Das Phänomen Fitzek – wie der Thriller-Autor es schafft, ganze Arenen zu füllen

Uber-Arena Berlin, 14.12.2024

An diesem Abend strömen 17.000 Menschen in die seit Monaten ausverkaufte Uber-Arena in Berlin. Doch weder ein Pop-Konzert noch ein Sport-Event ist die Attraktion, sondern der deutsche Thriller-Autor Sebastian Fitzek.

Zur Promo für seinen neusten Nr. 1 Spiegel-Bestseller „Das Kalendermädchen“ gibt es für seine Fans „Die größte Thriller Tour der Welt“, die am 28. November in Köln gestartet ist und in zahlreichen deutschen Metropolen (Dortmund, Mannheim, München u.a.) gastiert hat – jedes Mal in einer Arena mit um die 15.000 Plätzen, jedes Mal ausverkauft. Berlin ist nun die letzte Station auf seiner Tour, zudem ein Heimspiel, denn der Autor lebt in der Hauptstadt.

Wie schafft dieser Mann das bloß? Ich bin selbst Autorin und schreibe historische und zeitgenössischen (Liebes-) Romane und bin froh, wenn zu meinen Lesungen 15 Leute kommen. Ich bin allerdings noch ganz neu in diesem Metier. Aber auch Kolleginnen, die schon länger im Buchgeschäft sind und sogar Spiegel-Bestseller aufweisen können, bestreiten ihre Lesungen in Buchhandlungen, Bibliotheken und anderen kleinen Sälen mit 20 bis 50 Zuhörenden.

Was macht Sebastian Fitzek also zum Superstar unter den Autor:innen? Ist es das Thriller-Genre? Ist es seine Persönlichkeit? Ist es das Marketing seines Verlags?

Sebastian Fitzek hat sein Debüt „Die Therapie“ im Jahr 2006 veröffentlicht (bei Knaur bis heute) und hat sich über die Jahre kontinuierlich eine treue Leserschaft aufgebaut. Seit einiger Zeit ist sein Name zur Marke für sein Genre geworden. Thriller made in Germany? „Fitzek“, ist meist der erste Name, der fällt.

Mit seinem neusten Wurf „Das Kalendermädchen“ hat Fitzek alle bisherigen Verkaufs-Rekorde gebrochen. Im Branchenmagazin „Börsenblatt“ konnte man am 4. November 2024 lesen:

„Mit über 160.000 verkauften Exemplaren in den ersten wenigen Tagen nach Veröffentlichung am 23. Oktober habe Fitzek mit „Das Kalendermädchen“ jeden bisherigen Erfolg getoppt, so Droemer Knaur in einer Mitteilung. Es sei nicht nur das 18. Buch von Sebastian Fitzek, das unmittelbar nach Veröffentlichung direkt auf Platz 1 landete (in KW 43; auch in der aktuellen KW 44 steht es auf Platz 1 unserer Belletristik-Charts Hardcover), sondern auch einer der erfolgreichsten Titel seit Beginn der Media-Control-Aufzeichnungen im Jahr 2011.

Mit inzwischen über 20 Millionen verkauften Büchern gehört Sebastian Fitzek seit Jahren zu den erfolgreichsten Autoren Deutschlands. Der Verlag hat so auch ordentlich die Werbetrommel für den neuen Titel gerührt.“

Ist Fitzek konkurrenzlos im Spannungssegment?

Natürlich gibt es im deutschsprachigen Raum viele andere Autor:innen, die fesselnde Spannungsromane schreiben. So zum Beispiel Arno Strobel (er veröffentlicht seine Psycho-Thriller im Fischer Verlag). Im Krimi-Bereich ist Nele Neuhaus sehr bekannt und erfolgreich. Doch keine/r von ihnen geht auf große Arena-Tour, darin ist der deutsche „King of Thrill“ einzigartig.

Ich komme also an diesem Abend in die Uber-Arena in Berlin, um dem Phänomen Fitzek auf den Grund zu gehen. Ein Geständnis vorab: Ich habe noch keinen einzigen Roman von ihm gelesen!

