Mein Name ist Hase – das Langohr in Literatur und Kunst

Wegen Ostern ist der Hase gerade allgegenwärtig: In schokoladiger Form und als Dekoration. Er ist fester Bestandteil unseres österlichen Brauchtums, obwohl er mit dem christlichen Fest im engeren Sinne nichts zu tun hat. Doch es ist belegt, dass in Europa spätestens seit dem 17. Jahrhundert der Osterhase als Symbol des Frühlings und der Fruchtbarkeit zum Überbringer der (bunten) Ostereier gemacht wurde – die gerne in spielerischer Weise für Kinder versteckt werden. Das Ei wiederum steht ebenfalls für Fruchtbarkeit, neues Leben und Wiedergeburt.

Der Hase im Volksmund

Der Hase ist jedoch auch jenseits des Osterfestes fest in unserer Kultur verankert. Das zeigt sich bereits an der Sprache, denn das Langohr findet sich in einigen Redewendungen und Sprichwörtern wieder.

Jeder hat schon den Ausspruch verwendet: „Das ist ein Angsthase“ oder „Er / sie ist ein Hasenfuß“ oder „Er / sie hat ein Hasenherz“.

Kaum ein anderes Tier wird so sehr mit Ängstlichkeit assoziiert, wie der Hase. Das liegt sicherlich daran, dass dieses gutmütige und scheue Geschöpf sich in der Natur schnell versteckt, wenn ihm ein anderes Wesen näherkommt. Daran tut der Hase gut, denn er hat viele Fressfeinde wie zum Beispiel den Fuchs, Wolf, Luchs, Hund und Katze. Besonders die Jungtiere fallen häufig den Greifvögeln und Eulen zum Opfer.

Der größte Feind des Hasen ist jedoch der Mensch, der ihn mit seinem Gewehr gnadenlos und manchmal aus purer Freude am Töten jagt. Davon zeugen einige eindrucksvolle Gemälde aus dem Barock, in denen tote Hasen als Jagdtrophäe gezeigt werden – der Jäger ist in diesen Stillleben abwesend.

Kennst du den Spruch: „Viele Hunde sind des Hasen Tod“?

Diese Weisheit besagt, dass der Einzelne sich gegen eine Mehrheit nicht wehren kann. Wobei es dem Hasen doch öfters gelingt, Haken schlagend seinem Feind zu entkommen. So schätzen wir an ihm seine Geschicklichkeit und seine Cleverness. Er ist flink und wendig.

Einerseits wird der Hase sprichwörtlich gerne für Unwissenheit und Unschuld herangezogen, wie im Ausspruch „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ zum Ausdruck kommt. Doch dahinter steckt selten echte Unwissenheit, sondern eher eine scherzhafte Naivität oder vorgetäuschte Ahnungslosigkeit.

Andererseits trauen wir dem „alten Hasen“ einige Weisheit zu:

Da liegt der Hase im Pfeffer“, sagen wir, wenn der entscheidende Punkt gemeint ist.

Ich weiß, wie der Hase läuft“, drückt große Erfahrung aus.

Der „alter Hase“ ist in der Natur nämlich die Ausnahme – wenn ein Hase alt wird, dann muss er wohl sehr klug und erfahren sein. Zwar können Feldhasen bis zu 12 Jahre alt werden. Und durch die hohe Fruchtbarkeit bringen Hasenweibchen mehrmals jährlich Junge zur Welt, wobei ein Wurf aus bis zu fünfzehn Tieren besteht. Doch über die Hälfte der Jungtiere werden kein Jahr alt.

Der scheue Hase ist auch ein Symbol für die ungezähmte Natur und unberührte Wildnis:

Wer sagt: „Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen“, der meint einen Ort fernab der Zivilisation, weit draußen in der Wildnis.

Der Hase in der Literatur

Der Hase hat die Menschen zu vielen Geschichten inspiriert. Besonders in Märchen und Kinderbüchern taucht er immer wieder auf.

Ein echter Kinderbuchklassiker ist „Die Häschenschule“. In dieser nostalgischen Bilderbuchgeschichte mit Versen von Albert Sixtus und Zeichnungen von Fritz Koch-Gotha begleiten wir Hasengretchen und Hasenhans auf ihrem Weg in die Häschenschule im Wald, wo sie alles beigebracht bekommen, was ein richtiger Hase wissen sollte: Neben Pflanzenkunde und Gartenarbeit lernen die Hasenkinder das Hakenschlagen, damit sie dem gefährlichen Fuchs entkommen können.

Ein guter Läufer ist auch der Hase im bekannten Schwank vom „Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“. Die Erzählung findet sich seit 1843 in den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Doch der Ursprung der schelmischen „Lügengeschichte“ liegt im plattdeutsches Volksmärchen: „Dat Wettlopen twischen den Hasen un den Swinegel up de lütje Heide bi Buxtehude“, das im Jahr 1840 im Hannoverschem Volksblatt von Wilhelm Schröder erschienen ist und auf Hochdeutsch als „Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“ im Deutschen Märchenbuch von Ludwig Bechstein ab 1853 abgedruckt wurde.

