Ich habe freudige Nachrichten für euch: Es haben sich tatsächlich einige zarte grüne Köpfchen aus der Erde geschoben. Zuerst konnte ich es am Samstagabend im Dämmerlicht nicht glauben – „Das ist bestimmt wildes Kraut“, habe ich gedacht.
Aber am Sonntag gehe ich wieder zu meinem Rondell und tatsächlich – zwischen den Pferdeäpfeln recken sich einige (mit dem Zählen tue ich mich schwer, aber es sind 5-8) Sprösslinge mit grün-rötlichem Stiel und einem Doppelblatt hervor – sie sind die Einzigen ihrer Art auf dem Terrain, können es meine Sonnenblumen sein?
Und noch etwas fällt mir in den Blick: Ein Zettel liegt am Rand des Rondells. Darauf steht: „Join uns for a bite – Fra F SL“. Eine Einladung zum Essen?
Hat bestimmt jemand von den Bahnhofgängern hier verloren. Ich mache aus einem Impuls heraus ein Fotos davon, dann bricht plötzlich ein Wolkenbruch herunter und ich rette mich unter das Glasdach der Fahrradständer. Ich vertreibe mir die Wartezeit mit dem Ansehen meiner Fotos.
Auf dem Zettel entdecke ich unter der Schrift noch eine Zeichnung von einem Haus mit Kreuzmarkierung (das Haus gegenüber ist doch noch im Bau oder wohnt da schon jemand?) und einer Blume, die gerade begossen wird. Hat mich jemand auf meinen Gieß-Gängen an 3 Abenden der letzten Woche gesehen? Ist die Nachricht vielleicht an mich gerichtet?
Als der Regenguss vorbei ist, gehe ich den Zettel holen (vielleicht steht noch etwas auf der Rückseite) – aber die Schrift ist verlaufen und kaum noch zu lesen.
Ein rätselhafter und ein bisschen zauberhafter Fund!
Wieder zuhause schaue ich im Internet nach Bildern von Sonnenblumensprösslingen. Sieht doch genauso aus, oder? Was sagt ihr dazu?
Motiviert von diesem Wunder der Natur beschließe ich, meinen Balkon in eine kleine Aufzuchtstation zu verwandeln und meine restlichen Sonnenblumensamen ins Leben zu schicken.
In meinem Keller habe ich Blumenkästen meiner Vormieterin entdeckt, die zwar nach Kellerschimmel riechen, aber nach einem Schaumbad in meiner Dusche wieder frisch für ihren Einsatz sind.
Hier also die „Nachzügler“ meiner kleinen Sonnenblumenfamilie – wenn sie groß genug sind, werde ich sie zu ihren Geschwistern auf das Rondell bringen und miteinander bekannt machen.
Am heutigen Montagmorgen wird die Aktivistin in mir wach und ich bastele ein kleines Transparent und stecke es zu meinen Schützlingen in die Erde. Ich hoffe, es sorgt dafür, dass niemand auf ihnen herum trampelt.
Und die Träumerin in mir hofft, dass vielleicht ein geheimnisvoller Dialog mit anderen Sonnenblumenliebhabern entsteht…