Wobei ich als Jugendliche und in meinen 20er Jahren Bücher im Horror- und Thriller-Genre geradezu verschlungen habe (insbesondere alles von Stephen King). Aber mittlerweile hat sich mein Lesegeschmack geändert und ich bin zartbesaitet geworden und mag keine grausamen und perversen Inhalte mehr lesen (davon bekomme ich schon genug, wenn ich die Nachrichten einschalte).

Trotzdem wage ich mich aus meiner Komfortzone und hoffe, dass es nicht zu gruselig wird – es ist zudem eine multimediale Show angekündigt, was mich zusätzlich bangen lässt. Bitte keine ekligen und verstörenden Bilder – ich meide solche im (Heim-) Kino so gut es geht.

Auf in die Arena

Nach der Einlasskontrolle gelange ich gegen 19.30 Uhr ins Foyer, wo an beiden Seiten große Merchandise-Shops platziert sind. Einige Bücher sind wie wertvolle Schaustücke in Glasvitrinen dargeboten, es gibt auch Tassen, Taschen und T-Shirts. Die kommerzielle Vermarktung läuft auf Hochtouren.

Als ich in den Saal komme, sind die Sitze und Ränge schon prall gefüllt. Die Eintrittskarten kosten stolze 49 Euro aufwärts. Ich habe allerdings eine Pressekarte erhalten und nehme meinen Platz in Reihe 18 im Parkett am Rand ein. Über der 360-Grad-Bühne ist ein Ring aus Leinwänden angebracht, über die Werbung flackert: Buchtrailer von Fitzek und Audible-Angebote werden einem hier präsentiert.

Um 20 Uhr geht es los mit einer Ansprache des Regisseurs, der erklärt, dass am heutigen Abend ein Dutzend Kameras im Einsatz sind, da die Show für das TV aufgezeichnet wird. Auch gäbe es im Laufe des Abends einige Überraschungen…

Wie bei einem Pop-Konzert hat Fitzek eine Vorband, die das Publikum in Stimmung bringt: Die A capella Gruppe „Naturally 7“ aus L.A. besteht aus sieben Musikern, die alle Sounds mit ihren Stimmen hervorbringen, zusätzlich zum Gesang imitieren sie auch eindrucksvoll Instrumente wie Schlagzeug, Trompete, Posaune und E-Gitarre. Insgesamt haben sie einen Soul-ig melancholischen Klang, der auch später, wenn sie die Lesung von Fitzek untermalen, gut zur düsteren Stimmung passt. Bei einem getragenen Song erstrahlt ein Meer aus Handylichtern, die von den Zuschauenden zur Musik geschwenkt werden – fast schon gefühlsduselig. Dabei sind die Leute doch gekommen, um sich zu gruseln.

Dann läuft ein Trailer für „Kalendermädchen“ auf den Videoleinwänden ab, in dem der „Pizza-Notruf“ einer Frau in Gefahr durchgespielt wird, hierbei agiert Sebastian Fitzek als Polizist, der den Notruf entgegennimmt. Gleichzeitig rieselt Kunstschnee von der Decke, um das Publikum in winterliche Stimmung zu bringen. Der Anruf bricht mit einem Hilfeschrei der Frau ab und der Polizist bricht auf, um das Opfer zu retten. Man sieht ihn seine Jacke überstreifen und plötzlich ist es der leibhaftige Autor, der von Kameras umringt in die Arena einmarschiert.

Ein filmreifer Auftritt, wenn auch nicht ganz so spektakulär wie seinerzeit Michael Jackson, der mit Feuerfontänen aus dem Untergrund auf die Bühne katapultiert wurde oder durch die Lüfte angeflogen kam und damit Maßstäbe für den großen Show-Entrance gesetzt hat. Fitzek ist eben doch kein Las Vegas Magier oder Popstar. Er bleibt auf dem Teppich und ist mit beiden Füßen im realen Leben verwurzelt.

Der Erfolgs-Autor wird mit herzlichem Applaus von seinem Publikum begrüßt und liest in den folgenden zwei Stunden drei Passagen aus „Kalendermädchen“ vor und lässt in seinen unterhaltsamen Zwischenmoderationen einen Blick hinter die Kulissen in seine Schreibwerkstatt zu.

Der 53-Jährige wirkt wie der nette Mann von nebenan, ein sympathischer Jedermann, der weder mit seinem Aussehen noch mit seinem Auftreten besonders hervorsticht. Aber Moment mal: Sagen das die Nachbarn nicht immer über Serienkiller? „Er war unauffällig und freundlich?“

Ja, Fitzek ist ein Serientäter – allerdings nur im Schreiben von Bestsellern.

