sein Stipendium an der renommierten Ada Lovelace Universität anzutreten. Zwei Jahre würde er fort sein. Beim Gedanken daran, dass er diese ferne Stadt, die er bisher nur als virtuelles Abbild kannte, morgen in Echt erkunden würde, kribbelte es in seinem Magen.

Kibe ging ins Badezimmer, das im Garten lag, und duschte sich kurz. Aus alter Gewohnheit passte er auf, kein Wasser zu verschwenden. Er erinnerte sich gut an die schweren Wassereimer, die er als Kind jeden Tag vom Dorfbrunnen nach Hause getragen hatte. Was für ein Luxus, dass das frische Wasser nun aus der Leitung floss und von der Instant Shower sogar erwärmt wurde!

Als Kibe in die kleine Küche kam, stand sein Frühstück bereits auf dem Tisch. Er ließ sich den schwarzen Tee und sein Lieblingsgericht Githeri aus gekochtem Mais mit Bohnen, Kartoffeln und Grünkohl schmecken. Seine Mutter Mukami betrachtete ihn, wie er mit seinen breiten Schultern an dem kleinen Küchentisch saß. Er hatte die starken Hände eines Arbeiters, aber in seinem Kopf drehten sich feine Rädchen und bewegten große Träume von fernen Dingen, die Mukami nicht kannte.

Für die Reise packe ich dir Ugali mit Sukuma ein. Hoffentlich verträgst du das Essen in Deutschland“, sagte Mukami.

„Mach dir keine Sorgen, Mama, ich bin 26 Jahre alt und werde gut auf mich aufpassen“, sagte Kibe. „Ich bin gespannt auf all die neuen Sachen.“

Als du mit Vierzehn auf die gute High School in Nairobi gegangen bist, hast du wenigstens bei deinem großen Bruder gewohnt.“

In Berlin warten auch nette Menschen auf mich“, beruhigte Kibe sie.

Diese Leute kennst du doch nur aus SimCampus, wer weiß, wie die in Wirklichkeit sind!“

Kibe hatte seiner Mutter gestern die virtuelle Campuswelt, an der er seit zwei Semestern ein Fernstudium machte, auf seinem Notebook gezeigt. In dieser fotorealistischen 3D-Umgebung fühlte er sich mittlerweile heimisch, spazierte am Campus umher und besuchte die Projektseminare in den virtuellen Education Labs. Seine Mutter war allerdings erschrocken, als sie den täuschend ähnlichen Avatar ihres Sohnes sah. Auch die Avatare der anderen fand sie unheimlich in dieser Mischung aus lebensechtem Aussehen und Künstlichkeit.

Pass auf, dass die anderen dort keinen Voodoo Zauber mit dir machen!“, warnte sie ihren Sohn.

Ach was, Mama, egal, was mit meinem Avatar passiert, meinem echten Körper und Geist kann das nichts anhaben… und ich kann jederzeit raus aus der Simulation. Außerdem passt meine Mentorin Fiona auf mich auf“, sagte Kibe und schmunzelte.

Dieses junge Mädchen?“, wandte seine Mutter sein. „Sie kann höchstens was von dir lernen! Kann sie etwa einen Soft Robot bauen? Oder die Bewässerungsanlage auf unserem Maisfeld neu programmieren?“ Der Fundi, den sie zur Reparatur bestellt hatte, war daran verzweifelt.

Zum Abschied umarmte seine Mutter ihn fest und legte ihre Hand auf seinen Kopf. Dann machte sie mit ihrem Smartphone ein Selfie von beiden.

Vergiss nicht, mich hin und wieder auf SkypeMAX anzurufen. Ich bin so stolz auf dich! Wenn du in zwei Jahren wiederkommst, wirst du sicherlich schon Professor sein!“

Kibe verkniff sich eine Richtigstellung. Es würde schwer genug werden, den Masterabschluss zu erringen – an dieser internationalen Universität musste er sich mit den Besten messen.

Draußen empfing Kibe die kühle Morgenluft. Die Sonnenstrahlen tanzten bereits auf den Solarkollektoren der Dächer, ein warmer Sommertag kündigte sich an. Wie fühlte es sich wohl im winterlichen Berlin an?

