Gespenstersolitüde

Winde heulen

eine Diele knarrt

eine Tür schlägt zu

im Schloss von Tudory

 

Eine Uhr schlägt Zwölf

ein Vorhang bläht sich

ein Gespenst erwacht

im Schloss von Tudory

 

Seine Kunst ist ausgefeilt

griffbereit sind seine Requisiten

es senkt den Schauerschleier das

Gespenst von Tudory

 

Es klappern gelbe Zähne

ohne Lippen ohne Blut

Bühne frei für das

Gespenst von Tudory

 

Im Mondschein glitzert Staub

auf geheimen Gängen

geht mit Kettenrasseln das

Gespenst von Tudory

 

Es lässt die Kerzen flackern

mit seinem kalten Hauch

wer spürt es voller Furcht

im Schloss von Tudory

 

Versteinerte Gesichter

zeigen keine Regung

auf der Ahnengalerie

im Schloss von Tudory

 

Grausig tut es seine Pflicht

geistert Nacht um Nacht

doch niemand sieht es das

Gespenst von Tudory

 

Längst verhallt sind

schrille Schreckensschreie

der Marquise von Albury

im Schloss von Tudory

 

Längst verblichen sind

Grimassen des Entsetzens

vom Gesicht des Grafen Ginsbury

im Schloss von Tudory

 

Sehnend lauschend schleppend

zieht es durch leere Gemäuer

sein Kostüm in Fetzen das

einsame Gespenst von Tudory

10 Antworten auf „Gespenstersolitüde“

  1. Liebe Ulrike,

    wann veröffentlichst du endlich deine Texte mit deinen Bildern? Diese Kombination ist so genial, ich kann mich daran nicht satt lesen , satt sehen und auch satt fühlen, denn beides zusammen katapultiert mich augenblicklich aus dem täglichen Einerbrei in eine besondere Welt des Zaubers ….

    Vielen Dank dafür!

    alles Liebe

    Hedda

  2. Liebe Ulrike,
    so passend zur Jahreszeit, gruselig schön, dunkel düster, schaurig schön, poetisch, einladend, deine Wortmelodie geistert noch lange durch meine Wohnung,
    danke,
    liebe Grüße,
    Mia

    1. Vielen Dank liebe Mia! 🙂 Wenn es heute Nacht in deiner Wohnung Wörter knarrt, weißt du, welches Gespenst bei dir zu Besuch auftanzt…

  3. Dein Gedicht gefällt mir sehr! Was für ein schöner sprachlicher Rhythmus, als Leserin schreite ich zusammen mit dem Gespenst über die knarzenden Dielen. Mit klaren und doch stimmungsvoll aufgeladenen Worten erzeugst du das gruselige Feeling – spooky! Umso überraschender ist der Twist am Ende! Ich fühle mit dem einsamen Gespenst, dessen Geschichte du mit nur wenigen Versen schillernd aufspannst.

    1. Vielen Dank liebe Dorit! 🙂 Das Gespenst lädt dich auf Schloss Tudory ein und hofft, dass du starke Stimmbänder hast. Wenn du dich nicht erschrecken lassen willst, lernt es dich gerne als Spuk-Praktikantin an.

  4. Liebe Ulrike,
    da überkommt mich doch glatt das Mitleid mit dem armen Gespenst von Tudory. Wo ist die Gespenstin, die es erlöst?
    Liebe Grüße
    Anne

    1. Danke liebe Anne! „Gespenstin“ ist eine tolle Namensschöpfung. Die beiden sind wie geschaffen für ein baldiges blind date im dunklen Schloss von Tudory. 🙂

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