Die Stärke von Fitzek bei seiner Lesungs-Show ist, dass er seinen Texten nicht selbst im Weg steht durch eitles Selbstdarsteller-Gehabe (wie bei so manchen TV-Comedians, die ebenfalls in Arenen auftreten). Fitzek ist ganz in Schwarz gekleidet, nur auf seinem T-Shirt ist ein weißer Totenkopf sichtbar (das Shirt gibt es natürlich auch im Fan-Shop zu kaufen). Er tritt selbstsicher auf und kann gut frei sprechen, das große Publikum schüchtert ihn nicht ein. Auch ist er regelmäßig zu Gast in diversen TV-Talkshows. Trotzdem kommt er eher zurückhaltend und bescheiden herüber, er wirkt nicht selbstverliebt. Wenn er aus seinen Büchern liest, tritt er selbst als Person zurück und lässt den Text wirken. So werden ich als Zuhörende ganz von der Geschichte gepackt.

In Fitzeks Zwischenmoderationen ist ein Leitthema des Abends der Zufall. Der Autor erzählt launige Anekdoten aus seinem Leben, in denen sich höchst unwahrscheinliche Zufälle ereignet haben. Im Roman würde ihm das niemand glauben. Eine gute Geschichte muss jedoch glaubwürdig sein, der Täter muss eine überzeugende Motivation für seine böse Tat haben und man muss verstehen, was ihn zu solch einem Monster gemacht hat.

Einen kurzen Gastauftritt hat der brasilianische Thriller-Autor Chris Carter, der einen ungewöhnlichen Lebenslauf hat (als junger Mann war er z.B. Stripper, später Kriminalpsychologe in den USA) und davon erzählt, wie er einen Serien-Killer im Gefängnis interviewt hat, der eine ganze Familie ausgelöscht hat, weil sie „eben zuhause waren“. Das würde im Roman nicht funktionieren – wir Lesenden erwarten, dass es ein inneres Motiv gibt, damit die grausame Tat nicht willkürlich erscheint. Irgendeinen Sinn muss sie haben, auch wenn er pervers ist.

Das Element des Zufalls spielt Fitzek auch im wortwörtlichen Sinne aus, denn er schlägt mit einem Tennisschläger Gummibälle ins Publikum und der Zufall entscheidet, wer diesen fängt (und vielleicht etwas gewinnt).

Aus den Lesepassagen wird für mich als Autorin auch erkennbar, mit welchen dramaturgischen Mitteln Fitzek arbeitet. Es geht von Anfang an um alles: Das Leben eines Kindes steht auf dem Spiel – die 11-jährige Alma leidet an Leukämie und muss sterben, wenn nicht schnellstens ein passender Knochenmarkspender gefunden wird. Ihre Adoptivmutter Olivia bekniet deshalb die Adoptionsstelle, ihr den Namen der leiblichen Mutter des Mädchens zu verraten, die vielleicht die Rettung sein könnte. Diese verweigert (zunächst) die Auskunft. Denn falls die Identität der Mutter gelüftet werden würde, drohe ihr Todesgefahr.

Fitzek lässt seine Figuren also schon von der ersten Seite an am Abgrund stehen, die Fallhöhe ist hoch und die „stakes“ (was auf dem Spiel steht) ebenso. Zudem läuft den Bedrohten die Zeit davon – sie müssen also schnell ins Handeln kommen und viel dabei wagen.

Übrigens entscheidet an diesem Abend nicht nur der Zufall, sondern auch der Wille des Publikums über das Programm: Denn einige Male stehen zwei Kalendertürchen zur Auswahl, hinter denen sich eine Anekdote verbirgt und die Leute dürfen per Applaus-Barometer abstimmen, welche Geschichte sie hören wollen.

Auch über den Buchmarkt spricht der Autor – so toll die „Buchparty“, die wir an diesem Abend gemeinsam feiern auch ist, die Zahl der Lesenden in Deutschland ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Er überlegt, wie er mit seinen Büchern vielleicht neue Zielgruppen erschließen kann. Die jungen Leute? Die Literaturbegeisterten?