In diesem Tierschwank macht sich der vornehme Hase (der für den Grundbesitzer steht) über die kurzen Beine des Igels (der den „kleine Mann“ bzw. Bauern repräsentiert) lustig. Jener fordert seinen Spötter zum Wettlauf heraus und besiegt ihn mit Hilfe einer List. Die Moral von der Geschichte: Man sollte sich nicht über vermeintlich unterlegene Leute lustig machen.

In „Alice im Wunderland“ des britischen Schriftstellers Lewis Carroll, das im englischen Original („Alice’s Adventures in Wonderland“) erstmals im Jahr 1865 erschien, spielen Kaninchen und Hase tragende Rollen.

Die Abenteuer von Alice beginnen, wenn sie entgegen einer Warnung dem weißen Kaninchen hinterherläuft und ihm in seinen Bau folgt, in dem sie in die Tiefe stürzt und in einer fantastischen Welt landet.

Da die surrealen Erlebnisse von Alice fast wie Halluzinationen wirken, wird das weiße Kaninchen häufig als Symbol für Drogenkonsum interpretiert. So kann man im Albinokaninchen mit seinem weißen Fell und den roten Augen auch die Umkehrung der Farben des Fliegenpilzes sehen.

Doch im Kosmos von Lewis Carroll ist das weiße Kaninchen auch als Einladung zu verstehen, ungelösten Rätseln und Fragen nachzugehen. Seine weiße Farbe repräsentiert nicht die Unschuld, sondern vielmehr einen Zustand des „Noch-nicht-Wissens“.

Im weiteren Verlauf der Geschichte sucht Alice den „Märzhasen“ auf, der zusammen mit dem Hutmacher eine Teegesellschaft abhält. Beide gebärden sich so verrückt, das Alice bald die Flucht ergreift. Diese eindrucksvolle Szene hat sich im englischen Sprachgebrauch niedergeschlagen, so dass „mad as a march hare“ („verrückt wie ein Märzhase“) ein bekanntes Sprichwort geworden ist.

Der biologische Hintergrund des verrückten Hasen ist in der Paarungszeit zu finden, die alljährlich im März beginnt. Dann benehmen sich die Hasen besonders lebhaft und ausgelassen. Insbesondere die Hasenmännchen stellen sich im Kampf um die Gunst des Weibchens auf ihre kräftigen Hinterbeine und boxen einander mit den Vorderpfoten, was ziemlich ulkig und durchaus verrückt aussieht.

Ein weiterer Kinderbuchklassiker ist „The Velveteen Rabbit“ (Das Samtkaninchen) von Margery Williams aus dem Jahr 1922 mit Illustrationen von William Nicholson – eine Geschichte, die schon viele Generationen von Kindern (insbesondere im englischsprachigen Raum) begeistert hat.

Auch in die Literatur für Erwachsene hat es der Hase bzw. das Kaninchen geschafft:

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ ist ein Roman von Judith Kerr aus dem Jahr 1971 (englischer Originaltitel: When Hitler Stole Pink Rabbit), in dem eine jüdische Familie aus Berlin vor den Nationalsozialisten fliehen muss. Hierbei muss die 9-jährige Anna ihr rosa Plüschkaninchen notgedrungen zurücklassen. Ein Klassiker der Jugendbuchliteratur. Der Roman wurde im Jahr 2019 unter der Regie von Caroline Link verfilmt.

Buchverfilmung aus dem Jahr 2019 unter der Regie von Caroline Link.

Ganz aktuell ist die „Hasenprosa“ von Maren Kames (2024), die im letzten Jahr auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024 stand.

Das Kaninchen im FILM

Eine legendäre Szene mit einem weißen Kaninchen im Film darf in dieser Zusammestellung nicht fehlen: In „Fatal Attraction“ („Eine verhängnisvolle Affäre“) von Adrian Lyne aus dem Jahr 1987 mit Michael Douglas (Anwalt und Familienvater Dan) und Glenn Close (alleinstehende Verlegerin Alex) geht es um Ehebruch. Dan hat eine kurze Affäre mit Alex, die von ihm schwanger wird und die Beziehung fortführen will, obwohl Dan sie zurückweist und sich wieder reumütig ganz seiner Frau und kleinen Tochter widmen will. Alex beobachtet, wie die Tochter ein weißes Kaninchen geschenkt bekommt – ein Symbol für kindliche Unschuld und auch die (vermeintlich) heile Familie. Nach einer erneuten Abfuhr wird die labile Alex von Verzweiflung und Rachegefühlen gesteuert und schleicht sich auf das Grundstück der Familie von Dan. Als diese von einem Ausflug zurückkehrt, steht ein blubbernder Kochtopf auf dem Herd und die Tochter findet ihr Kaninchen nicht mehr im Stall… Die Szene kann man sich hier ansehen (Achtung: nichts für schwache Nerven).