Er ging mit federnden Schritten zur Bushaltestelle am Dorfplatz. Seit seinen Kindertagen standen der Brunnen und der Solarkiosk Seite an Seite, beide waren die Lebensader des Dorfes. Er grüßte die Alte Wangari, die gerade gekühlten Mangosaft an Kamau ausschenkte und mit ihm plauderte, während er den Akku seiner Flugdrohne am Solarstrom auflud. Mit der Drohne wachte er über seine Grünkohlfelder. Auf der Bank neben dem Solarkiosk saß seine Nachbarin und nutzte den guten WLAN-Empfang zum Skypen, während sie am Brunnen ihre Wasserkanister volllaufen ließ.

Kibe wechselte ein paar Worte mit den Kindern in ihren grünen Schuluniformen, die auf den Bus zur Grundschule in Murang’a warteten. Alle Kinder aus den Dörfern im Umkreis von 30 Kilometern gingen auf die Schule in dieser Kleinstadt. Wie oft hatte Kibe in seiner Kindheit vergeblich auf den alten Bus gewartet, besonders, wenn der Bus in der Regenzeit in der Sandpiste stecken geblieben war. An solchen Tagen war Kibe schon um 5 Uhr früh aufgestanden und die 6 Kilometer querfeldein zu Fuß gegangen. Jeden Tag erkundete er einen anderen Pfad, jeden Tag wollte er ein Entdecker sein! Früher konnten sich viele Eltern das Schulgeld für einen Internatsplatz nicht leisten. „Wie gut, dass die öffentlichen Internate jetzt kostenlos sind“, dachte Kibe.

Gemächlich näherte sich der Bus über die frisch asphaltierte Straße. Heute war er pünktlich.

Jambo“, grüßte der Busfahrer. Um den Fahrpreis zu zahlen, öffnete Kibe die M-Pesa App auf seinem Smartphone und tätigte die Transaktion. Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten sie Murang’a, von dort aus ging es 90 Kilometer auf der gut ausgebauten Thika-Murang’s Road nach Nairobi. Ein letztes Mal schaute Kibe auf die majestätische Silhouette des schneebedeckten Batian. Er war noch nie dort oben gewesen, die Besteigung des Fünftausenders war ein Luxus, von dem er nur träumen konnte.

Aber jetzt bezwinge ich einen anderen Gipfel: Berlin!“, dachte Kibe und lächelte.

Fotos frei nach Creative Commons, Quelle: https://pixabay.com/de/ Titelbild von Jürgen Böhm

Zu Kapitel 2 >>>

Hier geht es zum Überblick und Wegweiser der Kurzgeschichte.

Begriffserläuterungen: Digitales und Kenia

Bezugspunkte: Fachliteratur und Populärkultur

Personen und Schauplätze

Interview: Die Kenianerin Kate Ouma erzählt von ihrem Heimatland

Die Autorinnen stellen sich vor

31 Antworten auf „Lernwelten 2030: Kapitel 1 – Zukunftsträume fliegen von Afrika nach Berlin“

  1. Liebe Dorit, liebe Ulrike,
    ich habe jetzt gerade mal das erste spannende Kapitel gelesen und ein wenig in den Erklärungen der Figuren und Schauplätze gestöbert.
    Ihr habt eine neue Welt „erschrieben“, die ihr vom Stand der heutigen Technik aus weitergedacht und entsprechend weiterentwickelt habt.
    Wie lange arbeitet ihr schon daran?
    Ich freue mich auf jeden Fall auf weitere Kapitel und die Blogparade im März. Eine geniale Idee, andere mit Texten in diese scheinbar noch fiktive Welt schreibend hineinzuführen …
    Liebe Grüße,
    Mia

    1. Vielen Dank liebe Mia! 🙂 Es freut mich, dass die Geschichte und das Thema dein Interesse geweckt haben. Dorit und ich arbeiten schon seit einigen Monaten daran, wobei Dorit die Expertin in den wissenschaftlichen Aspekten ist (sie forscht schon seit einiger Zeit zu Lernräumen und -konzepten sowie zu Bildungsbiografien), ich habe ein bisschen das Schriftstellerische beigesteuert (obwohl Dorit auch sehr gut kreativ schreiben kann, auch wenn sie das nicht zugeben will ;-), wir haben zusammen die Figuren entwickelt und dann ein wenig aufgeteilt, wer welche Szenen schreibt und gegenseitig unsere Texte lektoriert.
      Bin gespannt, wie die wissenschaftliche Community unsere Geschichte aufnehmen wird (und ob sie sich mit aktiven Beiträgen beteiligen wird). Hoffe natürlich auch auf Interesse und Beteiligung meiner treuen Blogleser*innen. 🙂

    1. Vielen Dank lieber Urs! Wir freuen uns über deinen Zuspruch. 🙂 Die Möglichkeiten und Mankos der Digitalisierung sind ja auch ein Thema von dir (z.B. in deiner Masterarbeit).

