Wenn die Prinzessin zur Magd wird und die Dragqueen der großen Liebe entgegen stöckelt – beliebte Tropes in Literatur und Film

Gute Geschichten greifen oft auf wiederkehrende Umstände, Figurentypen oder Beziehungskonstellationen zurück, die den Lesenden oder Zuschauenden bekannt und bei ihnen beliebt sind. Diese Erzählmuster nennt man „Tropes“.

Hier möchte ich dir einige meiner liebsten Tropes aus Büchern und Filmen vorstellen, die ich auch schon selbst in meinen Romanen eingesetzt habe.

Princess goes slumming und der Prinz wird zum Schweinehirt

Einer meiner liebsten Tropes ist „Princess goes slumming“ und „Der Prinz wird zum Schweinehirt“. Hier befindet sich die Heldin/der Held in einer privilegierten Postion (früher adelig, heutzutage superreich), dabei jedoch gefangen im goldenen Käfig. Sie träumt davon, einmal das simple und unbeschwerte Leben kennenzulernen. So schlüpft sie in die Rolle eines „Normalos“ und mischt sich unter das „einfache Volk“.

Goldie Hawn im Film „Overboard“

Dabei verliebt sie sich verbotenerweise in jemanden unter ihrem Stand. Diese Geschichten lösen sich meist märchenhaft auf, denn wenn die wahre Identität und Stellung des Verkleideten enthüllt wird, ist dessen Reichtum kein Hindernis mehr für die Liebenden, sondern ein Bonus. Das Romantische daran: Die Liebe der niedriger gestellten Person ist blind entstanden, also ohne den Anreiz des Aufstiegs in den höheren Stand – diese Liebe erscheint somit besonders rein.

Filmklassiker „Roman Holiday – Ein Herz und eine Krone“

Einer meiner liebsten Filmklassiker ist „Roman Holiday – Ein Herz und eine Krone“ (1953) mit der bezaubernden Audrey Hepburn als Prinzessin, die ihren Pflichten entflieht und einen Tag in Rom als normales Mädchen zusammen mit einem Journalisten (Gregory Peck) verbringt, der eine Enthüllungsstory über sie schreiben will (sie ahnt nicht, dass er ihr Inkognito durchschaut hat). Befreit von allen Zwängen schleckt sie genüsslich Eis, lässt sich eine Kurzhaarfrisur schneiden und düst auf einer Vespa durch Rom. Es gibt einige innige Küsse und einen bitter-süßen Abschied, denn die Prinzessin und der Bürgerliche dürfen eben doch nicht heiraten.

Filmkomödie „Overboard – ein Goldfisch fällt ins Wasser“

Wunderbar witzig ist die Filmkomödie „Overboard – ein Goldfisch fällt ins Wasser“ (1987) mit Goldie Hawn als Millionärin auf einer Luxusyacht, die den Handwerker Kurt Russell herum kommandiert. Als sie über Bord geht und ihr Gedächtnis verliert, wittert er seine Chance auf Rache und behauptet, ihr Ehemann zu sein. Die verwöhnte Lady muss nun im Schlabberkittel seine freche Kinderschar versorgen und den Haushalt machen. Doch in der Armut lernt sie erstmalig die Liebe kennen. Die geläuterte „Prinzessin“ wird mit einem Happy End belohnt.

Mein Liebesroman „Das kleine Kräutercafé – Herzkirschen“

Auch in meinem LiebesromanDas kleine Kräutercafé – Herzkirschen (erscheint am 31. August 2023) spielen der Standesunterschied und eine Verwechslung eine Rolle, denn die Protagonistin Natália ist eigentlich nur Köchin und Putzfrau, doch der reiche Banker Robert hält sie irrtümlich für eine „ebenbürtige“ Kollegin.

Lange Tradition: Der Strandesunterschied trennt das Liebespaar

Das Hindernis des Standesunterschieds war in früheren Zeiten für Liebende noch höher, so dass dieser Trope sich bereits im 18. und 19. Jahrhundert bei den Schriftstellern großer Beliebtheit erfreute. So lässt Friedrich Schiller in seinem Drama „Kabale und Liebe“ (1784) den Adelssohn Ferdinand von Walter sich der bürgerlichen Louise Miller in der Verkleidung eines Bürgerlichen annähern. Erst, wenn Ferdinands Vater von der Mesalliance erfährt, stellt es sich gegen die Verbindung und eine Reihe von Intrigen führt schließlich zum tragischen Tod der Liebenden, die sich gegenseitig vergiften.

Auch in Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“ von 1851 (die auf Victor Hugos: „Le roi s’amuse“ basiert) stellt sich der Herzog von Mantua seiner verehrten Gilda (Tochter des Hofnarrs) als armer Student vor und gewinnt damit ihr Vertrauen. Auch in der Oper „Adriana Lecouvreur“ von Francesco Cilea, 1902) gibt sich Maurizio, Graf von Sachsen, als einfacher Offizier aus, wenn er mit der Schauspielerin Adriana anbandelt. In beiden Opern endet die Affäre mit dem Tod der getäuschten Frau.