Dieser Szene verdankt der amerikanische Wortschatz einen neuen Ausdruck: „She is a bunny boiler(Kaninchen Koch/Köchin). Er steht für eine zurückgewiesene und rachsüchtige Frau.

Der Hase in der Kunst

Wer kennt nicht den ikonischen „Feldhasen“ von Albrecht Dürer? Der Künstler hat das Aquarell im Jahr 1502 erschaffen, nicht für eine Galerie, sondern als Schaustück für seine Werkstatt in Nürnberg. Mit seiner kunstvollen Naturstudie (besonders die Textur der Haare ist außergewöhnlich) wollte er potentiellen Auftraggebern zeigen, wozu er fähig war.

Zu diesem Zeitpunkt war Albrecht Dürer (1471-1528) schon ein Star unter den Malern der Renaissance und nur er konnte es sich erlauben, ein solch gewöhnliches Motiv wie einen Hasen zu einem Bild mit dem Duktus der Porträtmalerei zu erheben. Seine Zeitgenossen waren derartig beeindruckt, dass vom „Feldhasen“ viele Wiederholungen und Nachahmungen angefertigt wurden (schon um 1600), so z.B. vom Maler Hans Hoffmann.

Dürer hat dank einer neuartigen Drucktechnik die ersten Verkaufsschlager der Kunstgeschichte produziert und seine Werke somit weltweit bekannt gemacht.

Heute findet man Dürers ikonischen Hasen in jedem Museumsshop auf Postkarten, Postern, Tassen, Sofakissen, Socken – auf fast allem, was sich bedrucken lässt.

Im Giftshop der Albertina in Wien (selbst fotografiert 2023).

Das Original befindet sich im Besitz der Albertina in Wien. In der Dauerausstellung ist der „Feldhase“ jedoch nur als Kopie zu sehen, trotzdem ist es eines der prominentesten Werke in der Schau. Das Original wird zum Schutz des empfindlichen Werkes nur alle fünf Jahre für kurze Zeit ausgestellt.

Auch zeitgenössische Kunstschaffende haben das berühmte Hasen-Motiv von Dürer neu interpretiert:

Zum 500. Jubiläums von Albrecht Dürers ebenfalls weltberühmten Aquarell „Das Große Rasenstück“ (1503) verwandelte Ottmar Hörl im Jahr 2003 den Nürnberger Hauptmarkt mit rund 7.000 grünen Dürer-Hasen in „Das große Hasenstück“.

Einer dieser Hasen ziert sogar den Würstel-Stand an der Albertina in Wien.

Selbst fotografiert, Wien im Juni 2024.

Eine weitere Hommage des Künstlers fand 2015 in Korea mit zwölf „Dürer-Hasen“ als roséfarbenen Skulpturen statt.

Auch für Joseph Beuys hatte der Hase eine besondere Bedeutung und er hat ihn quasi zu seinem Wappentier erkoren. In einer legendären Performance „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ am 26. November 1965 in der Galerie Schmela in Düsseldorf zeigt und erklärt er einem toten Hasen seine Kunst. Dabei trägt Beuys seinen leblosen Begleiter durch die Galerie, zeitweise kriecht er mit ihm auf allen Vieren über den Boden, dessen langen Ohren mit dem Mund aufrecht haltend. Dem Hasen spricht er somit mehr künstlerisches Verständnis zu, als den menschlichen Betrachtern seiner Kunst – so jedenfalls die provokative Aussage dieser Performance. Hier ein kurzes Video dazu.

Denkst du auch, dass der Hase ein Kunstverständnis hat? Jedenfalls hat er viele Kunstschaffende zu großartigen Werken inspiriert.

Ich hoffe, ich konnte dir die vielen Facetten des Hasen ein wenig näherbringen.

Was verbindest du mit dem Hasen? Ich freue mich über deine Eindrücke in den Kommentaren.

2 Antworten auf „Mein Name ist Hase – das Langohr in Literatur und Kunst“

  1. Hey Ulrike,
    soooo viiiiele Hasen und Kaninchen um uns herum. Vielen Dank für die interessante Zusammenfassung.
    Einige Hasen kannte ich noch nicht, aber doch schon viele der Hasen aus Literatur/Film/Malerei.
    Es gibt z.b. noch den Film „Donnie Darko“ (da kommt, soweit ich mich erinnere, ein imaginäres Kaninchen vor) und „Wallace & Gromit – die Jagd nach dem Riesenkaninchen“ (sehr schön für Kinder).
    LG janina

    1. Herzlichen Dank liebe Janina. 🙂 Deine weiteren Hinweise zu Kaninchen in Filmen finde ich sehr interessant – ich kenne sie leider nicht, werde diese Filme gerne bei Gelegenheit mal entdecken.

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