  2. Hallo allerseits,
    ich bin Fernstudentin an der Uni KL und bin über Twitter auf diese SciFi Story aufmerksam geworden: spannend! Und schön verpackt in diese unterhaltsame Geschichte, denn letztendlich geht es immer um Menschen und nicht um Technik.

    Da ich vor einiger Zeit in einem Entwicklungsprojekt für Schulen in Uganda mitgearbeitet habe (Praktikum), weiß ich, dass in solchen Ländern zunächst die basic Infrastruktur weiterentwickelt werden muss. Das fängt damit an, dass für Schulkinder in Uganda (Kenia ähnlich) heute in ländlichen Gegenden nicht garantiert ist, dass sie eine gute Anbindung an die nächste Schule haben. Das habe ich in dieser Story natürlich wiedererkannt.
    In vielen afrikanischen Regionen ist es gerade für Mädchen oft nicht möglich, während ihrer sog. „unreinen Tage“ (Monatsblutung) die Schule zu besuchen, weil Sanitäranlagen fehlen.
    Kinderhilfswerke wie PLAN sind am Ausbau von solchen Infrastrukturen dran. Es ist zu hoffen, dass sich bis 2030 einiges nachhaltig verbessern wird, auch durch die einheimischen Multiplikatoren.

    Jedenfalls denke ich, dass Bildung der Schlüssel ist. Über Uganda weiß ich, dass dort bereits heute der Zugang zu Bildung durch digitale Techniken (z. B. Verleih von Notebooks in Schulen) verbessert wird.
    In der Story ist mir der Aspekt aufgefallen, dass der kenianische Student durch virtuelle Kurse Anschluss an die Berliner Uni gewonnen hat. Solch ein Szenario kann ich mir für heute und die Zukunft gut vorstellen.
    Viele Grüße
    Naomi

    1. Liebe Naomi,

      vielen Dank für deinen persönlichen Einblick in die heutige Zeit. Ich möchte mich hier deiner Meinung im letzte Abschnitt anschließen: Für die Zukunft kann ich mir auch vorstellen, dass Onlineuniversitäten gar nicht mehr so unwahrscheinlich sind. Wir haben schon die Programme, jetzt fehlen nur noch die Vorlesungen.

      Mich würde nun interessieren, wie denn dein Fernstudium an der TU zur Zeit ist.
      Über eine Antwort würde ich mich sehr freune.

      Liebe Grüße,
      Michelle

  3. Liebe Ulrike,
    bin gerade erst auf Eure Geschichte gestoßen. Ich finde sehr spannend zum einen die Verknüpfung der afrikanischen Herkunftswelt von Kibe mit dem Berlin im Jahr 2030 und zum anderen das Weiterdenken der digitalen Lernwelt.
    Ich war noch nie in Afrika, habe aber sofort Bilder im Kopf bei Eurer Beschreibung. Ich bin gespannt, wie Berlin 2030 in Eurer Geschichte aussehen wird. Angesichts dieser virtuellen ‚Errungenschaften‘ gruselt es mich ein wenig. Stell Dir mal vor, wir hätten unser BKS 11 Studium avatarmäßig absolviert, es wäre doch schade gewesen, wenn wir uns nicht direkt persönlich begegnet wären. Aber so wird es wohl zunehmend kommen. Ich werde neugierig weiterlesen.
    Liebe Grüße
    Anne

    1. Vielen Dank liebe Anne (auch im Namen von Dorit)! Es freut mich, dass die Geschichte dein Interesse geweckt hat. 🙂 Ja, ich finde auch, dass kein Avatar mit einer persönlichen/menschlichen Begegnung mithalten kann – aber vielleicht sehe ich das nur so, weil auch ich in der analogen Welt groß geworden bin. Wenn ich erlebe, wie viel soziales Leben sich bei heutigen Teenagern (z.B. meiner 16-jährigen Nichte) virtuell abspielt, scheint mir unsere erzählte Zukunftsvision durchaus realistisch (ob Utopie oder Dystopie liegt im Auge der Betrachterin…).