Das Publikum darf wählen, ob sie die Passage mit Olivia im Adoptionsbüro noch einmal hören wollen: umgeschrieben in Jugendsprache oder im literarischen Stil. Die Jugendsprache gewinnt. Swag!

Auch die angepassten Buch-Cover mal für junge Leute und mal für Literatur werden auf der Leinwand gezeigt (für letzteres ein gelbes Reclam-Heft mit dem Titel „Die Muse…“).

Übrigen zeigt der Blick ins Publikum, dass die Fitzek-Fans überwiegend zwischen 30 und 50 Jahre alt und Männer und Frauen ungefähr gleich stark vertreten sind.

Das zweite Leitmotiv des Abends sind „urbane Legenden“. Fitzek erzählt einige dieser Legenden (die auch Eingang in seine Geschichten gefunden haben) und man darf sich fragen, ob diese wahr oder erfunden sind.

Eine Legende aus Osteuropa besagt zum Beispiel, dass auf einer bestimmte Telefonnummer (88888888) ein Fluch lastet und dass jede/r, die/der diese Nummer anruft, ein schreckliches Schicksal ereilt hat. Deshalb habe der Telefonanbieter diese Nummer aus Sicherheitsgründen stillgelegt. Doch nach einem Inhaberwechsel sei sie nun wieder verfügbar…

Fitzek schlägt wieder den Gummiball ins Publikum und so wählt der Zufall ein junges Mädchen hinten im Parkett aus (zufälligerweise direkt neben mir, so dass ich die nachfolgenden Szene aus nächste Nähe miterleben kann). Der Autor hält dem Mädchen ein Handy hin und stellt sie vor die Wahl, ob sie es wagt, eben jene verflucht Nummer zu wählen. Das Girl hat die Furchtlosigkeit der Jugend auf ihrer Seite und wählt die Nummer. Auf den Leinwänden erscheint das Display und nach einigen Klingeltönen – im Publikum hält man gespannt die Luft an, was nun (Schreckliches) passieren mag – meldet sich eine Automatenstimme. „Die Nummer ist nicht vergeben“, sagt die Stimme in fremder Sprache. Erleichterung!

Als Preis für ihren Todesmut gewinnt das Mädchen die Möglichkeit, im nächsten Thriller von Fitzek einer Leiche ihren Namen leihen zu dürfen. Außerdem bekommt sie noch ein Jahres-Abo von Audible geschenkt. Ein bisschen Werbung zwischendurch muss wohl sein.

Doch es gibt auch ernste Momente: Fitzek zeigt Bilder aus seiner Kindheit und erzählt von seiner Mutter, die ihn in seinem Wunsch, Autor zu werden, unterstützt und fest an seinen Erfolg geglaubt hat – leider ist sie kurz vor seinem Debüt gestorben und hat den Durchbruch ihres Sohnes nicht mehr miterlebt. Auch nimmt der Autor voller Dankbarkeit Abschied von zwei alten Damen, die seine langjährigen Fans waren (Fotos und Todesanzeige werden auf der Leinwand gezeigt).

Auch hat sich Sebastian Fitzek im Zuge seiner Buchveröffentlichung für die DKMS für die Registrierung als Stammzellspender stark gemacht. Sein Einsatz hat Wirkung gezeigt, denn die DKMS konnte in den letzten Wochen einen spürbaren Anstieg von Menschen verzeichnen, die sich für eine Stammzellenspende haben typisieren lassen – diesen dankt der Autor. Es wird auch ein anrührenden Video gezeigt, in dem zwei Kinder von ihrer lebensrettenden „Blutsbrüderschaft“ berichten. Fitzek fordert auch das Publikum auf, sich als Spender zu registrieren. In diesem Engagement zeigt sich der private Mensch Fitzek, der offenbar das Herz am rechten Fleck hat und seine Popularität für einen guten Zweck einsetzt.

Kurz vor dem Finale kommt dann die Überraschung: Schauspielerin Bettina Zimmermann betritt die Bühne und überreicht dem (scheinbar) nichtsahnenden Fitzek 10 Goldene Schallplatten für seine Hörbücher (jedes Hörbuch hat sich über 100.000 Mal verkauft). Der Autor bedankt sich, wirkt aber nicht sonderlich beeindruckt. Er ist an seinen Erfolg gewöhnt.

