Gastbeitrag von Dorit: Ideen zur digitalisierten Hochschule der Zukunft
„Wohin entwickelt sich die Hochschule der Zukunft (2030) – und welche Weichen müssen heute gestellt werden?“
Zu dieser Frage habe ich am 4. März 2020 an der Bauhaus-Universität Weimar einen Workshop geleitet, der Teil der Winter School „Unfreezing“ war. Die Teilnehmenden kamen von Universitäten aus ganz Deutschland. In vier Gruppen haben wir spannende Diskussionen geführt.
Impulsgeber dabei war die Science Fiction Kurzgeschichte „Lernwelten 2030“ der Autorinnen Ulrike Günther und Dorit Günther, publiziert in 7 Kapiteln im Zeitraum von Januar bis Februar 2020 im Blog „Wörterwelten schreiben“.
Nun möchte ich einige der diskutierten Ideen vorstellen.
Ergebnisse der Diskussionsgruppe 1: Lernräume
Gruppe 1 hat das Thema „Zukunftsfähige physische Lernräume an Hochschulen mit Übergängen in virtuelle Lernräume“ bearbeitet. Die Gruppe hat als Quintessenz ihres Gedankenaustauschs zwei Statements formuliert:
- „Wir brauchen ein klares Bildungsziel, um Lernräume zu entwerfen!“
- „Die Aspekte Lernräume, Lehr-Lern- und Prüfungsformate sowie die Rolle der Lehrenden und Lernenden bedingen sich gegenseitig.“
Die Konzeption von Lernräumen ist von äußeren Rahmenbedingungen abhängig, z. B. von Zeit (Hochschulen arbeiten langsam), Geld und – möglicherweise fehlender – Flexibilität auf der Handlungsebene.
Auf inhaltlicher Ebene spielen diese Überlegungen eine Rolle:
- Wo befinden sich die Lernräume? Ist die Hochschule der einzige Lernort oder gibt es vielmehr ein Netzwerk von Lernorten innerhalb und außerhalb der Hochschule?
- Akteure:
- Wer entscheidet bzw. spricht mit bei der Gestaltung neuer Lernräume?
- Wer nutzt die Räume? Zu berücksichtigen sind verschiedene Nutzertypen und Nutzungsgewohnheit. Je nach ausgeübter Aktivität dort stellen Nutzer*innen unterschiedliche Anforderungen an den Raum.
- Wer nimmt an den Lehr-Lernsettings teil? Rolle der Lehrenden als Lernbegleiter*innen sowie Studierende als aktive Mitgestaltende. Gemeinschaft herstellen.
- Die Gestaltung und Nutzung der Räume stehen in Wechselwirkung mit dem darin stattfindenden Lehr-Lernsetting und den Kompetenzen, die erworben werden sollen.
- Bekanntes und Unbekanntes: An Hochschulen gibt es bestehende Lernräume, in denen i.d.R. traditionelle formelle Lehr-/Lernformen stattfinden. Zudem besteht der Wunsch, innovative Lernräume zu schaffen, wobei oftmals noch offen ist, wie diese genutzt werden können. Bei Bestandsbauten/-räumen ist eine Umnutzung möglich. Dafür braucht es zukunftsfähige Konzepte. Es fragt sich: „Wie können wir mit den vorhandenen Räumen arbeiten?“
- Umsetzungsideen:
- Flexibel einsetzbare Innenausstattung und Möblierung. Hierbei ist auszuloten, zu welchem Grad bestimmte Räume nutzungsoffen sind, ohne dabei strukturlos und „beliebig“ zu sein, und welche anderen Räume nutzungsbestimmt sind und somit den Nutzenden Angebote machen und Impulse geben, wie sie genutzt werden können.
- Multiple Angebote für unterschiedliche Bedürfnisse machen.
- Digitale Tools unterstützen die Kommunikation.
- Verbindlichkeiten schaffen.