  4. Liebe Ulrike und Dorit,

    Dieses erste Kapitel eurer Geschichte ist wirklich schön geschrieben und ich bin gespannt, wie es weitergeht. Ich finde auch sehr interessant, wie sich die Technik in der Zukunft in Bezug auf das Universitäts-System verändert hat. Ich bin selbst Studentin und einerseits finde ich es unglaublich schwer, mir vorzustellen, dass man sich nur virtuell auf dem Campus bewegt und so zwei Semester lang studiert, doch andererseits sind dieser Technik keine Grenzen gesetzt, gerade auch mit virtual Reality, weshalb dieser Schritt nicht wirklich weit entfernt von der heutigen Realität ist und durchaus denkbar wäre. Ein sehr faszinierendes Konzept jedenfalls.

    Liebe Grüße,
    Sandra

    1. Liebe Sandra,
      vielen Dank für dein Feedback. Es ist für uns interessant zu erfahren, was du als Studentin über solch ein Szenario denkst. Ich denke auch, dass die face-to-face Komponenten im Studium (und in der beruflichen Zusammenarbeit) auch in Zukunft wichtig bleiben werden, weil die Menschen m.E. ein Bedürfnis nach persönlichem Kontakt haben.
      Aber wahrscheinlich wird es künftig vermehrt einen Mix von f2f und virtuellen Lern- und Kommunikationsräumen geben, gerade in den Bereichen, wo Menschen eine geografische Distanz überwinden wollen.
      Insbesondere für Lernende, die in Regionen oder Ländern ansässig sind, in denen die Bildungsinfrastruktur lückenhaft ist (wie hier im Beispiel Kenia), bietet die virtuelle Teilnahme an Kursen (wie Massive Open Online Courses / MOOCs am MIT) von externen Bildungsanbietern neue Qualifikationschancen.
      Ob sich das vermehrt durchsetzen wird? Man kann gespannt sein!
      Die Uni KL bietet auch so etwas an: Kennst du schon den KLOOC („Kaiserslauterer Open Online Course“)?. Siehe https://www.uni-kl.de/klooc/

      Jedenfalls freut es mich / uns, dich als Leserin an Bord zu haben. 🙂
      Viele Grüße
      Dorit

      1. Liebe Dorit,
        von KLOOC habe ich in der Tat noch nichts gehört, aber die Kurse sehen sehr interessant aus. Vielleicht werde ich an einem mal teilnehmen. Es ist auch sehr spannend zu sehen, wie solche Angebote angenommen werden von den Studierenden.
        Viele Grüße,
        Sandra

  5. Liebe Ulrike, Liebe Dorit,
    ich finde eure Geschichte fängt schon spannend an und beschäftigt sich mit einer Thematik, über die ich mir persönlich schon häufig Gedanken gemacht habe. Wie könnte das Lernen/Studieren in der Zukunft aussehen und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? An der Geschichte von Kibe sehe ich einige Vorteile dieses Zukunftszenarios: unter anderem Chancengleichheit und Zugang zu Bildung für Alle. Dennoch glaube ich, dass ich wie Kibes Mutter diesen Veränderungen sehr skeptisch gegenüber stehen würde. Ich sehe bei den Möglichkeiten die durch die Entwicklung entstehen, auch immer einige Gefahren.
    Ich bin gespannt, wie die Geschichte weiter geht.
    Viele Grüße
    Elisa

    1. Vielen Dank liebe Elisa! 🙂 Ich finde es interessant, was du zur Chancengleichheit sagst. Auch diese hat ihren Preis (nämlich die Gefahren der Digitalisierung wie z.B. Überwachung und Entfremdung).

  6. Hallo an alle Mitlesenden und an euch, die hier so interessante Feedbacks hinterlassen haben!
    In mehreren Kommentaren wurde von euch das Thema aufgegriffen, dass die Digitalisierung Bildungschancen eröffnen kann.
    Die Technik dazu ist ja bereits da, die „Klassiker“ (seit den 1990ern) sind Bildungsangebote wie offline Lern-CDs, Online-Kurse, Video-Tutorials, Blogs, Wikis, E-Portfolios und Ähnliches. Neuer sind virtuelle Realitäten, die teils leicht zugänglich sind (z.B. über Apps), teils jedoch mit Kosten für die Anschaffung von teuren VR/XR-Brillen (Virtual / Mixed Reality) fürs Agieren in der simulierten 3D-Welt verbunden sind. Auch das Erstellen von immersiven VR-Lernwelten ist oftmals kosten- und zeitintensiver, als es sich eine (deutsche) Schule/ Hochschule im Regelbetrieb leisten kann.