Jonas Kaufmann und Angela Gheorghiu in „Adriana Lecouvreur“ am Royal Opera House 2010.

Weniger dramatisch, dafür umso witziger geht es im Hollywoodfilm Let’s make love (1960) zu, in dem sich ein Millionär (Yves Montand) unter eine Schauspielgruppe mischt und das gutherzigen und sexy Showgirl (Marilyn Monroe) verführt.

Frau in Männerkleidung und Mann in drag

Ein weiterer persönlicher Favorit unter den Tropes ist die Frau in Männerkleidung oder der Mann „dressed as girl“ (drag). Hieraus ergeben sich wunderbar romantische (die unmögliche Liebe) und auch komödiantische Situationen.

Toni Curtis und Jack Lemmon im Film „Some like it hot“

Bereits Shakespeare hat mit dieser Geschlechterverwirrung gespielt in „Twelfth Night“ („Was ihr wollt“) – Viola strandet in einem fremden Land, verkleidet sich als Diener und tritt in den Dienst des Herzogs von Orsino ein, in den sie sich verbotenerweise verliebt. Und auch im Film „Shakespeare in Love“ (1998) verwandelt sich die adelige Viola (Gwyneth Paltrow) in einen Schauspieler, um auf der Bühne stehen zu können – zwischen ihr und dem Poeten Shakespeare funkt es gewaltig.

Kein Wunder also, dass ich diesen Trope genussvoll in meinem bald erscheinenden Roman Im Takt ihrer Träume aufgegriffen habe: Hier schlüpft die Dirigentin Johanna in die Rolle eines Mannes, um ihren Traumberuf ausüben zu können. Aber dann kommt ihr die Liebe in Gestalt des leidenschaftlichen Kollegen Eduardo in die Quere.

Wo wir schon in der Opernwelt sind: Auch in „Arabella“ von Richard Strauss muss die jüngere Schwester Zdenka als Knabe herumlaufen, weil die verarmten Eltern nur die schöne Arabella standesgemäß in die feine Gesellschaft einführen können. Zdenka ist heimlich verliebt in Matteo, der eigentlich für Arabella schwärmt, aber mit ihrem „Bruder“ so manche Vertraulichkeit austauscht.

Wenn Männer in drag herumstöckeln, wird es immer turbulent, wie in der herrlichen Filmkomödie „Some like it hot“ (1959) mit Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Toni Curtis. Sicher kennst du auch „Tootsie“ (1982) und „Mrs. Doubtfire“ (1993). In all diesen Geschichten bekommt der Mann als „beste Freundin“ seiner Angebeteten immer einen besonderen Zugang zu ihr und lernt sie durch die eigene Frauenrolle besser verstehen.

Magst du auch Geschichten, die mit dem Geschlechterrollentausch oder mit dem Standesunterschied (Prinzessin wird zur Magd) spielen? Welche Bücher und Filme mit diesen Tropes kennst du noch?

Übrigens gibt es noch einige weitere Tropes in (Liebes-) Geschichten:

  • Enemies / Rivals to lovers (z.B. „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen. Von beruflichen Rivalen zu Liebenden: „You’ve got mail“ mit Meg Ryan & Tom Hanks)
  • Fake dating (z.B. „Selbst ist die Braut“ mit Sandra Bullock & Ryan Reynolds, „Wedding Date“ mit Debra Messing & Dermot Mulroney, „Green Card“ mit Gérard Depardieu & Andie MacDowell)
  • Die Wette (Variante von fake dating) (z.B. „Wie werde ich ihn los in 10 Tage“, „10 Dinge, die ich an dir hasse“)
  • Vom Aschenputtel zur Prinzessin / hässliches Entlein zum schönen Schwan (z.B. in „Pretty Woman“, „My fair Lady“ und „Sabrina“ mit Audrey Hepburn, „Plötzlich Prinzessin“)
  • Mauerblümchen (Wallflower) (z.B. Fanny Price in „Mansfield Park“ von Jane Austen, Baby in „Dirty Dancing“, Will (Hugh Grant) in „Notting Hill“)
  • Strangers to lovers (z.B. „Titanic“, „Before Sunrise“)
  • Friends to lovers (z.B. „Emma“ von Jane Austen und „Harry und Sally“ mit Meg Ryan & Billy Crystal)
  • Love triangle (z.B. „Die Hochzeit meines besten Freundes“ mit Julia Roberts, Cameron Diaz & Dermot Mulroney, „Bridget Jones“, „Vicky Christina Barcelona“, „Ein unmoralisches Angebot“, „Tequila Sunrise“, „Vom Winde verweht“)
  • Second chance (z.B. erfolgreiche Großstädterin kehrt in ihr Heimatdorf zurück und trifft ihre Jugendliebe wieder wie in „Sweet Home Alabama“ mit Reese Witherspoon)
  • Forced proximity – erzwungene Nähe u.a. eingeschlossen sein oder aneinander gekettet, gemeinsamer Auftrag, Roadtrip (z.B. „Speed“, „The Mountain between us – Zwischen zwei Leben“, „Passengers“ – Mann und Frau alleine in einem Raumschiff, „Der Kautions-Cop“, „So spielt das Leben„, wo sich Mann und Frau, die sich nicht leiden können, gemeinsam um ein Baby kümmern müssen, „Der Duft der Frauen“ – ein Collegejunge soll auf einen blinden Mann aufpassen – mit Al Pacino & Chris O’Donnell)
  • Only one bed – zusammen in einem Bett (z.B. „Verlobung auf Umwegen„, „Selbst ist die Braut„, „In einem fernen Land“ mit Tom Cruise & Nicole Kidman)
  • Verbotene Liebe (z.B. Priester, Lehrer:in, Stiefvater wie in „Lolita“, oder Bruder /Schwester der/s eigenen Verlobten, z.B. „Die Familie Stone„)
  • Boss Romance / Office Romance spielt auch mit der verbotenen Liebe und einem Standesunterschied, denn eine Person des Paares ist der Chef/die Chefin (z.B. „Top Gun“ wo Tom Cruise eine Liaison mit seiner Ausbilderin Kelly McGillis eingeht, „Was Frauen wollen“ mit Mel Gibson & Helen Hunt, „Ein Chef zum Verlieben“ mit Sandra Bullock & Hugh Grant)
  • Heimliche Beziehung (z.B. „Romeo und Julia“, „Brokeback Mountain“, „Abbitte“)
  • Found family – die Wahlfamilie, d.h. eine Gruppe von Menschen findet sich zu einer neuen Familie zusammen, ohne biologisch miteinaner verwandt zu sein  (z.B. „Zusammen ist man weniger allein“ (Originaltitel: Ensemble, c’est tout), Film mit Audrey Tautou, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Anna Gavalda (2004), „About a Boy oder: Der Tag der toten Ente“ mit Hugh Grant & Nicholas Hoult & Toni Collette, „Harry Potter“, „Die Tribute von Panem“)
  • Soulmates – Seelenverwandte (z.B.  „Der Pferdeflüsterer“, „Sleepless in Seattle“, „Ghost“, „Bridges of Madison County – Die Brücken am Fluss“)
  • Briefe von einem Fremden / aus der Vergangenheit / von einem Verstorbenen (z.B. „Message in a bottle – Der Beginn einer großen Liebe“ von Nicholas Sparks, „P.S. I love you„, „Briefe an Julia“)
  • Tödliche Krankheit verkürzt die Zeit, die die Liebenden miteinander haben. Manchmal verliebt sich dabei die Krankenschwester in ihren Patienten (z.B. „Entscheidung aus Liebe“ mit Julia Roberts, „Love Story“, „Sweet November“, „Ein ganzes halbes Jahr“ – Film nach dem Roman von Jojo Moyes)
  • Gedächtnisverlust (z.B. „Für immer Liebe„, „Overboard – Ein Goldfisch fällt ins Wasser“, „Vergiss mein nicht“, „Good Bye, Lenin“, „Hangover“; im Spannungs-Genre: „Bourne Identity“, „Ich. Darf. Nicht. Schlafen“, „Memento“, „Mulholland Drive“, „Spellbound – Ich kämpfe um dich“ mit Ingrid Bergmann & Gregory Peck)
  • Familienfeier / Thanksgiving / Essen mit Freunden läuft aus dem Ruder (z.B. „Die Familie Stone“, „Im August in Osage County“ und „Familiensache“ beide mit Meryl Streep, „Das perfekte Geheimnis“, „Der Vorname“)
  • Böse Schwiegereltern (z.B. „Meine Braut, ihr Vater und ich“ mit Robert de Niro, „Das Schwiegermonster“ mit Jane Fonda)

Eine literarische Agentur finden – der erste Schritt zur Veröffentlichung in einem Publikumsverlag

Ist nun endlich der Moment gekommen, an dem du dein Manuskript in die Welt hinaus schicken kannst – dein „Baby“, an dem du Monate, ja Jahre lang gebrütet, geschrieben und gefeilt hast?

Dann musst du zunächst eine grundsätzliche Frage für dich klären: In welchem Verlag soll dein Roman erscheinen? Hier sollten Wunsch und Wirklichkeit nicht zu weit auseinander klaffen. Eine realistische Einschätzung ist für diese wichtige Weichenstellung nötig.

Die erste Weichenstellung: In welchen Verlag passt dein Manuskript

Handelt es sich bei deinem Roman um Unterhaltungsliteratur (Belletristik)? In welchem Genre ist es anzusiedeln? Eine Übersicht der gängigen Genres findest du hier.

Die großen Publikumsverlage bedienen meist die gängigen Genres wie Krimi, Thriller, Science-Fiction, Historischer Roman und Liebesroman, manchmal auch Fantasy.