Die Show endet mit einem letzten (grausigen) Leseausschnitt, in dem zwei Kinder von ihrer Schulleiterin gefoltert werden und der Vater ihren telefonischen Hilferuf nicht ernst nimmt. Ist manches Grauen so groß, dass es unglaubwürdig ist? Wie jedes Mal wird die Lesung von Bildern (hier von einer verlassenen Schule), Gesang und Lichtarrangement begleitet.

An die Show schließt sich eine 90-minütige exklusive Signierstunde an, für die sich Interessierte anmelden konnten, doch der Zufall wird entscheiden, wer ein Autogramm vom Bestseller-Autor bekommen wird – die Anzahl ist aus verständlichen Gründen limitiert.

Das Geheimnis des Erfolges

Nun komme ich zurück auf meine Ausgangsfrage. Wie schafft es der Autor, so viele Menschen mit seinen Büchern zu erreichen und zu begeistern? Offenbar trifft er den Massengeschmack, gehört zum Mainstream.

Unpolitisch zu sein, ist von Vorteil

Ein Vorteil seiner Bücher ist sicherlich, dass sie nicht politisch sind. Anders als zum Beispiel beim Bestseller-Autor Marc-Uwe Kling (bekannt durch seine Känguru-Geschichte, die Gesellschaftssatire sind), der kürzlich mit seinem ersten Thriller „Views auch auf Nr. 1 der Spiegel-Bestsellerliste landete. Doch er hat prompt einige 1-Sterne-Verrisse (auf diversen Online-Portalen) kassiert von Leuten, die politisch anders denken, als der links orientierte Kling. Wer so politisch wie Kling schreibt, der hat direkt sämtliche Erwachsene, die AfD, CDU, CSU oder FDP wählen, als Leserschaft und Publikum verloren – also gut die Hälfte aller möglichen.

Erstaunlicherweise schafft es Marc-Uwe Kling trotzdem bei seinen Auftritten ganze Theater (mit bis zu 2000 Plätzen) zu füllen. Kürzlich habe ich ihn in einer ausverkauften Lesung im Admiralspalast erlebt. Bei anderer Gelegenheit in der Alten Oper Frankfurt, wo er sein Publikum nur an einem Tisch mit Wasserglas sitzend in seinen Bann ziehen und begeistern konnte – bei ihm trägt alleine seine Stimme und der Text.

Multimedia-Show statt Fantasie

Fitzek hingegen wartet in der Arena mit aufwendig produzierten Videos, stimmungsvoller Live-Musik und einem atmosphärischen Lichtdesign auf. Als Zuschauerin brauche ich meine Fantasie überhaupt nicht mehr zu bemühen – das Wort alleine genügt nicht, ich bekomme die Bilder und die Emotion gleich mit serviert. Schade eigentlich! Denn für mich besteht die große Faszination beim Lesen darin, dass meine Vorstellungskraft aktiviert wird und ich mir die Figuren und Schauplätze selbst ausmalen kann.

Sich wohlfühlen oder lieber die Angst vor dem Tod besiegen?

Was macht den Reiz des Thrillers aus? Es bedeutet auf jeden Fall einen Ausbruch aus dem Alltag. Doch eine Realitätsflucht findet man auch im Wohlfühlroman. Ist es doch eher der anregenden Nervenkitzel, den die Leute suchen? Den findet man auch in der Geisterbahn auf der Kirmes oder an Halloween.

Oder erfüllt der Thriller (Krimi, Schauerroman) ein noch tiefergehendes Bedürfnis des Menschen: Die Auseinandersetzung mit dem allgegenwärtigen Bösen in der Welt und mit der eigenen Sterblichkeit. Verliert der Tod sein Grauen, wenn wir nur oft genug im sicheren Gedankenraum eines Buches darüber lesen?

Welche Antwort auch zutrifft: Der Grusel befriedigt ein menschliches Bedürfnis und Fitzek liefert den passenden Stoff dazu.

Gemeinschaftsgefühl und ein Hauch von Unsterblichkeit

Solch eine große Menschenmenge in einer Arena entfaltet zudem eine eigene Dynamik. Ich werde als Einzelperson Teil der Gemeinschaft, gehöre dazu. Wenn man sein kleines (Handy-) Licht zusammen mit tausenden anderen erstrahlen lässt, wird man Teil eines fast schon überirdischen Sternenhimmels. Da sind wir beinahe schon bei der Unsterblichkeit angekommen.