    Insbesondere für strukturschwache Länder wie Kenia gab es durch die internetfähigen Phones einen Sprung über die Hürden „PC und Internetverkabelung“ hinweg: Mehr Menschen haben damit einen leichteren Zugang zu den (Lern-)Inhalten im WWW und digitalbasierten Services im Alltag.

    Zu innovativen Digitalisierungsprojekten in Kenia, Rwanda und Ghana habe ich einen sehr empfehlenswerten Dokumentarfilm gesehen: „Digital Africa“ (2018, arte/ ARD). Siehe: https://programm.ard.de/TV/arte/digital-africa—ein-kontinent-erfindet-sich-neu/eid_28724783825514
    Um Defizite in der Infrastruktur (wie Straßennetz/ Mobilität, Stromversorgung, Bildungseinrichtungen) auszugleichen, werden digitalbasierte Neuerungen vorangetrieben. Zum Beispiel: Solarkiosk für mobilen Strom- und WLAN-Versorgung, mobiler Zahlungsverkehr über M-PESA Handy-App.

    Beispiele aus Kenia:
    Seit 2008 läuft die partizipative Online-Plattform „Ushahidi“ (Open Source) mit Meldungen zu Katastrophen und Sicherheitsproblemen: Die Bevölkerung meldet diese über E-Mail oder Twitter (Darstellung auf Landkarte).
    Seit 2015 gibt es das „Kiokit“ Projekt: rund 300 Lernkoffer mit Tablets werden an Schulen verliehen (Aufladen mit Solarstrom, Apps funktionieren auch offline).
    In Nairobi vernetzen sich Startups (IT’ler, Ingenieure) im „iHub“ (mit industriellem Maker Space fürs Testing von Prototypen).

    Beispiele aus Rwanda:
    Im staatlich finanzierten „kLab“ (seit 2011) erhalten junge Unternehmer*innen kostenlos IT-/Computer-Trainings (größtenteils online).
    App „Sagemotors“ (seit 2015): sicheres Motorrad-Taxi bestellen, mit Nutzerbewertungen für die Fahrer.
    „Charis UAS“ (seit 2014): Ernteüberwachung mit Dronen mit ultraspektral Kameras (z. B. Schädlingsbefall frühzeitig erkennen).

    Beispiele aus Ghana:
    Startup Dext (seit 2013): Lernbox für Ingenieure und Programmierer; Experimentierkästen (11€) als mini Maker Space/ Labor (seit 2000 für Privatschulen).
    Weiterhin: E-GesundheitsApp „Blockchain“ (digitale, verschlüsselte Krankenakten).

    Das ist ein interessanter Einblick in eine „andere Seite“ von Afrika. Natürlich bestehen in den wirtschaftlich ärmeren Regionen weiterhin die bekannten Probleme in der Entwicklungsarbeit, auf die Naomi in ihrem Kommentar hingewiesen hat.
    In meiner (unserer) Recherche habe ich (wir) zudem eine gebürtige Kenianerin interviewt, die auch von diesen unterschiedlichen Seiten Kenias erzählt hat.
    Soweit meine Gedanken zum Aspekt Digitalisierung/Bildung.
    Viele Grüße, Dorit

  7. Die Vorstellung, wie ein afrikanisches Dorf durch technologische Innovationen beeinflusst werden könnte, ist überaus interessant. Es wäre spannend, dass sogar Drohnen für Bauern zum Einsatz kommen könnten, um deren oder jeglichen anderen Job zu vereinfachen.
    Dennoch würde eine gute technologische Vernetzung nicht alle Probleme lösen. Dieser Widerspruch, dass WLAN-Empfang in der Nähe eines Brunnens zur Verfügung gestellt wird, aber gleichzeitig wohl kein fließendes Wasser in der Behausung vorzufinden ist, stellt die Grundbedürfnisse der Menschheit in Frage.
    Ich finde, das ist ein bedeutsamer Aspekt, der verdeutlicht, dass nicht der technologische Fortschritt allein, der in der Zukunft durchaus zu erwarten ist, alle Herausforderungen auf der Welt lösen kann. Trotzdem könnte es, so wie es sich auch aus der Geschichte hervorgeht, die Technologie erheblich dazu beitragen, dass der Alltag einfacher gestaltet werden könnte.

