Ein Zimmer in einer Therapieklinik, fünf Stühle stehen im Kreis, darauf sitzen DR. THERAPY, JUDAS, BRUTUS, BATMAN und MEGHAN.
DR. THERAPY: Heute möchten wir ein neues Mitglied in unserer Gruppe willkommen heißen. Möchtest du dich uns vorstellen?
JUDAS (erhebt sich von seinem Stuhl und schaut in die Runde):
Mein Name ist Judas – und ich bin ein Verräter.
STIMMENGEMURMEL: Hallo Judas.
BRUTUS: Moment mal, mein Freund. Die Trademark „Verräter“ habe ich mir schon 75 Jahre vor dir eintragen lassen.
DR. THERAPY: Macht dich das gerade wütend, Brutus?
BRUTUS (hebt seine Hände in einer versöhnlichen Geste, dabei klingeln viele Goldarmbänder um seine Handgelenke): Sorry, nichts für ungut. Also ich bin Brutus und ich bin der berühmteste Verräter der Welt. Der Urvater des Verrats! Fragt nur Dante und Shakespeare. Und guckt mal auf meinem Instagram-Account vorbei: BRUTUS*THE*TRAITOR ™.
DR. THERAPY: Und warum bist du hier, Brutus?
BRUTUS: Weiß nicht. Das Gelabere hier ist Zeitverschwendung.
(Er presst einen Wutball in seiner Faust.)
BATMAN: Ich bin Batman und leide unter dem „Fallen-Hero-Syndrom“. Alle Welt hasst mich. Mein Leben ist sinnlos.
(Er lässt seinen Kopf hängen und guckt trübsinnig auf den Teppich.)
JUDAS: Warum hassen sie dich? Ich dachte, du rettest ständig die Welt.
BATMAN: Das liegt an diesem verdammten Virus. Seit irgendwelche Wissenschaftler behauptet haben, das Virus sei von einer Fledermaus auf den Menschen übergesprungen, hassen die Leute Fledermäuse – also auch mich.
MEGHAN: Ich weiß wovon du sprichst, Batman. Ich bin Meghan und ich werde von der Pressemeute verleumdet und gehetzt. Nur weil ich reich und berühmt bin und meinen Traumprinzen geheiratet habe. Die Leute sind so voller Neid und Missgunst.
(Sie wischt sich eine unsichtbare Träne aus dem Augenwinkel.)
JUDAS: Deine Probleme hätte ich gerne.
MEGHAN: Du hast doch keine Ahnung, wie es ist, in meinen Schuhen zu laufen.
BRUTUS (schaut auf Meghans Schuhe): Jimmy Choo. Kann sich nicht jeder von uns leisten.
MEGHAN: Was willst du damit sagen? Bist du neidisch auf meine Schuhe?
DR. THERAPY: Meghan, wie geht es dir damit, was Judas und Brutus gesagt haben?
MEGHAN: Ihr beiden seid so was von „White Trash“.
DR. THERAPY: Meghan, bitte in Ich-Botschaften sprechen.
MEGHAN (verdreht die Augen): Ich habe den Eindruck, ihr seid so was von „White Trash“.
(Dr. Therapie hebt ermahnend ihren Zeigefinger.)
JUDAS: Können wir mal auf mein Problem zurückkommen? Heute Abend bin ich zu einer Dinner Party mit meinen Kumpels eingeladen. Aber ich weiß jetzt schon, dass sie mir keinen Wein und kein Brot anbieten werden und ich am Katzentisch sitzen muss. Das ist jedes Mal die totale Zurückweisung.
BRUTUS: Ja, das ist Verräter-Diskrimierung. Aber du musst das locker sehen. Du musst deine Identität als Verräter umarmen. So wie ich das mache. Sei stolz auch dich, Bruder! Du bist der zweitberühmteste Verräter der Welt.
(Brutus hebt seine Hand für ein „High-Five“, Judas schlägt nicht ein.)
DR. THERAPY: Judas, wie geht es dir damit?