Diese „Big Player“ sind PENGUIN RANDOM HOUSE VERLAGSGRUPPE (dazu gehören u.a.: GOLDMANN, HEYNE, BLANVALET, DIANA), HARPERCOLLINS, ULLSTEIN, DROEMER, FISCHER, ROWOHLT, AUFBAU, PIPER, LÜBBE, PENGUIN, DTV. Diese Verlage haben meist noch diverse Imprints, d.h. Unterverlage mit eigenem Namen und oft spezifischer Zielgruppe (z.B. „Eichborn“ gehört zu Lübbe und steht für eher Anspruchsvolles).

Fantasy-Romane findet man z.B. auch bei RAVENSBURGER (Fantasy und Science-Fiction, Jugendbücher) und CARLSEN (Kinder- und Jugendbuch).

Am besten du schaust mal bei deinen Lieblingsromanen und literarischen Vorbildern nach, in welchen Verlagen diese Bücher erscheinen. Wenn dein Manuskript vom Inhalt und Stil vergleichbar ist, dann könnten diese Verlage die richtige Adresse für dich sein.

Oder handelt es sich bei deiner Geschichte um ein (literarisches) Werk, das in keine Schublade passt und eher eine Nische braucht? Also „Arthouse“ anstelle von „Blockbuster“? Kaviar statt Popcorn?

Dann sind wahrscheinlich kleine Independent-Verlage die Richtigen für dich. Wie du dein Manuskript bei einem Indi-Verlag am besten vorstellst, erfährst du in diesem Blogbeitrag.

Wenn du zum Ergebnis kommst, dass dein Roman ein „Blockbuster“ ist und am besten in einen der großen Publikumsverlage passt, dann führt der einzige realistische Weg dorthin über eine literarische Agentur.

Ohne eine Agentur landet dein Werk in den Stapeln unverlangt eingesandter Manuskripte, die sich bei den großen Verlagen türmen und die von Praktikanten im Eiltempo abgearbeitet werden, wenn überhaupt.

Die Agenturen jedoch sind die Türsteherinnen ins gelobte Bücherland, sie kennen die magische Kombination (bestehend aus Insiderwissen, Connections und cleverer Verkaufsstrategie), die die Tresortür des Verlags öffnen kann.

Wenn dein Romanprojekt (in Form von Exposé und Leseprobe) von einer Agentur beim Verlagslektorat vorgestellt und angepriesen wird, steigen die Chancen, dass es gelesen und in Betracht gezogen wird. Eine Garantie gibt es natürlich nicht, aber du hast auch nichts zu verlieren, denn eine seriösen Agentur geht für dich in Vorleistung und die Provision fällt nur dann an, wenn ein Verlagsvertrag zustande kommt.

Einen Agenturvertrag zu bekommen ist also die erste Hürde, die allerdings auch schon ziemlich hoch liegt. Auch hier musst du dich gegenüber von hunderten anderen Einsendungen durchsetzen. Nicht nur die Qualität deines Textes muss überzeugen, sondern auch die professionelle Präsentation (hierzu später mehr).

Welche Agentur passt zu dir?

Der erste Schritt ist, die Agenturen auszuwählen, die zu deinem Manuskript und dir als Autor:in passen. Hier findest du eine Liste aller Agenturen in Deutschland. Alternativ kannst du dir auch auf dieser Seite von Petra Schier einen Überblick verschaffen (hier werden nur die seriösen Agenturen aufgeführt – die Ertellerin ist Vorstand der Autor:innen-Vereinigung DELIA und lässt die Erfahrungen der Mitglieder hier einfließen).

Diese große Auswahl ist zugleich tröstlich wie erschlagend. Welche Agentur sollst du am besten zuerst anschreiben? Die in deiner Nähe? Vielleicht auf Empfehlung von anderen Autor:innen?

Auch bei den Agenturen gibt es große Unterschiede: Es gibt solche mit langer Tradition & Einfluss, die nur Preisträger:innen aufnehmen (z.B. Graf & Graf in Berlin), als Debütautor:in kannst du dir das gleich sparen, du hast dort keine Chance.

Groß und geschäftstüchtig sind auch Agenturen, die mehr als einen Sitz haben, z.B. die Agentur Thomas Schlück (Hannover und München). Der Nachteil solcher Agenturen ist, dass du als Autor:in dort evtl. nicht so individuell betreut wirst, wie bei einer kleinen Agentur, und dass deren Fokus ausschließlich auf den „Big Playern“ liegt und sie nicht für dich bei den kleinen Verlagen anklopfen gehen (weil dort der Vorschuss und somit auch die Provision zu gering für sie ist).

Dann gibt es die ganz kleinen „Dynamischen“, die angeblich auch Neulingen eine Chance geben, dafür ist ihre Provision höher (20 %; obwohl auch die „Großen“, die früher 15 % genommen haben, wegen Corona-Flaute auf diesen Prozentsatz aufgestockt haben) und ihre Vermittlungsquote (vermutlich) geringer.