    1. Vielen Dank liebe Lya für diese sehr interessanten Gedanken! Ich stimme dir zu, dass (fließendes) Wasser ein Grundbedürfnis ist (das hoffentlich in der Zukunft flächendeckend auch in Afrika gestillt werden kann), im Gegensatz dazu scheint der WLAN-Empfang kein Grundbedürfnis zu sein – aber doch mehr, als ein bloßes Luxusgut, denn der Zugang in die digitale Welt eröffnet ganz neue (Bildungs-) Chancen. Am besten wäre es natürlich, wenn beides den Menschen ohne Schwierigkeiten zur Verfügung stehen würde, dann müsste man nicht wählen zwischen essenziell und verzichtbar.

      1. Liebe Ulrike, Liebe Lya,

        ich finde diese Bildliche Darstellung von Luxus und Grundbedürfnissen wunderbar gelungen. Ich selbst habe drei Jahre in Peking gelebt. Es war sehr überraschen zu sehen, dass jeder ein Smartphone mit Internetzugang hatte (man konnte sogar Geld an Obdachlose online über WeChat schicken…). Gerade weil diese Extreme bereits in der heutigen Welt zu sehen sind, fand ich die bildhafte Beschreibung in diesem Kapitel wunderbar.

        Zum Schluss möchte ich mich deiner Meinung noch anschließen Ulrike: Am besten wäre es, wenn Grundbedürfnisse, wie Wasser, und aber auch Luxusartikel, wie Internet, bald in ganz Afrika für jeden zugänglich wäre.

        Liebe Grüße, Michelle

  8. Liebe Ulrike, liebe Dorit,

    ich finde euer erstes Kapitel sehr gelungen. Der direkte Vergleich von Luxus und von Notwendigkeit finde ich sehr gut.
    Man ist überall und jeder Zeit verbunden. Ich finde die Vorstellungen, einen virtuellen 3D Campus zu haben noch sehr schwierig, aber äußerst interessant. Hierbei stelle ich mir nur die Frage: Wie lange wird es dauern bis wir so weit sind?

    Es gibt bereits Onlineportale wie Zoom, Adobe Connect oder ähnliche, wo man einen virtuellen Klassenraum erstellen kann. Dennoch werden die Programme eher selten bis nie verwendet. Allein wenn eine Vorlesung bei uns online verfügbar ist, ist das in meinem Studierendenkreis sehr spannend.

    Ich bin auf die weitere Geschichte gespannt und möchte mich hier bei euch bedanken, uns einen Einblick in die mögliche Zukunft zu geben.

    Liebe Grüße, Michelle

    1. Liebe Michelle,
      vielen Dank für dein Interesse an der Kurzgeschichte und deinen interessanten Input! Deine Erfahrung in Peking mit der allgegenwärtigen Nutzung von Smartphones – auch in ungewöhnlichen Lebensbereichen – ist spannend.

      Ich sehe es wie du, dass wir im Moment an deutschen Hochschulen noch weit entfernt sind von der Verlagerung der Lehr-Lern-Interaktion in einen zwei- oder dreidimensionalen Raum (dort, wo es sinnvoll ist).
      Aus der Computer Games Branche wissen wir, dass das Eintauchen in optisch und interaktiv toll ausgestalteten 3D-Welten technisch gut machbar ist und von den Nutzer*innen sehr gut angenommen wird.
      An den Hochschulen fehlt es vor allem an Geld, aber auch an guten didaktischen Konzepten. Wie du aus deinem Studium berichtest, wird noch nicht mal ein einfachen virtuelles Klassenzimmer für einen Mehrwert genutzt.
      Ob die Teenager von heute sprich Studis von morgen mit eine größeren Anspruchshaltung (quasi als Kunden) von den Unis mehr (digitale) Innovation einfordern werden?
      Viele Grüße
      Dorit

      1. Liebe Dorit,

        an Videospiele hatte ich tatsächlich zunächst nicht gedacht, allerdings will ich dir hierbei Recht geben. Ich denke, der Erfolg mit Avataren und 3D-Welten lassen sich in Spielen wie „World of Warcraft“ oder sogar „Die Sims“ sehr gut wiedererkennen.
        Ich denke, gerade weil in den deutschen Hochschulen die Technick „hinterherhinkt“ finde ich es schwierig mir die Onlinewelt von der Ada-Love-Lace Uni vorzustellen.
        Vielen Dank für deine Sichtweise!