Erfahrungshintergrund der Gruppenmitglieder:
Institut für Bauphysik (Universität Stuttgart), Zentrum für Innovation und Lehre (Alice Salomon Hochschule Berlin), Landschaftsarchitektur (FH Erfurt), Universitätsentwicklung (Bauhaus Universität Weimar)
Ergebnisse der Diskussionsgruppe 2: 21st century skills und Bildungsbiografien
Gruppe 2 hat das Thema „21st century skills und Bildungsbiografien“ diskutiert und zwei Statements erarbeitet:
- „Bildungsbiografien setzen sich aus vielfältigen – auch veränderlichen – Bausteinen zusammen, die auf formalen und informellen Wegen erworben werden können.“
- „Hochschulen können (sollten/müssen) dabei als „Zertifizierungsinstanz“ fungieren.“
Es stellt sich die Frage, ob wir heute schon wissen können, was die wichtigen (überfachlichen) Skills der Zukunft sein werden. Wie zukunftsfähige Kompetenzen definiert und erworben werden können, steht im Zusammenspiel mit der jeweiligen Bildungsbiografie der lebenslang Lernenden. Wie können Studierende ihre individuelle Bildungsbiografie passgenau zu ihren jeweiligen Qualifizierungszielen gestalten?
Die Akteure im Bereich Hochschule und (Aus-)Bildung müssen die unterschiedlichen Qualifizierungsbausteine in den Bildungsbiografien der traditionellen und nichttraditionellen Studierenden (z. B. Hochschulrückkehrer*innen, Berufstätige in Weiterbildungen) mehr wertschätzen und diesen Raum geben. Bildungsbiografien setzen sich aus vielfältigen „Bausteinen“ zusammen, die innerhalb und außerhalb der Hochschule erworben werden können.
Es ist davon auszugehen, dass die Vielfalt der Qualifizierungsmöglichkeiten und Abschlüsse zu einer Unübersichtlichkeit führt. Welche Zertifikate und Abschlüsse sind gleichartig und damit gleichwertig? Eine Lösung wäre, dass Hochschulen die Aufgabe einer Zertifizierungsinstanz einnehmen. In der Diskussion war sich die Gruppe nicht einig, ob die Hochschule dabei im akademischen Bereich die einzige Instanz sein soll.
Ein Modell ist, dass sich Studierende aus mehreren absolvierten Studienbausteinen den Bachelor- oder Masterabschluss zusammensetzen – sei es bei Modulen „à la carte“ innerhalb eines Studiengangs an einer Hochschule oder institutionsübergreifend.
Möglicherweise lässt sich auch eine Vergleichbarkeit darstellen, ohne dass seitens der Hochschule eine herkömmliche Abschlussurkunde überreicht wird.
Es ist absehbar (so prognostizieren es die aktuellen Trendanalysen und Horizon Reports*), dass sich die Rolle der Hochschule in Zukunft verändern wird. Sie wird die Qualifizierungsmodule (Bausteine) sowohl anbieten, als auch geeignete Bausteine zusammenführen und zertifizieren. Möglicherweise kann die Hochschule die verschiedenen Module und Inhalte auch in einen übergreifenden kritischen Diskurs einbinden.
Dafür braucht es aktuell seitens des Hochschulmanagements eine größere Offenheit für unterschiedliche Bildungswege mit unterschiedlichen Arten des Kompetenz- und Qualifikationserwerbs.
* Beispiel: Die Bundesregierung hat 2018/2019 die Studie „AHEAD: Internationales Horizon-Scanning – Trendanalyse zur digitalen Hochschulbildung“ bei einem internationalen Konsortium in Auftrag gegeben, um die Zukunft der Hochschulbildung zu betrachten und mögliche Szenarien für 2030 zu formulieren.