Jede Agentur hat jedoch eine bestimmte Ausrichtung und auch bestimmte Verlage (Lektor:innen), mit denen sie besonders gut zusammenarbeiten. Das erfährst du, wenn du dich durch die jeweilige Homepage klickst und dir anschaust, welche Sorte Romane sie an welche Verlage vermittelt haben. Das ist Fleißarbeit, aber sehr erhellend.

Ich rate dir an dieser Stelle, eine Tabelle anzulegen, in der du jede Agentur einträgst, die du dir angesehen hast und dir Notizen machst: Welche Romane ähneln dem deinen, an welche Verlage vermitteln sie, wie groß ist die Agentur und wie zusammengesetzt – oft stellen sie sich mit ihrem Team vor. Wenn du z.B. einen Frauenroman geschrieben hast, ist natürlich eine Agentur mit vielen Frauen im Team (und in der Leitung) zu bevorzugen, anstelle von einem reinen Herrenclub.

Du kannst aber auch sprichwörtlich „Das Pferd von hinten aufzäumen“ und von deinem Wunschverlag die Spur rückwärts verfolgen über eine Autorin zur Agentur.

Wenn du zum Beispiel Young-Adult-Fantasy schreibst und im Fischer Verlag landen willst, dann stößt du dort auf die Silber-Trilogie von Kirsten Gier und findest auf deren Homepage ihre Agentur: Die Buchagenten Petra Hermanns und Christiane Düring in Frankfurt.

Nun hast du einige passende Agenturen gefunden. Ich empfehle nun, deine drei Favoriten auszuwählen und diese anzuschreiben. Wenn eine Agentur Interesse hat, meldet sie sich in der Regel innerhalb von 2-4 Wochen bei dir (manchmal dauert die Prüfung auch länger) und fordert das Gesamtmanuskript an. Damit sich deine Suche nicht über Jahre hinzieht, solltest du dir viele Chancen schaffen, z.B. jeden Monat drei „Bewerbungen“ verschicken.

Was erwartet die anzuschreibende Agentur von dir

Schau dir die Homepage der Agentur genau an und finde die Angaben zur Manuskripteinsendung: Meist gibt es einen eigenen Reiter oder du findest Angaben unter „Kontakt“. Hier steht, welche Unterlagen du an welche Stelle senden sollst: Meist per E-Mail, manchmal gibt es ein Online-Formular, manchmal in Papierform (lose Seiten) per Post.

Immer gefordert werden ein Exposé (1-3 Seiten), eine Leseprobe (20-50 Seiten) – halte die jeweiligen Seitenvorgaben möglichst genau ein – und eine Autorenvita mit Verzeichnis von Veröffentlichungen.

Bei digitaler Zusendung wird meist das pdf-Format bevorzugt, aber Word oder Open Office gehen auch.

Sende niemals das gesamte Manuskript unverlangt zu.

Wie du dein Romanprojekt am besten bei einer Agentur vorstellst

Hier gelten im Prinzip dieselben formalen Regeln, wie auch bei einer Jobbewerbung: Du brauchst als Erstes ein kurzes und knackiges Anschreiben (1 Seite) mit den wichtigsten Information. Das Anschreiben vermittelt den ersten Eindruck und kann schon das k.o. bedeuten, wenn dieses nicht gut ist.

In formaler Hinsicht ist es ein Geschäftsbrief: Briefkopf mit deiner Adresse, vollständige Anschrift des Empfängers, Ort und Datum. Der Betreff sollte lauten: „Manuskriptangebot: Titel und Genre“

Bei der Anrede ist es besser, du sprichst eine konkrete Person an, als das pauschale „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu verwenden. Wenn auf der Homepage der Agentur eine bestimmte Ansprechperson genannt ist, dann schreibe diese namentlich an, sonst den/die Inhaber:in der Agentur.

Erster Absatz: Warum wendest du dich an gerade diese Agentur

„Ich bin auf Ihre Agentur aufmerksam geworden, weil Sie Autorinnen wie XY („Z“ aktuellen Roman nennen) vertreten und sich mein (Genre-) Roman mit (Attribut einfügen: was verbindet meinen Roman mit dem zuvor genannten) gut / bestens dort einreihen könnte.“

Ein Einleitungssatz wie „hiermit möchte ich Ihnen mein Romanprojekt vorstellen“ ist eine bloße Floskel und somit verzichtbar. Der Betreff drückt das schon aus.

Zweiter Absatz: Was hast du anzubieten

Stelle dein Romanprojekt vor: Kurzpitch (1-2 Sätze).