Fazit

Ein unterhaltsamer und stimmungsvoller Abend, nicht nur für eingefleischte Thriller-Fans.

Tipp

Wer vertiefte Einblicke über das Schreibhandwerk der beiden Thriller-Autoren Sebastian Fitzek und Marc-Uwe Kling erhalten möchte, dem empfehle ich diesen super interessanten und unterhaltsamen Podcast, in dem sich die beiden über das Schreiben austauschen:

Marc-Uwe Kling trifft Sebastian Fitzek – Schreiben & Schreddern · 28.06.2024 · 100 Minuten

Deine Meinung

Liest du gerne Thriller? Was denkst du, ist das Geheimnis des Erfolgs von Fitzek? Schreibe mir gerne deine Gedanken dazu in die Kommentare.

Pressemitteilung vom 1. April 2024: Neues Sendekonzept für „Druckfrisch“ mit Denis Scheck: TOP TEN FLOPS

Aus den unendlichen Weiten des virtuellen Studios in der heiligen Stadt Köln erreichte mich heute diese Pressemitteilung der ARD:

Pressemitteilung vom 1. April 2024: Neues Sendekonzept für „Druckfrisch“ mit Denis Scheck: TOP TEN FLOPS

Die ARD kündigt neues Sendeformat an: Ab Mai 2024 wird Denis Scheck die kultige Literatur-Sendung „Druckfrisch“ auf den Kopf stellen und jeden Monat die TOP TEN der FLOPS des Buchmarkts auf gewohnt pointierte und spitzzüngige Art und Weise vorstellen.

Der Literaturkritiker nimmt sich in jeder Sendung zehn Bücher vor (abwechselnd aus dem Bereich der Belletristik und des Sachbuchs), die in den ersten vier Wochen nach Erscheinen den schlechtesten Verkaufsstart hingelegt haben. Ob die Leserschaft hier wahre Perlen verpasst oder ein Buch zu Recht hat links liegen lassen – das wird Denis „Check“ überprüfen.

Hier eine Vorschau auf die TOP 3 der Belletristik-Titel aus dem März 2024, die in der Pilot-Sendung am Sonntag, den 5. Mai 2024 vorgestellt werden:

3. „Die Pausenstullen Mails“ von Carsten Henne (erschienen im Eigenverlag)

2. „Die Ausladung – (k)ein cosy Thriller“ von Sebastian Fitzeck (erschienen bei Dröhmer Knauer)

1. „Das große Kräutercafé – Pralinenbussis“ von Lilli Meinhardies (erschienen bei Pieper)

Vorschau auf die TOP 3 der Sachbuch-Titel aus dem März 2024, die in der zweiten Sendung am Sonntag, den 2. Juni 2024 unter die Lupe genommen werden:

3. „Die SuperBBW – mehr als Bauch, Beine, Waden“ von Verona Pott (erschienen im Eigenverlag)

2. „Die Wonder Woman in mir – mein atemloser Weg zum Erfolg“ von Helene Frischer (erschienen bei Lubbe)

1. „Spare – oder der royale Sparstrumpf“ von Prinz Hairy (erschienen im Pinguin Verlag)

Kontakt für Rückfragen: ARD Programmdirektion
Presse und Information
presseservice-daserste-ard@gmx.de

 

Na, bist du gespannt auf dieses neue Sendeformat und die dort vorgestellten Bücher?

Wer in den bisherigen „Druckfrisch“-Sendungen mit Denis Scheck stöbern möchte, der wird in der Mediathek der ARD fündig.

Was der Buchmarkt verlangt: Trilogien vom Reißbrett – deutsche Frauenschicksale mit Lokalkolorit

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich die verkaufsfördernde Figur des Autors auf dem Buchmarkt unter die Lupe genommen, heute möchte ich zeigen, welche Stoffe zurzeit im Trend liegen.

Der Weg von der Debüt-Autorin zur Profi-Autorin mit Veröffentlichung in einem Publikumsverlag ist ein langer und beschwerlicher, gepflastert mit Zurückweisungen und Enttäuschungen. Die Pforte ins gelobte Land der Verlagswelt ist nur einen winzigen Spalt weit geöffnet und die Literaturagent:innen sind die Torwächter:innen, die eine erbarmungslose Auslese vornehmen.

