„Schreiben ist ein Kinderspiel“ – meine Anfänge als Schriftstellerin

„Schreiben ist ein Kinderspiel!“ Ja, für mich schon, denn mit dem Spielen als Kind habe ich begonnen, mir selbst und anderen Geschichten zu erzählen.

Meine Playmobilfiguren waren hierbei meine wichtigsten Instrumente. Meine Schwestern und ich hatten ein eigenes Zimmer, das nur unseren Playmos gewidmet war.

Jede hatte ein Grundstück mit Haupthaus (großes Puppenhaus), wo die „Hauptfamilie“ gewohnt hat. Dann gab es noch ein Dorf mit kleineren Häusern für die „Nebenfamilien“.

Das Schreiben kam erstmalig zum Einsatz, wenn ich Namenslisten für meine Großfamilie geschrieben habe. Jedes der 14 Kinder hatte natürlich ein eigenes Pferd, so dass auch alle Tiere auf meinem Hof einen Namen bekommen haben.

Das ist die Liste meiner Schwester Dorit. Meine war so ähnlich, ist aber leider verloren gegangen.

Wie ihr alle wisst, ist die Namensgebung für eine Romanfigur der erste Schritt, dieser ihren Charakter zu geben. Meine Figuren hatten auch ganz bestimmte Rollen im gesellschaftlichen Gefüge zu erfüllen. Total niedlich ist diese Job-Beschreibung für eine Zofe.

Im Urlaub musste ich mir dann Ersatzspielzeug suchen. Voller Hingabe habe ich stundenlang mit den Doppelkopfkarten „Verlobungsball“ gespielt. Die Damen waren die schönen Prinzessinnen (die Karodame die kupplerische Mutter) und die Könige und Buben haben sie umworben.

Hier eine nachgestellte Ball-Szene: Oben das Elternpaar, das über die Brautwerbung wacht. Die drei schönen Töchter sind umringt von Heiratskandidaten. Die Pik-Dame findet den schneidigen Karo-Buben viel attraktiver, als den selbstgefälligen Kreuz-König im Hermelin und mit roter Trinkernase.

Vorlage waren hierbei die Sisi-Filmen mit Romy Schneider, die ich unzählige Male mit meinen Schwestern angeschaut habe.

Drei Prinzessinnen im Schnee.

Inspiration für meine Spiele haben natürlich einige Filme, aber vor allem Bücher geliefert, denn ich war eine leidenschaftliche Leserin.

Im Skiurlaub mit meinen Schwestern – wir sind ganz versunken ins Lesen.

Sobald ich schreiben konnte, habe ich meine Fantasie auch auf dem Papier ausgelebt. Deutsch war immer mein Lieblingsfach und ich bin ganz darin aufgegangen, Aufsätze und zu schreiben und Literatur zu interpretieren.

Mein Aufsatz: „Ein Hund als Lebensretter“ aus der dritten Klasse.

Ein „Meilenstein“ in meiner jungen Schriftstellerin-Laufbahn (als 12-Jährige) war sicherlich die Bühnenadaption von Agatha Christies „Tod auf dem Nil“: Zusammen mit meiner Zwillingsschwester Dorit  habe ich zum 11. Geburtstag unserer jüngeren Schwester mit allen Geburtstagsgästen (Kindern) ein komplettes Theaterstück auf die Wohnzimmerbühne gebracht: Mit Bühnenbild und mondänen Kostümen. Hierzu haben wir den Kleiderschrank unserer Eltern geplündert.

Hier bei der Regiebesprechung.

Wir haben die Regie übernommen und auch selbst mitgespielt – und natürlich für jede Rolle den Bühnentext geschrieben. Es gibt ein Video von dieser legendären Inszenierung.

Szene: Jacqueline de Bellefort (links) trifft auf dem Schiff auf ihren früheren Verlobten Simon Doyle mit seiner Frau Linnet (ich in der Mitte mit Schirm) – ihre beste Freundin, die ihr den Mann ausgespannt hat. Eifersucht und Rachegelüste liegen in der Luft.
Ich als die verwöhnte Linette (man beachte die Ohrringe und den Goldarmreif), die sich alles nimmt, was sie begehrt. Dafür wird sie später das Mordopfer.
Dorit als gutgekleideter und dinstinguierter HERCULE POIROT.
Das Geburtstagskind Evelyn in ihrer zweiten schillernden Rolle: Salome Otterbourne. Hier liest die exzentrische Autorin (leicht angetrunken) Hercule Poirot aus ihrem erotischen Roman vor – der sich peinlich berührt davon schleichen will.