Marktvergleich: Mein Roman ist so ähnlich wie… (d.h. passt in den Trend)

USP (unique selling point) / Alleinstellungsmerkmal: aber besonders, weil… (hebt sich von der Masse ab)

Dritter Absatz: Wer bist du

Stelle dich selbst vor: Welche Stipendien (z.B. Stadtschreiber:in) und Preise hast du schon gewonnen. Hast du schon Texte veröffentlicht (hier aber kein Selfpublishing nennen). Wenn du nichts Hochkarätiges vorzuweisen hast, dann lasse diesen Absatz weg. Deine kleinen Schritte Richtung Autor:innenberuf kannst du in deiner Vita darstellen.

Letzter Absatz: „jungfräulicher“ Status und unaufdringlicher Ausklang

„Ich habe das Manuskript gerade fertig gestellt und noch keinem Verlag angeboten. Bei Interesse sende ich Ihnen gerne das vollständige Manuskript zu. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.“

Agenturen wollen „frische“ Manuskripte. Wenn du damit schon bei zig Verlagen hausieren gegangen und abgelehnt worden bist, dann ist es aus Sicht einer Agentur „verbrannt“.

Also von der Reihenfolge her: Immer zuerst auf Agentursuche gehen, wenn diese keinen Erfolg hat, dann selbst auf Verlagssuche gehen (wobei hierbei die kleinen Verlage chancenreicher sind).

Nach diesen DO’s hier einige DON’Ts:

Schreibe keinesfalls Dinge wie:

„Sie können sich glücklich schätzen, als Erster meinen Roman lesen zu dürfen.“

„Meine Testleser / meine Deutschlehrerin waren hellauf begeistert von meinem Roman.“

Auch Selbstbeweihräucherung (wie in Jobbewerbungen üblich) sind hier fehl am Platz:

„Der Text überzeugt durch seinen virtuosen Schreibstil.“

„Ein Roman in Stil von XY (berühmte/n Autor:in nennen).“

Einzig das lobende Adverb „gründlich recherchiert“ ist m.E. okay, z.B. bei einem historischen Roman, dieses jedoch auch belegt durch Quellenangaben im Anhang der Leseprobe.

Verwende keine Emojis und auch Humoriges ist ein zweischneidiges Schwert (im Zweifel wird deine Ironie nicht verstanden).

Was auch nicht gut ankommt: Ein selbst designetes (oder professionelles) Buchcover mitzuliefern. Die Vermarktung soll dem Verlag überlassen werden.

Die perfekte Autorenvita

Hier hast du Gelegenheit, dich ins rechte Licht zu rücken. Zeige, dass du ein/e Wunschautor:in bist: Fachlich kompetent, eine faszinierende Persönlichkeit und medienwirksam.

In formaler Hinsicht: Die Vita ist in der dritten Person abzufassen (nicht in der Ich-Form).

Inhaltlich: Führe die wichtigsten Stationen deines beruflichen und persönlichen Werdegangs auf. Stelle hierbei einen Zusammenhang zwischen dir und deinem Roman her: Was macht dich zur Expertin auf diesem Gebiet? Entweder durch deinen Beruf oder dein Hobby. Wenn dein Roman in einem bestimmten beruflichen Milieu angesiedelt ist, kommt es gut an, wenn du selbst dort Einblicke hast.

Wo spielt dein Roman? Ist der Schauplatz deine Heimatregion oder hast du diese (exotische) Region schon oft bereist?

Stelle Parallelen zwischen dir und deinen Figuren her. Ist deine Heldin eine Köchin, dann erwähne deine eigene Kochleidenschaft. Spielt z.B. Musik eine Rolle in deiner Geschichte, dann klingt es gut, wenn du selbst ein Instrument spielst oder in einem Chor singst. Natürlich sollst du nichts frei erfinden.

Obwohl es auf dem Buchmarkt gängige Praxis ist, dass Verlage sich die perfekte verkaufsfördernde Autorenfigur mit Pseudonym, Stockfoto und fiktiver Vita komplett neu erschaffen (wie du hier nachlesen kannst). Soweit solltest du bei der Agentursuche jedoch nicht gehen. Aber zeige die Facetten von dir, die zu deinem Roman passen.

Was auch gut ankommt und genannt werden sollte, sofern es zutrifft: Du bist Teil einer Schreibgruppe oder einer Lesebühne, du hast dir als Poetry Slammer:in einen Namen gemacht, du bist auf Social Media aktiv und hast viele Follower.

Schau dir als Vorbild die Vitas auf den Webseiten der Verlage oder auf der Umschlagseite der Bücher in deinem Regal an. Manche klingen (für meinen Geschmack) sehr langweilig (ob eine Autorin drei Katzen hat oder am liebsten mit ihrem Hund spazieren geht, interessiert mich ehrlich gesagt nicht).

Hier einige gelungene Beispiele: Marc-Uwe Kling (ein „Buchstabendurcheinanderbringer“, sein Humor tritt zutage), Doris Cramer (Expertise zum Schauplatz Marokko), Heinrich Steinfest („Nesthocker und preisgekrönter Autor“, interessante Widersprüchlichkeit), Jeanette Limbeck (Debütroman: Expertise zum Schauplatz Russland, in der längeren Fassung der Vita eine originelle Anekdote, die zum Abenteuergeist der Heldinnen des Romans passt: „… zu Fuß den Fluss Amudarja überquert“).