        Ich denke, die Zukunft wird spannend in Sachen Technik und ich freue mich schon sehr darauf. Es bleibt aufregend!

        Liebe Grüße,
        Michelle

  9. Liebe Ulrike, liebe Dorit,

    ich finde das erste Kapitel eurer Geschichte sehr aufschlussreich. Die technologischen Innovationen, die ihr für das Dorf in Kenia erdacht habt, sind sehr zukunftsweisend! Bauern, die ihre Felder mit Drohnen überwachen, die wiederum mit Solarstrom aufgeladen werden… Das lädt schon zum Träumen ein und man fragt sich, ob so etwas bald flächendeckend Realität werden könnte. Wohin führt uns der Weg der technologischen Innovation? Man kann nur mutmaßen, denn die Möglichkeiten scheinen grenzenlos.

    Beim Lesen habe ich mich gefragt, ob solche Szenarien für ein Land wie Kenia schon 2030 Realität werden könnten. Ich glaube, nach heutigem Stand kämpfen ärmere Länder wie Kenia mit einer Reihe von grundlegenden Problemen wie Strom- und Wasserversorgung oder der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung. Gerade im ländlichen Raum kämpfen die einfachen Menschen Tag für Tag ums Überleben. Hoffen wir, dass der technische Fortschritt bei der Bewältigung dieser Probleme einen Beitrag leisten kann. Ein Allheilmittel kann und wird er meiner Meinung nach jedoch nicht sein.

    Ein weiterer spannender Aspekt eurer Geschichte ist die Digitalisierung des Universitätsalltags. Um es mal plakativ auszudrücken: Ich finde, dass ein fortschrittliches Land wie Deutschland in puncto Digitalisierung im Bildungssektor wirklich weit hinterherhinkt. Die Konzepte, die ihr in eurer Geschichte erdacht habt (virtuelle Lernräume etc.) sollten das angestrebte Ziel sein. Bis dahin wird es aber noch viel zu tun geben. Und es muss darauf geachtet werden, dass niemand dazu gezwungen wird, ein „digitaler Student“ zu werden. Es muss auch in Zeiten des technischen Fortschritts Pluralismus in der Bildung geben und auf den richtigen Mix aus virtuellen/digitalen Angeboten, sowie persönlichem Kontakt geachtet werden.

    Freue mich auf die weitere Lektüre!

    1. Liebe Denise,
      Danke für deine interessanten Gedanken dazu.
      Bei meiner/unserer Recherche für die Story habe ich den Dokumentarfilm „Digital Africa“ (2018) angeschaut und war überrascht, wie fortschrittlich Kenia und Ghana im Bereich Digitalisierung sind – gerade weil sie Lücken in der Grundversorgung schließen müsssen: Solaranlage statt Stromleitung, WLAN und Smartphones statt Festnetz. Die in Kapitel 1 genannten Technologien (z. B. die App M-Pesa, Flugdronen) gibt es bereits seit einigen Jahren in Kenia. Aber es besteht immer noch eine Schere zwischen Landbewohnern und Stadtbewohnern, zwischen arm und reich, bildungsfern und bildungsnah. An erster Stelle muss das Sicherstellen der Grundversorgung stehen (wie du auch sagst). Dabei kann Bildung (besonders alltagstaugliche Kompetenzen, von Mensch zu Mensch vermittelt) den einzelnen ermächtigen.

      Ich finde dein Argument, dass kein Zwang bestehen darf, zum „digitalen Studenten“ zu werden, überzeugend.
      Ja, ich denke auch, dass die Hochschule einen Mix aus analogen und virtuellen Angeboten sowie aus Interaktion face-to-face und online anbieten sollte – und dass ich mich als Studentin (und Lehrende) entscheiden kann, welcher Modus wann am besten für mich passt.
      Viele Grüße
      Dorit

  10. Lieben Dank an meine langjährige Kollegin Dorit, bei den Lernwelten mit dabei sein zu dürfen. Ich bin sofort ganz tief eingetaucht in diese fantastischen Zukunftsideen und deren authentische Umsetzung. Leider fand ich erst jetzt Zeit mich dazu zu äußern, was ich aber auf keinen Fall verpassen wollte.