(Judas runzelt seine Stirn und überlegt.)
MEGHAN: Ihr wisst gar nicht, was Diskriminierung bedeutet. Für euch ist das nur ein Wort, ich erlebe das ständig am eigenen Leib. Hier, diese Nachricht habe ich heute vom neuen „Diversity Czar“ vom Buckingham Palace bekommen: „Eine neue All-colours-welcome-Initiative der Royal Family wird dafür sorgen, dass es bald Pflaster in allen Farbschattierungen im United Kingdom geben wird, damit sich Menschen mit dunklerer Hautfarbe im Drogeriemarkt nicht mehr diskriminiert fühlen, weil es nur helle Pflaster gibt.
BATMAN: Alle hassen mich.
(Er fängt an, ein Mandala auszumalen.)
MEGHAN: Jetzt kommt es – der Czar fragt mich: „Wissen Sie schon, welche Hautfarbe Ihr zweites Kind bekommen wird? Wir möchten eine Pflasterfarbe nach ihm benennen. Den hellsten Farbton haben wir schon nach Archie benannt. Wie Sie sehen, ist der Buckingham Palace jeder Hautfarbe gegenüber aufgeschlossen.“
BRUTUS: Diesem Czar würde ich einen Dolch in die Brust jagen – und der ganzen verlogenen Palast-Bande auch.
DR. THERAPY: Macht dich das gerade wütend, Brutus?
MEGHAN: Brutus, ich finde deine Kommentare total prollig. Du musst mal wieder zum Anger Management.
DR. THERAPY: Bitte Meghan – nur in Ich-Botschaften sprechen.
(Meghan winkt ab und wählt Speeddial 1 für Oprah.)
JUDAS: Ständig lenkt ihr von meinem Problem ab. Ich will nur mal klarstellen: Ich bin kein Verräter! Jesus war mein bester Kumpel. Er hat mich darum gebeten, dass ich ihn an die Römer verrate. Nur so konnte er den Willen seines Vaters ausführen. Was von Markus, Matthäus, Lukas und Johannes über mich geschrieben wurde, ist alles falsch – sie haben mich zum habgierigen Verräter gemacht. Ihr müsst mal die Apokryphen lesen, dort steht die Wahrheit.
BRUTUS: Halleluja! Jetzt hast du es. Das ist der Stoff für eine gute Image-Kampagne. Ich promote dich über mein Instagram.
BATMAN: Alle hassen mich (murmelt er und malt weiter Mandalas).
MEGHAN: Batman, ich finde es super respektlos, dass du hier malst, während wir unsere Seelen entblößen.
DR. THERAPY: Batman, wie geht es dir damit, was Meghan gesagt hat?
BATMAN: Alle hassen mich. Selbst Meister Proper ist beliebter als ich. Dabei hat der gar keine Superkräfte. Nicht mal ein Auto.
JUDAS: Meister Proper macht eben alles strahlend sauber. Aber du machst die Stimmung düster, Batman.
MEGHAN: Ich glaube, Batman braucht eine andere Medikation, Dr. Therapie.
BRUTUS: Wollen wir ein Selfie für meine Insta-Story „Twin-Traitors“ machen, Judas?
(Brutus zückt sein iPhone und die beiden rücken zusammen. Judas gibt Brutus einen Kuss. Sofort stürmen drei Männer in weißen Kitteln herein und reißen Brutus zu Boden und geben ihm eine Spritze. Als sie ihn hinaustragen, steckt einer der Kittelträger Judas ein Tütchen mit Happy Pills zu.)
DR. THERAPY: Nächste Woche machen wir eine Familienaufstellung. Wer möchte seine Familie dargestellt bekommen?
MEGHAN: Ich (meldet sich und bucht sofort einen Fotografen für diesen Tag).
DR. THERAPY: Wer ist bereit, eine Stellvertreterrollen einzunehmen?
JUDAS: Ich bin Harry.
BRUTUS: Verräter (schreiend vom Gang)!