Wenn du ein Foto beifügst, dann nur eines aus dem Fotostudio (z.B. Bewerbungsbild), kein Selfie oder Urlaubsschnappschuss.

Weitere Tipps zur professionellen Autorenvita findest du auch hier.

Ein überzeugendes Exposé und Leseprobe sind natürlich auch essentiell. Hierauf werde ich in einem nächsten Blogbeitrag noch näher eingehen.

Beharrlichkeit, Geduld und Glück

Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Suche nach der für dich und dein Manuskript passenden Agentur. Lass dich nicht von Absagen entmutigen. Auf dem langen Weg bis zur Veröffentlichung deines Romans brauchst du viel Beharrlichkeit, Geduld und Selbstvertrauen – und eine Portion Glück!

Ich bin diesen Weg auch gegangen und habe nach monatelanger Suche eine tolle Agentur gefunden. Die Empfehlungen in diesem Beitrag gründen sich auf meine eigenen Erfahrungen, auf den kollegialen Austausch mit anderen Autor:innen und auf Recherche zum Thema (Ratgeber u.a.).

Ich hoffe, dieser Beitrag ist hilfreich für dich. Weitere Beiträge rund um das Autor:innenleben und den Buchmarkt findest du auf dieser Übersichtsseite.

Wenn du mehr über die Arbeit einer Literaturagentur erfahren möchtest, kann ich dir diese Interviews empfehlen, die interessante Einblicke geben:

Interview mit 7 etablierten Agent:innen : Uwe Neumahr (AVA), Natalja Schmidt, Andreas Brunner, Lianne Kolf, Michael Gaeb, Bastian Schlück, Holger Kuntze (Agentur Meller)

Interview mit Agentin Elisabeth Botros von der Agentur Gaeb & Eggers (Berlin) vom 27.02.2022

Die Literarische Agentur Michael Gaeb und Petra Eggers bietet Autor*innen Unterstützung von der ersten Projektidee, über Lektorate, Verlagsvertragsverhandlung bis hin zu Auslands- und Filmrechten an. In der Agentur sind Sie für die Bereiche Literatur, Unterhaltung und Sachbuch zuständig.

Klaus und Michaela Gröner im Interview von Annika Bühnemann 2016

Schmerz, bring mich zum Lachen! Ist die Schadenfreude in Kindergeschichten pädagogisch wertvoll?

Gerade in Zeiten von geschlossenen Schulen und Kitas sind die Eltern verstärkt gefordert, ihren Kindern Unterhaltung zu bieten und greifen ins heimische Bücherregal, wo noch Klassiker aus alten Tagen schlummern. Dort begegnen uns der Struwwelpeter und seine Leidensgenossen Daumenlutscher und Suppenkaspar. Die bösen Buben Max und Moritz dürfen auch nicht fehlen. In diesen Klassikern der Kinderliteratur ist der Schmerz ein zentrales Motiv. Aber ist solche Quälerei pädagogisch wertvoll und darf man sie heutigen Kindern überhaupt noch zumuten?

Aktuell ist eine Fortsetzung des Heinrich Hoffmann’schen Klassikers aus dem Jahr 1845 erschienen: „Struwwelpeter – Die Abrechnung. Das Kinderbuch für Erwachsene“ von den Brüdern Niklas und Johannes Kizler.

Was gibt es 175 Jahre nach Erscheinen des illustrierten Originals Neues zu entdecken? Mit moderner Sichtweise statten die Autoren die Kinderfiguren mit Hintergrundgeschichten aus – ihre Unglücksgeschichten sind nach Kizlers Deutung die Quittung für das Versagen der Eltern. So lässt sich der pubertierende Struwwelpeter seine Haare und Fingernägel als Ausdruck seiner Individualität wild wachsen und rebelliert damit gegen seine streng konformen Eltern.

Der Struwwelpeter als rebellischer Teenager – illustriert von Christina Mäckelburg

Der Suppenkaspar leidet nicht an Magersucht, wie in der literarischen Diagnose des Arztes und Psychiaters Hoffmann, sondern unter den schlechten Kochkünsten seiner Mutter.

Die 2020er-Version schockiert nicht, sondern wirbt um Verständnis und Mitgefühl für das leidende Kind. Aber mal ehrlich: Wer ist nicht fasziniert vom grausigen Schicksal der klassischen Kinderfiguren? Warum funktionieren diese alten Geschichten immer noch so gut?

„Schmerz, erzieh mich!“

„Wer nicht hören will, muss fühlen!“ Dieser Satz ist noch heute präsent, obwohl er einer Pädagogik aus dem 19. Jahrhundert entspringt. Der Schmerz hat eine erzieherische Funktion: Das unartige Kind wird für seine Fehler grausam mit Schmerz oder Tod betraft. Die Palette der Qualen ist groß: Das Kind wird entweder verspottet, verstümmelt, verbrannt oder verspeist. Kinder, die über diese grausigen Schicksale lesen, sollen vor Angst in ihrem eigenen Leben gehorsam den Regeln der Eltern und der Gesellschaft folgen.