    In der Tat fragt man sich, welche Fortschritte gerade Afrika machen wird, weil das Entwicklungspotential dort noch besonders groß ist. Ich finde die von den Autorinnen gewählten Kontraste durch eine Inselentwicklung sehr spannend wie WLAN vs. Deckung des Wasserbedarfs aus zentralen Brunnen oder Vodoo-Glaube vs. programmierte Maisfeldbewässerung.

    Den geschilderten Fernunterricht von Kibe finde ich faszinierend: Studierende (aus Afrika) sind als Avatar auf dem 3D-Campus unterwegs. Das finde ich absolut genial! Obwohl es in meiner Studienzeit in den Neunzigern noch nicht mal Internet gab und damals selbst ein Notebook nur ganz wenigen Privilegierten zur Verfügung stand, kann ich mir als Fernstudien-Programm-Managerin ein Online-Studieren in einer virtuellen 3D-Welt mit Avataren sehr gut vorstellen. Wenn man Simulationsprogramme wie „die SIMs“ zusammendenkt mit den gängigen Online-Konferenzen hat man die Ansätze ja bereits vor sich. Durch das virtuelle Studium könnte man nicht nur der Wohnungsnot in den Universitätsstädten begegnen, sondern Studierenden auch „Zugang“ zu verschiedenen Universitäten gleichzeitig ermöglichen. Unser früherer Direktor Herr Professor Arnold hat immer betont, dass gerade die Fernlehre es einem Studiengang erlaubt, die besten Lehrkräfte für sich lehren zu lassen, nicht nur die lokal verfügbaren. Das könnte in Zukunft auch umgekehrt funktionieren, indem Studierende nicht (nur) an ihrer lokalen Uni studieren, sondern sich überall dort Vorlesungen anhören können, wo sie die für sich beste Lehre vorfinden können. Die Stärke von Bildungseinrichtungen könnte dann auch ganz neu gewichtet werden, wenn Studierende unabhängig von deren Aufenthaltsorten gewonnen werden können. Ich würde so ein Szenario sehr bereichernd finden und bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht – hier in den Lernwelten als auch in unserer Zukunft 🙂

  11. Liebe Evelyne,
    vielen Dank, dass du deine spannenden Gedanken rund um Lernwelten mit uns teilst. Du bringst einen wichtigen neuen Aspekt ein: dass ich mir als Lernende im virtuellen Bildungsraum „die Besten“ (sprich: wer mich am meisten interessiert) Lehrenden aussuchen kann!

    Und das trifft meiner Meinerung nach auch auf die Mitstudierenden zu: Schon heute treffen Fernstudierende (wie die bei uns am DISC) dabei auf interessante Menschen, denen sie bei einem Präsenzstudium nicht begegnen würden (wegen geografischer Distanz oder auch anderer Bildungswege). Wenn die Hochschulen in Zukunft immer offener für nicht-traditionelle Studierende werden, wird es eine interessante Durchmischung von Studierenden aus verschiedenen Berufsfeldern und Herkunftsländern geben.
    Es wird natürlich auch eine Herausforderung sein, in einem Lehr-Lerngeschehen mit so heterogenen Akteuren deren unterschiedliche (Wissens-)Hintergründe zu vereinbaren, gemeinsame Kommunikations-/Arbeitspraktiken und Verständnisse auszuhandeln etc.

    Viele Grüße
    Dorit

  12. Liebe Dorit,
    in der Tat hast Du meine Gedanken noch an der richtigen Stelle ausgebaut: Nicht nur die besten DozentInnen können gewonnen werden, auch die Studierendenschaft kann aus der ganzen Welt an einer virtuellen Uni zusammenkommen. In diesem Sinne fand ich es faszinierend, dass Kibe aus Afrika gerade eine Uni in Berlin gewählt hat. Um die Spachbarriere zu überwinden, hat er jedoch auch einen Deutschkurs belegt. Hier können in Zukunft vielleicht Übersetzungsmodule die Studierenden der Welt noch näher zusammenrücken lassen 🙂

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