Erfahrungshintergrund der Gruppenmitglieder:
Universitätsentwicklung (Bauhaus Universität Weimer), Internationalisierung (Bauhaus Universität Weimer), Elektrotechnik sowie ehemalige Hochschulleitung (Frankfurt University of Applied Sciences), Institut für Bildungstransfer (Hochschule Biberach), Lehrstuhl Informatik und Referat für Vielfalt in Studium und Lehre (TH Brandenburg)
Ergebnisse der Diskussionsgruppe 3: Digitalisierung an Hochschulen
Gruppe 3 hat das Thema „Digitalisierung an Hochschulen“ diskutiert und zwei Statements erarbeitet:
- „Digitale Tools schaffen erst innovative Möglichkeiten, wenn die Gestalter*innen und Nutzer*innen entsprechend geschult sind.“
- „Ein großer Mehrwert lässt sich schaffen durch individualisiertes E-Prüfen in einem Prüfungscenter. Dabei können innerhalb einer Studierendengruppe unterschiedliche Prüfungsthemen im gleichen Zeitslot umgesetzt werden. Good Practice: E-Prüfungen an der Universität Jena.“
Ausgangspunkt ist, dass das Thema Digitalisierung omnipräsent ist und dass sich das Hochschulmanagement damit auseinandersetzen und eine Strategie für ihre Hochschule entwickeln muss. Dabei ist diskussionswürdig, inwieweit die Digitalisierung die Hochschule „komplett durchdringen“ muss/soll, indem alle Prozesse und Interaktionen (z. B. Lehr-Lern-Aktivitäten, Forschung, Verwaltung) digitalisiert werden. Die Gruppe kam zu dem Ergebnis, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist (z. B. weil eine Einrichtung zeigen will, dass sie auf der Höhe der Zeit ist). Vielmehr ist sie ein Instrument ist, um in bestimmten Bereichen Potenziale auszuschöpfen und einen Mehrwert zu erzielen, z. B. für die Qualität der Lehre oder die Erleichterung von administrativen Abläufen.
Eine Digitalisierungsstrategie muss an die Situation der Hochschule angepasst werden, insbesondere im Hinblick auf die Ressourcen. Die Konzeption und Durchführung von nicht-konventionellen Lehr- und Prüfungsszenarien erfordert i.d.R. höheren Personal- und Zeiteinsatz. Erschwert wird der Innovationsprozess bei wechselndem Personal (Verlust von Erfahrungswerten und erworbenen Kompetenzen).
Zu Statement 1: Vor allem Lehrende müssen technisch und (fach-)didaktisch geschult und von Supporteinheiten unterstützt werden, um neue Lehr-Lern-Szenarien zu entwickeln. Erschwerend kann sein, wenn unterschiedliche digitale Plattformen (z. B. Learning Management Systeme) zur Auswahl stehen: Die Akteure müssen die jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen der Tools kennen, um für ein bestimmtes Szenario das passende Tool einzusetzen.
Hierbei ist neben der Lehrendenperspektive auch die Studierendenperspektive zu berücksichtigen. Zum Beispiel sollte es neben standardisierten Lerneinheiten auch „Selbstlerneinheiten“ geben, die auf den Lernenden zentriert gestaltet sind und diesem individuelle Anpassungen ermöglichen, wobei auch Künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann.
Probleme liegen – je nach Erfahrungshintergrund der Lehrperson – in der Hemmschwelle, digitale Tools einzusetzen, sowie in den begrenzten zeitlichen Kapazitäten (Stichwort: Lehrdeputat versus Forschung). Hochschulen müssen Anreizsysteme für Lehrende implementieren.
Zu Statement 2: An einigen Hochschule (z. B. Universität Jena) werden bereits individualisierte E-Prüfungen in einem zentralen Prüfungscenter umsetzt. Ein bewährtes Szenario ist, dass nicht alles Studierenden die Prüfungen am gleichen Termin machen, sondern dass ein Prüfungszeitraum zur Verfügung steht, in dem ein Prüfling an einem selbstgewählten Termin seine/ihre Prüfung zu einem individuellen Thema im Prüfungscenter ablegt. Dabei muss die Lehrperson bereit sein, diesen Mehraufwand bei der Aufgabenstellung und Korrektur zu leisten.
Bei allen digitalisierten Szenarien ist die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unabdingbar.
Erfahrungshintergrund der Gruppenmitglieder:
Lehrerinnenbildung (Universität Jena), Zentrum für Lehren und Lernen (Universität Bielefeld), Universitätsentwicklung (Bauhaus Universität Weimar)
Ergebnisse der Diskussionsgruppe 4: Künstliche Intelligenz
Gruppe 4 hat das Thema „Künstliche Intelligenz (K.I.) in der Hochschule der Zukunft“ diskutiert und drei Statements erarbeitet:
- „K.I. wird menschlich erscheinen – Erfahrungsniveau: „tausendjähriger Mensch“
- „K.I. kann eine großartige Lehrinstanz sein.“
- „K.I. wird Gott.“
Zu Statement 1:
Bei einer Diskussion über Künstliche Intelligenz (K.I.) werden deren Eigenschaften, Fähigkeiten und Limitationen oft mit denen des Menschen verglichen.