Wenn man es jedoch einmal geschafft hat, werden offenbar auch mittelmäßige bis schlechte Manuskripte von den Verlagslektor:innen durchgewunken – Hauptsache, die/der Autor:in hat schon einen bekannten Namen – nur so kann ich mir erklären, warum ich schon so oft so unausgereifte oder hingeschluderte Bücher gelesen habe.

Nach meinen Erfahrungen der letzten Monate scheint es weniger auf die schriftstellerische Qualität eines Manuskripts anzukommen, damit man als Debüt-Autorin bei Agenturen oder Verlagen durchdringen kann, sondern es zählt alleine die Vermarktbarkeit eines Stoffes. Hier scheint es ganz feste Schubladen und Labels zu geben, die bedient werden müssen.

Bei meiner Marktschau zu Romanen für Frauen (also dem Genre, in dem ich selbst schreibe) haben sich für mich folgende Erfolgsparameter heraus kristallisiert:

  • bekannte Marke, Institution oder berühmter Name (Künstler, Erfinder, Denker wie in „Fräulein Einstein„, Politiker wie in „Lady Churchill„) kommt vor
  • Deutschland als Schauplatz, vorzugsweise starker Bezug zu einer Region (Lokalkolorit)
  • Frauen- oder Familien-Schicksal in bewegten Zeiten (19. und 20. Jahrhundert)
  • Serien-fähig, am besten eine Trilogie

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Programm der Aufbau Verlage: „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ – auch hier dienen große Namen als Zugpferde: Maria Callas, Edith Piaf, Coco Chanel, Grace Kelly, Marlene Dietrich, Frida Kahlo und Maria Montessori. Das Feld scheint mir aber schon ziemlich abgegrast zu sein.

Bei diesem eng eingezäunten Trend-Feld der Verlage wundert es nicht, dass die Agentur Lianne Kolf auf ihrer Homepage schreibt:

„Manuskripteinsendungen
Aktuell suchen wir Historische Romane mit den folgenden Eckdaten:
*Weibliche Protagonistin/nen
*Zeitraum: Ende des 19. Jahrhunderts – ca. 1960er Jahre
*Handlungsort: Deutschland mit Bezug zu Nachbarländern
*Reihenfähig; pro Band ca. 300-350 Normseiten“

Diesen Trend verfolgt zurzeit Bastei Lübbe sehr intensiv: „Starke Frauen in bewegten Zeiten“ lautet das Motto ihres Programms. Auf einer Landkarte Deutschlands findet man zu jeder Region ein Frauenschicksal in bewegten Zeiten – natürlich immer als Trilogie.

Der Verlag kooperiert mit der Lesejury“ ­– hier erhalten Lesebegeisterte kostenlose Exemplare vor dem Erscheinungstermin und verfassen hierfür Rezensionen – meisten sehr wohlwollend bis enthusiastisch (sehr effektives und kostengünstiges Marketing). Ich habe mich auch dort als „Wortfee“ angemeldet – um meine Konkurrenz zu analysieren und zu lernen, wie man schreiben muss, um veröffentlicht zu werden. Mittlerweile habe ich schon zwei Lübbe-Romane rezensiert.

Meinen Einstand hatte ich mit dem zweiten Teil der Trilogie „Palais Heiligendamm“ (also Ostsee mit Hotelstory kombiniert in 1920er Jahren bis in die Nazizeit). Das Machwerk hat mich alles andere als überzeugt. Meine kritische Rezension könnt ihr hier nachlesen (*** „Flache Figuren enttäuschen“). Ich hatte den Eindruck, bei dieser Trilogie handelte es sich um ein Auftragswerk seitens des Verlags bei der etablierten Autorin, die dann vom Reißbrett diese dünne Story geschrieben hat, die perfekt in die Verkaufsschublade des Verlags passt.