Für mich gibt es nichts Schöneres, als meine Geschichten mit anderen zu entwickeln und zu teilen und – wie in meiner Kindheit – auch gemeinsam durch das Theaterspielen zum Leben zu erwecken. Das erste kreative Netzwerk waren also meine Schwestern Dorit und Evelyn – meine liebsten und besten Spielgefährtinnen.

In meiner Jugend kamen noch meine kleinen Schwestern dazu, die bereitwillig alle Rollen in unserer Inszenierungen der Weihnachtsgeschichte oder von „Der kleine Prinz“ übernommen haben. Davon erzähle ich euch das nächste Mal mehr.

Kannst du dich noch an die Lieblingsspiele aus deiner Kindheit erinnern?

Wenn du auch schreibst: Welche Rolle nimmt das Spielen für dich auf dem Weg zur Schriftstellerin ein?

Woche 11: Spreepark – Vom stillen Riesenrad und grenzenlosen Zäunen

Warum hier:

Der verlassene Spreepark lockt mich schon seit Langem mit seinem Riesenrad, das geheimnisvoll beim Treptower Park über die Baumwipfel lugt. Der Vergnügungspark liegt heute hinter einem Zaun in einem Dornröschenschlaf. Für mich hält er den Zauber meiner Kindheit – es sind nicht die Fahrgeschäfte, sondern die Entdeckungsfreude und der Optimismus, mich in eine unbekannte Umgebung zu wagen und mich in meiner Fantasie wie die Heldinnen und Helden aus den Romanen meiner Kindertage zu fühlen.

Wie Winnetou und Old Shatterhand in der Prärie umher schleichen oder wie Momo und Gigi Fremdenführer im alten Amphitheater ferne Welten imaginieren.

Zur Einstimmung:

Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit.“

Aus „Momo“ von Michael Ende

Der Ort:

Im Schatten der Bäume spaziere ich mit meiner jüngeren Schwester Leonie in Richtung Riesenrad – wir können es von hier aus nicht sehen, aber ich versichere ihr, dass es ganz bestimmt da ist.

Vor uns taucht ein stabiler Metallzaun auf. In regelmäßigen Abständen warnen Schilder vor dem unbefugten Betreten und drohen Verfolgung durch Hunde und Strafgerichte an – vor den Hunden fürchte ich mich mehr. Aber als echte Indianerin will ich mich jeder Mutprobe stellen. Also gehen wir auf dem Spazierweg am Zaun entlang. Bald funkelt links von uns das Spreewasser, auf dem Boote schaukeln. Viele Radfahrer und Spaziergänger drehen auf dem Uferweg ihre Runden.

Durch den Zaun kann ich ein rot-gelbes Zelt sehen, dann einen kleinen hölzerner Bahnhof mit Uhr. Dichtes Gras wuchert über die schmalen Gleise, auf denen schon lange keine Bimmelbahn mehr gefahren ist.

Bestens instand gehalten ist jedoch der Zaun. Am Boden sind an vielen Stellen Betonschwellen und Stahlstifte mit Draht von innen angebracht, um ein Untergraben des Zauns zu verhindern.

Hier gibt es kein Durchkommen. Auch die Bäume nehmen wir genau in Augenschein – hier und da könnte ein Stamm und ein Ast das Herüberklettern ermöglichen, aber die Metallspitzen auf dem oberen Rand haben einiges Verletzungspotenzial – das Risiko ist uns zu groß.

Aber so schnell geben wir nicht auf. Und schließlich sehen wir das Riesenrad durch den Zaun, wie es in stiller Würde einen perfekten Kreis in den Himmel malt.

Wir haben das Gelände schon fast umrundet und sind auf dem Rückweg, als Leonie eine Stelle mit weichem Erdboden am Zaun entdeckt und zunächst spielerisch mit Stock und Fuß eine kleine Mulde gräbt.

„Aber da passen wir nie und nimmer durch“, sage ich.

„Wenn der Kopf durchpasst, dann geht auch der Rest des Körpers durch. Das hat ja auch schon bei unserer Geburt geklappt“, sagt Leonie. Und sie vermisst prompt mit ihrem Stock die Mulde und meinen Kopf – passt.