In der analogen Bildungswelt begegnen sich Menschen in den Rollen als Lehrende, Beratende (Studienberatung) und Studierende. In der Interaktion greifen sie unter anderem auf ihre Erfahrungen (z. B. Wissen, Kompetenzen, Emotionen) zurück, die gleichzeitig eine Limitation sind, da sie subjektiv geprägt und nur bedingt übertragbar sind bzw. verallgemeinert werden können. Die K.I. der Zukunft wird gegenüber dem Menschen den Vorteil haben, dass sie eine viel größere Datenbasis (größer als der „Erfahrungsschatz“ eines Menschen) verarbeiten und in ihre Prozesse einbringen kann. Einiges davon kann uns menschlich erscheinen – wie ein „tausendjähriger Mensch“.
Wahrscheinlich werden in Zukunft Funktionen und Dynamiken hinzukommen, die wir heute noch nicht kennen und uns schwer vorstellen können.
Wir tendieren dazu, uns K.I. anthropomorph (d.h. in menschlicher Gestalt) auszumalen und menschliche Eigenschaften auf sie zu projizieren. Deshalb gehen einige Hersteller in die Richtung, K.I. in humanoide Roboter oder in tierähnliche Gestalten einzubauen, um für die Nutzenden die Illusion eines menschlichen Gegenübers oder Haustieres zu schaffen.
Eine andere Ausprägung ist die „unsichtbare“ K.I. im Handy und anderen mobilen Geräten als Assistentin und Beraterin in allen Lebenslagen.
Obwohl K.I. menschliche Eigenschaften imitieren kann, wird sie auch in Zukunft menschliche Interaktionspartner nicht ersetzen können. Es gibt menschliche Bedürfnisse, die unveränderlich sind und auch von den weiterentwickelten digitalen Medien und Künstlichen Intelligenzen nicht erfüllt werden können. Das sind beispielsweise die Bedürfnisse nach Zuneigung und Liebe (zwischenmenschlicher Wärme), Leben in menschlicher Gesellschaft mit sozialer Interaktion, Zuspruch, Sicherheit sowie Freiheit im Denken und Kreativsein, in der Selbstverwirklichung und Mobilität.
Zu Statement 2:
In einer optimistischen Vision einer zukünftigen Lehr-Lern-K.I. kann sie – wenn sie sinnvoll eingesetzt wird – eine hilfreiche Begleiterin sein, da sie alle Eigenschaften in sich vereint, die wir heute einer kompetenten Lehrperson zuschreiben. Fähigkeiten der K.I. sind z. B. das Verarbeiten großer Datenmengen, das spezifische Beantworten von (Such-)Anfragen durch Filtern und Aufbereiten von Daten als Informationen und individualisierten Lerneinheiten, das Auswerten und Reagieren auf die Eingaben menschlicher und künstlich intelligenter Interaktionspartner*innen.
Gut vorstellbar ist der Einsatz von K.I. im Bereich Studien- und Berufsberatung, Coaching und Mentoring, insbesondere dann, wenn die K.I. dafür mit bestimmten Algorithmen einen Datenpool (Wissen, Erfolge und Misserfolge im Lebenslauf einer bestimmten Person, Best Practices bei Personen und Einrichtungen weltweit) auswerten und eine Person individualisiert begleiten kann. Als persönliche, lebenslange Beratungsinstanz eignet sich eine K.I. dadurch, dass sie alle Daten einer Person (z. B. deren Kompetenzen, Lern- und Qualifikationsziele im Abgleich mit Berufsprofilen) mit individualisierbaren Algorithmen verarbeiten kann.
Wenn eine K.I. auf Basis von Algorithmen Daten filtert und als Informationen zusammenstellt, besteht allerdings das Risiko, dass dabei eine zunehmende Bevormundung auftritt, je nachdem, wer die Algorithmen programmiert und wie unkritisch und manipulierbar die Nutzer*innen mit den präsentierten Informationen umgehen. Beispielsweise vertrauen heute viele Internetnutzer*innen darauf, dass die Suchergebnisse von Google tatsächlich die „relevantesten“ Informationen liefern – ohne die dahinterstehenden Algorithmen zu hinterfragen und welche (kommerziellen) Interessen z. B. der Google Konzern verfolgt.