Ein zweites Erfolgsrezept ist: Die eigene Familiengeschichte. Seit über einem Jahr steht „Zwei Handvoll Leben“ von Katharina Fuchs erschienen bei Droemer Knaur auf der Spiegel-Bestsellerliste. Diesen Roman habe ich gelesen – hier muss ich zugeben, dass die Autorin wirklich gut schreiben kann und die Geschichte ihrer beiden Großmütter (vom ersten Weltkrieg über die 1920er Jahre in Berlin, dort im KaDeWe, bis zum Ende des zweiten Weltkriegs – also hochdramatische Zeiten deutscher Geschichte aus dem Erleben von zwei einfachen Frauen) packend und authentisch erzählt hat. Ich war so angetan, dass ich mir auch die Fortsetzung „Neuleben“ über ihre Tante und Mutter (in West-Berlin und DDR der 1950er Jahre) gekauft und mit viel Vergnügen gelesen habe.

Hiermit scheint ein weiterer Trend etabliert zu sein: Die Geschichte und Figuren sollen „echt“ sein.

Wenn ich an meinen Antarktis-Roman denke, dann hätte ich bestimmt schon einen Verlag gefunden, wenn Caroline Mikkelsen meine Großmutter wäre (oder ich mich einfach als ihre Nachfahrin ausgeben würde) und ich das Manuskript mit dem Label: „meine wahre Familiengeschichte“ versehen könnte.

Das bringt mich wieder zurück zur Frage, ob ich als Autorin nur über selbst Erlebtes (mittelbar über Familienbande) schreiben darf oder ob ich nicht genauso gut einer historischen Person über gute Recherche nahe kommen kann. Ich bin von Letzterem überzeugt.

Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob ich nicht auch die bewegte Kriegsgeschichte meiner Großeltern erzählen könnte. Hier kenne ich einige eindrucksvolle Erzählungen und mein Opa väterlicherseits hat auch Aufzeichnungen gemacht, auf die ich zurückgreifen könnte. Trotzdem weiß ich nur Bruchstücke und kenne nur die Episoden, die als „kindertauglich“ im Familienkreis erzählt wurden. Auch bei der Geschichte meiner Großeltern müsste ich sehr genau recherchieren.

Meine Vorfahren (Ur-Großeltern)

Aber ich spüre, dass ich eine innere Hemmung habe, die Erlebnisse meiner Großeltern für einen Roman zu „melken“.

Außerdem habe ich die verklärte liebevolle Sicht eines Kindes auf Oma und Opa – diese müsste ich als Autorin abstreifen und einen nüchternen bis schonungslosen Blick auf meine Großeltern werfen (Wie haben sie sich in der Nazi-Zeit verhalten? Haben sie auch Schuld auf sich geladen?). Das will ich aber eigentlich nicht. Mir fehlt die nötige schriftstellerische Distanz zu den Figuren, ich fühle mich befangen. Ich fürchte, eine freie Figurenentwicklung und dramaturgische Verdichtung wäre mir nicht möglich. Ich komme zu dem Schluss, dass ich nicht über meine Familienmitglieder schreiben möchte. Wenn ich historische Personen für einen Roman auswähle, dann möchte ich mich ihnen völlig unvoreingenommen und unbefangen nähern.

FAZIT: TRENDS NACHJAGEN ODER EIGENER ÜBERZEUGUNG UND INSPIRATION FOLGEN?

Was ziehe ich also nach dieser Marktschau für Schlüsse für meine zukünftigen Romanprojekte – die bitteschön in einen Trend der Verlage passen sollen, damit ich nicht nur für die eigene Schublade schreibe?

Ich denke, es tut weder der Kreativität noch dem schriftstellerischen Ergebnis gut, wenn ich als Autorin stumpf einem bestimmten Trend nachjage oder ein ausgeleiertes Strickmuster reproduziere.

Der Stoff soll mich begeistern, ich will dafür brennen – so wie bei meinem Wiener-Oper-Roman, den ich mit Feuereifer und Herzblut geschrieben habe, obwohl meine damalige Agentin mir davon abgeraten hat – das Klassik-Thema sei nicht massentauglich, bei Verlagen würden da sofort die Rollladen runter gehen. Ob das wirklich so ist, muss sich noch zeigen – ich biete mein Manuskript aktuell an.

Es wäre jedoch naiv, Markttrends völlig zu ignorieren. Ich denke, es kann nicht schaden, einige Erfolgselemente aufzugreifen und einzubauen – wenn sie zu meiner individuellen Geschichte passen.

Social Share Buttons and Icons powered by Ultimatelysocial