Ich halte entgegen, dass sich meine Körpermaße seit meiner Geburt nicht nur absolut, sondern auch proportional verändert hätten.

Aber sind wir nicht Mitspielerinnen in einem Abenteuerroman? Wer kann schon sagen, ob die nachfolgende Erzählung Fiktion oder Realität ist? Gigi Fremdenführer wird sie sicherlich gefallen.

Bevor noch mehr Spaziergänger neugierig unsere Grabungsarbeiten begutachten und ein selbsternannter Ordnungshüter auftaucht, lege ich mich kurzentschlossen auf den Boden und schiebe meinen Kopf mit zusammengekniffenen Augen unter dem Metallrand des Zauns hindurch (eine Erdbehandlung für meine Haare inklusive) – und tatsächlich, auch Oberkörper und Beine kann ich mit Luftanhalten unter dem Zaun durch quetschen. Auch Leonie gelingt die enge Passage – ganz ohne Hebamme.

Wir suchen erst mal Deckung in einem nahen Betonschuppen, hier begrüßt uns ein toter Vogel. Dann pirschen wir weiter Richtung Riesenrad, müssen aber an einem Verwaltungshaus in der Mitte vorbei, dort steht ein kleines Auto vor der Tür. Plötzlich kommt ein mächtiger Typ ganz in Schwarz um die Ecke: „Security“. Wir hechten hinter die nächste Hauswand. Hoffentlich hat er uns nicht gesehen.

Mit einigem Herzklopfen tasten wir uns weiter ins Gelände vor, zwischen den Bäumen hindurch und stoßen dann auf die Bahngleise. In bester Westernmanier folgen wir den Gleisen, jetzt können wir im Laufschritt voran kommen und bald finden wir Sichtschutz vor dem gefürchteten Sicherheitsmann. An die Hunde wollen wir jetzt nicht denken.

Vor uns erhebt sich das herrliche Riesenrad – es steht still wie die Zeit – umgeben von einem ausgetrockneten See. Ein längliches Holzschiff mit frech aufgerolltem Bug ruht von seinen Abenteuerfahrten aus.

Am Ufer des Sees erhebt sich eine bunte Häuserzeile – ein Geisterdorf, das uns ganz alleine gehört. Dort hängt eine Brezel über der Tür – vielleicht war hier früher eine Bäckerei… Hier könnten wir Kaufmannsladen spielen.

Ich fühle mich zurück versetzt in meine Kindheit – das Spielen mit meinem Schwestern, bei dem jeder Ort in etwas Magisches verwandelt werden konnte und Raum und Zeit den Regeln unserer Fantasie folgten.

Gerne würde ich hier länger bleiben und jeden Winkel dieser abgeblätterten Zauberwelt erkunden, aber eine atemlose Unruhe schwingt immer mit. Jeden Moment könnten wir entdeckt werden. Aber auch dieses Gefühl von ominöser Gefahr und Vergänglichkeit des Spiels macht seinen besonderen Reiz aus.

Schließlich treten wir den Rückzug über die Gleise an.

Was ich von diesem abenteuerlichen Ausflug mit nach Hause nehme, ist mehr, als die Erde in den Gesäßtaschen meiner Jeans. Es sind diese Eindrücke von Selbstüberwindung und Wunscherfüllung.

Oft geht es mir so, dass ich in meiner Fantasie und insbesondere auch beim Schreiben Orte erkunden und erschaffen kann, die für mich körperlich nicht erreichbar sind. Schreibend kann ich jede Begrenzung überwinden (außer im paradiesischen Schreibland geht ein böser Zauber namens Schreibblockade um).

Heute habe ich es mal umgekehrt gemacht und mich den physischen Grenzen eines realen Ortes gestellt. Diese Sinneseindrücke und die Expedition ins Unbekannte sind Dinge, die ich auf mein Schreiben übertragen möchte. Auch in meiner imaginären Welt möchte ich Neuland entdecken.

Das gewisse Extra:

Eine letzte Fahrt auf dem Riesenrad.

Meine Sterne-Wertung für den Schreibort:

Produktivität („wordcount“)

☆☆☆☆☆

Inspiration

★★★★★

Keine-Riesenra(d)tlosigkeit-bei-Zaunzensur-Faktor

★★★★★

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