Die Kehrseite der leistungsfähigen K.I. ist also, dass sie als Instrument der Manipulation und Machtausübung missbraucht werden kann.
K.I. sinnvoll in das Lehren und Lernen an Hochschule zu integrieren, ist eine große Aufgabe. Dafür braucht es eine interdisziplinäre und hochschulübergreifende „Task Force“, die mit Forschungseinrichtungen (z. B. DFKI) und IT-Unternehmen zusammenarbeitet. Zunächst müssten sich die kooperierenden Hochschulen (deutschland- und europaweit?) auf bestimmte Lehr-Lern-Konzepte einigen, die auf einem gemeinsamen Bildungsverständnis beruhen – also beispielsweise freiheitliche Bildung mit Raum zur Selbstentfaltung, Persönlichkeitsentwicklung und auch mit Freiräumen für individuelle, nichttraditionelle Bildungsbiografien.
Das Problem ist, dass die meisten Hochschulen in der Konzeption und Umsetzung langsame Entscheidungswege haben, während die technischen Möglichkeiten vorauseilen und immer unüberschaubarer werden. In der Wirtschaft sind in der Regel die Tools am erfolgreichsten, die weltweit anerkannt und einsetzbar sind.
Vielleicht ist es doch eine Alternative, dass Hochschulen „im Kleinen“ Einzellösungen für sich entwickeln und testen?
Zu Statement 3:
„K.I. wird Gott“ hat die Gruppe bewusst provokant formuliert. Es lässt sich nicht abschätzen, wie weit K.I. sich bei unbegrenzten Energie- und Speicherressourcen entwickeln wird. Was passiert, wenn die K.I. anfängt, eigene Algorithmen zu entwerfen und der Mensch so die Kontrolle über sie verlieren?
Ebenso problematisch ist es, wenn der Mensch von der K.I. abhängig wird, weil bestimmte Prozesse ohne K.I. nicht mehr funktionieren. Deshalb muss bereits heute eine quantitative und qualitative Forschung (z. B. durch Auswertungen und Fehleranalysen von K.I.) umfassender durchgeführt und für die Zukunft verbessert werden.
Im Rahmen eines ethischen und wissenschaftlichen, interdisziplinären Diskurses muss die Weiterentwicklung und der Einsatz von K.I. fortwährend kritisch hinterfragt und überprüft werden.
Die (wissenschaftliche) Neugierde des Menschen, Neues zu erforschen und Grenzen der eigenen Schaffenskraft und Technik auszutesten, wird wahrscheinlich ein Innovationsantrieb bleiben (wie jeher). Eine optimistische Prognose ist, dass der Mensch auch im Angesicht immer größer werdender Möglichkeiten danach streben wird, die Vorteile der Innovationen für sich zu nutzen. Die kritische Frage ist, inwieweit und durch wen diese Prozesse kontrollierbar bleiben und durch welche Machtgefüge sie tatsächlich kontrolliert werden.
Erfahrungshintergrund der Gruppenmitglieder:
Learning & Usability Design mit Blick auf die Verbesserung der Lehre (Bauhaus Universität Weimar), Informatik (Programmierer und Entwickler) im Kontext der Integrativen Sozialwissenschaften (Technische Universität Kaiserslautern), Philosophie und Kulturreflexion sowie Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen (Universität Witten Herdecke)
Diskussion zum Thema „Künstliche Intelligenz“ im Plenum
Frage 1: Habt ihr euch auch gefragt, wie sich eine Studentin bzw. ein Student fühlt, wenn sie/er von einer allwissenden K.I. betreut und angeleitet wird? Geht die Motivation des Menschen, überhaupt etwas zu lernen, verloren, wenn die K.I. ohnehin alles kann und alles weiß? Ein Ansporn für den Menschen könnte sein, neben dem Studieren doch etwas zu können, was nur ein Mensch und keine K.I. kann.
Antwort 1 (seitens der Arbeitsgruppe 4): In unserem Zukunftsszenario begleitet eine personalisierte K.I. einen Menschen seit seiner Kindheit: Die beiden entwickeln sich gemeinsam weiter und das Kind hat Vertrauen zu seiner K.I.-Assistentin, die ihm wie eine freundschaftliche Beraterin erscheint. Wenn das Kind älter wird, kommt es – hoffentlich – in eine Phase (Pubertät), in der es sich mit seiner Beziehung zu der K.I. kritisch auseinandersetzt und gegen die K.I. rebelliert – ebenso wie gegen Eltern, Autoritätspersonen und gesellschaftliche Regeln.