Besonders drastisch ist der Schmerz als Erziehungsmaßnahme in der Sammlung von Kindergeschichten im „Struwwelpeter“. In der „Geschichte vom Daumenlutscher“ lässt die Mutter das Kind alleine und es tröstet sich mit Daumenlutschen. Zur Strafe werden ihm beide Daumen mit einer Schere abgeschnitten.

In „Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug“ spielt Paulinchen trotz des Verbots der Eltern und der wiederholten Warnungen der zwei Katzen (die als Stimmen von Vater und Mutter fungieren) mit Streichhölzern. Es kommt, wie es kommen muss: das Kind verbrennt qualvoll.

Vergleichsweise milde kommt der Struwwelpeter davon, der sich weigert, sich die Fingernägel schneiden und die Haare kämmen zu lassen. „Pfui! ruft da ein jeder: Garst’ger Struwwelpeter.“

Diese Verspottungen lassen das Kind seelisch leiden. Hier wirken die Mittel der Demütigung und gesellschaftlichen Ausgrenzung auf das Kind ein. Das psychische Leid erscheint zunächst gegenüber körperlichen Schmerzen weniger grausam. Allerdings wissen wir nach heutigen Erkenntnissen in der Psychologie, dass Mobbing tiefgehende Verletzungen in der Psyche eines jungen Menschen anrichtet.

„Schmerz, bring mich zum Lachen!“

In manchen Geschichten ist das Kind nicht Opfer von Quälerei, sondern Täter. In „Max und Moritz“ (1865 von Wilhelm Busch) traktieren die beiden Spitzbuben die braven Spießbürger und deren Tiere mit schmerzhaften Streichen. Der Text wird von schonungslosen Illustrationen begleitet. Der ironisch-spöttische Ton sorgt für Distanz und gibt dem komischen Element Raum. Ja, beim Lesen entsteht ein unwiderstehlicher Lachreiz. Hier zeigt sich ein unerwartetes und doch willkommenes Produkt des Schmerzes: die Schadenfreude. Wer wünscht den Buben nicht Erfolg bei ihren Streichen? Wer hält nicht gespannt den Atem an und möchte sehen, wie die Witwe Bolte den unschuldigen Hund prügelt, wie der Bauch vom Meister Böck mit einem heißen Bügeleisen malträtiert wird, wie dem Lehrer Lämpel das Schwarzpulver in der Pfeife explodiert? Wir wollen diese Leute leiden sehen und lachen voller Schadenfreude über ihre Misere.

Wenn Max und Moritz am Ende von Bauer Mäcke in der Getreidemühle geschrotet und in Einzelstücken vom Federvieh gefressen werden, empfinden wir genauso wenig Trauer um die Buben, wie die Dorfgemeinschaft – nicht weil wir ihren grausamen Tod als gerecht empfinden, sondern weil der Schmerz jemand anderen getroffen hat.

Innere Entlastung und Befreiung durch Schadenfreude

Was lässt den Schmerz so herrlich freudvoll sein? Wir erleben den in Kindergeschichten dargestellten Schmerz aus einer sicheren Distanz, so dass kein Nähegefühl entsteht. Auch die sprachliche Ironie entlässt uns aus dem Mitleid. Anstelle von Mitgefühl empfinden wir Schadenfreude als Gefühl einer „Reinigung“. Unsere eigenen Ängste werden auflöst und wir werden von unterdrückten Gefühlen befreit. Oft sind es soziale Ungerechtigkeiten, die zu unterdrückten Aggressionen führen. Vergleicht man sich mit anderen, kann ein Gefühl von Ohnmacht und Neid entstehen. Dies ist in der heutigen Gesellschaft, die von Konkurrenzkampf und Konsumbildern geprägt ist, aktueller denn je. Aber durch das Unglück wird die Konkurrentin oder der Konkurrent „einen Kopf kürzer“ gemacht. Die Schadenfreude hat damit eine entlastende Wirkung auf die Psyche und löst im Gehirn ähnlich Reaktionen aus, wie bei einer Belohnung.

Was ist also pädagogisch wertvoll an grausamen Kindergeschichten? Es ist nicht der mahnende Zeigefinger und das abschreckende Beispiel. Vielmehr erlaubt die Schadenfreude, die beim Lesen der schmerzvollen Lehrstücke entsteht, einen befreienden Ausbruch aus genau den rigiden Erziehungsmustern, die in diesen Geschichten für schmerzhafte Bestrafung sorgen.

Eine Fassung dieses Artikels ist am 23.04.2020 in der Rheinpfalz (Zweibrücken) erschienen. Hier als pdf, wer es sich anschauen möchte: Lachen mit Max und Moritz_DIE RHEINPFALZ

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