Mein Schreibgefährte Urs hat zu einer Blogparade mit dem Thema: „eindeutig-uneindeutig: Ambivalenz schreiben“ eingeladen: „Aus aktuellem Anlass empfinden wir wohl alle gerade höchst ambivalente Gefühle und unsere Haltung ist wahrscheinlich ziemlich eindeutig-uneindeutig. Ich starte deshalb eine Blogparade mit unterem Beitrag. (…) Bitte erkundet die Ambivalenz fiktional. (…) Eurer Widersprüchlichkeit seien keine Grenzen gesetzt!“
Hier ist meine Interpretation des Themas:
Ambivalenter Abstand
Ich soll Abstand achten
zu meinen Artgenossen
das Areal in Abschnitte schneiden
in angespannter Atmosphäre meinen Atem anhalten
in der Kassenschlange artig aufpassen
zu nah! – Alarm aus aufgerissenen Augen
besser ausweichen auf achtfache Armeslänge
Achtung: Ansteckungsgefahr*
Ich soll Abstand aushalten
zu meiner atemlosen Angst
pausenlos Analysen anschauen
Anschauungen analysieren
alles auf die schwere Schulter nehmen
kein Attest für Andersdenkende
Arrest für Auslauffreudige
Achtung: Ausdeutungsgefahr*
Ich soll Abstand ausloten
zu Aktienkursen im Abflug
die alarmierte Anleger hyperventilieren lassen
zu aufmüpfigen Anarchisten
die Ampeln ausblenden und in Ansammlungen saufen
zu aufgeschreckten Arbeitgebern
die Augen wischend Ausverkauf ausloben
Achtung: Abschreckungsgefahr*
Ich soll Abstand aufweichen
ausbrechen aus meiner Ausgeschlossenheit
mich ausgiebig austauschen
auf alternative Angebote aufspringen
von Fenstern und Balkonen Allianz ausrufen
mich abstrakt anschmiegen
an Auserwählte und Anonyme
Achtung: Auswederodergefahr*
Ich soll Abstand annullieren
mich meinen Angehörigen annähern
ein Albtraum für manche Angetraute und Angegraute
den Ausnahmezustand im Apartment aussitzen
mich paarweise oder alleine im Außen austoben
aus meiner Achtlosigkeit aussteigen
dem Amselgesang aufmerksam lauschen
Achtung: Ausschweifungsgefahr*
Ich soll Abstand abmessen
mit Augenmaß den Mittelweg anpeilen
navigieren zwischen Panik und Vernunft
allzeit aufrichtig Anstand zeigen
Anteil nehmen und dabei Abstand geben
Optimismus aufschwingen lassen
und meine Solidarität aufrüsten
Achtung: Außerstandesgefahr*
* angelegentliche Anmerkung der Autorin: Antrag auf Abschaffung des Attributs „-gefahr“ allseits allgemeingültig angenommen, ausgenommen in außerordentlichen Ausnahmesituationen
Liebe Ulrike
Du schwingst Dich aliterierend, zum Glück nicht delirierend, auf poetische Höhenflüge! Mir gefallen deine Wortschöpfungen außerdordentlich gut. Favorit: Ausdeutungsgefahr. Ja, die Interpret*innen und Prophet*innen raunen derzeit wieder durch die Feuilletons. Als ob…
Dein Beitrag zeigt auch, dass eine Art Contrainte in Zeiten von Corona ganz hilfreich sein kann, weil auch beim Lesen der Humor mitschwingt.
Abstrakt schmiege ich mich an und klatsche ab!
Herzlich, Urs
Vielen Dank lieber Urs! Sende dir eine aliterierende anheimelnde UmArmung. 🙂
Li_b_ Ulrik_,
mir hat d_in T_xt auch s_hr vi_l Spaß g_macht, sprachlich voll_r Humor und imm_r auf Abstand b_dacht, sogar in d_n Wort_n … 🙂
Ich mag ja d_n T_il s_hr g_rne: Solidarität aufrüst_n, da s_h_ ich im Mom_nt s_hr vi_l_ Ding_, di_ g_rad_ möglich sind und möglich w_rd_n …
Dank_, lieb_ Ulrik_,
für di_s_n h_iter_n Mom_nt,
Mia
Vi_l_n Dank li_b_ Mia! Das „_“ ist sch_inbar im Abstandsni_mandsland g_land_t. Wir v_rg_ss_n _s nicht. 🙂
Liebe Ulrike
B u c h s t a b e n a u f A b s t a n d, d a f r e u t s i c h d e r B ü c h e r w u r m, d e n n s o h a t e r m e h r P l a t z u m s i c h d u r c h
z u s c h l ä n g e l n .
Mir gefällt am besten die Auswederodergefahr. Die hört sich so wunderbar sinnlos an. Die könnte man auch mal auswildern und schauen zu welchen Angstgespinsten sie sich mausert. Deine Art mit Wörtern zu spielen gefällt mir ausnehmend gut und ist ansteckend.
Liebe Grüße
Anne
Vielen Dank liebe Anne! 🙂 D e r B ü c h e r w u r m i s t i n A u s w e d e r o d e r g e f a h r – h a t s i c h i n d e n v i el e n A b s t a n d s r ä u m e n v e r l o r e n.