Frage 2: Wie eng spielen sich eine Person und „ihre“ personalisierte K.I. aufeinander ein? Ich finde den Gedanken interessant, dass eine K.I. fast wie ein Elternteil ist und einen Menschen beim Erwachsenwerden und lebenslangen Reiferwerden begleitet. Dabei sehe ich eine Wechselwirkung: Auch der Mensch „erzieht“ seine künstlich intelligente Lebensbegleiterin, so dass diese K.I. eine individuelle „Persönlichkeit“ entwickelt und sich von anderen Künstlichen Intelligenzen unterscheidet. So spielen sich dieser eine Mensch und seine personalisierte K.I. perfekt aufeinander ein und lernen voneinander.
Meine Frage ist: Verrennen sich diese beiden womöglich in Irrtümern? Gibt es irgendein Korrektiv in diesem internen Prozess? Kommen dritte Interaktionspartner – Menschen oder andere Künstliche Intelligenzen – hinzu und beeinflussen diesen Prozess?
Antwort 2: Ja, um solch ein „geschlossenes System“ zu vermeiden, das „blinde Flecken“ in der Wahrnehmung hat, sollte ein Austausch mit anderen Systemen und Interkonnektivität hergestellt werden. Das gilt für das analoge soziale Leben ebenso wie für die Mensch-K.I.-Interaktion. Um die Welt in ihrer Komplexität zu erfahren und verschiedene Perspektiven einzunehmen, muss ich mich mit den anderen austauschen und intersubjektive Wahrnehmungen, Begrifflichkeiten und Argumentationsketten aushandeln. Dadurch kann ein kollektives Bewusstsein geschaffen werden.
Einwurf: In dem Science Fiction Spielfilm „Her“ (2013) wird die Geschichte des jungen Mannes Theodore erzählt, der sich in das K.I. Betriebssystem seines Rechners namens Samantha verliebt, dabei entwickeln die beiden – scheinbar – eine intime Beziehung. Dann stellt sich heraus, dass Samantha zwar für die Interaktion mit Theodore eine personalisierte „Identität“ entwickelt hat, aber zeitgleich mit tausenden anderen Künstlichen Intelligenzen und Menschen kommuniziert und dafür unterschiedliche Identitäten annimmt. Diese K.I. Samantha ist also kein geschlossenes System, sondern agiert mit multiplen „Identitäten“ global.
Einwurf: Wenn nun die Menschen und Künstlichen Intelligenzen ihr Wissen in einem gemeinsamen System bündeln, besteht das Risiko, dass die K.I. zu einer Art „übermächtigen Gottheit“ wird, weil sie in der Datenverarbeitung um ein Vielfaches schneller ist, als der Mensch, und auch nie etwas vergisst. Deshalb müssten die Menschen meines Erachtens Regeln aufsetzen, um die Einmischung der K.I. in bestimmten Lebensbereiche zu unterbinden. Hierbei steht aber weiterhin die Befürchtung im Raum, dass die Algorithmen ein „Eigenleben“ entwickeln und sich der Kontrolle durch den Menschen entziehen.
Frage 3: Ich frage mich, welche Rolle dabei die Emotionen spielen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre der Mensch durch seine subjektive und emotionale Wahrnehmung und seinen begrenzten Erfahrungshorizont besonders anfällig, „blinde Flecken“ zu entwickeln.Im Gegensatz hat die K.I. eine unbegrenzte Datenverarbeitung – aber dafür fehlt ihr das Verständnis von Emotionen, Empathie und weiteren Fähigkeiten, die der Mensch einer K.I. immer noch voraus hat. Was denkt ihr?
Diese Diskussion kann künftig weitergeführt werden … gerne auch in dieser Blogparade „Lernwelten 2030“.
Ich hoffe, dass ihr, liebe Leserinnen und Leser, aus dieser Zusammenstellung der diskutierten Ideen interessante Impulse zum Mit- und Weiterdenken gewonnen habt.
Bildnachweis: Alle Fotos auf dieser Seite sind von Dorit G.