Germany’s next Topautorin – Fotoshooting für mein Autorinbild

„Wir brauchen ein Autorenbild von Ihnen für unseren Katalog“, verkündet meine Agentin von Arrowsmith im Dezember. Wie ihr vielleicht schon wisst, bin ich überglücklich, eine neue Agentur gefunden zu haben, die für zwei meiner Romane (Liebe in Frankfurt und Musik im Wien der 1920er Jahre) in diesem Frühjahr 2022 auf Verlagssuche gehen wird. Sie erstellen einen Katalog, wo auf einer Seite die Autorin mit Foto und Vita vorgestellt wird und auf der gegenüberliegenden Seite der Roman mit Pitch und Kurzexposé. Die Texte hierfür habe ich schon geliefert, jetzt fehlt nur noch das Foto.

Warum ist ein Autorinbild wichtig

Jetzt kann man sich fragen, wie wichtig solch ein Autor:infoto wohl für eine Karriere ist. Als Leserin schaue ich beim Buchkauf auf Titel, Cover und Klappentext – wenn mich Inhalt und Optik ansprechen, greife ich zu. Wie die/der Autor:in aussieht, interessiert mich zunächst nicht. Erst, wenn mir ein Buch gefallen hat, schaue ich mir das Foto an und stöbere vielleicht in Social Media, was der/die Autor:in dort so von sich preisgibt.

Aber offenbar ist die Vermarktbarkeit einer (Debüt-) Autorin für Agenturen und Verlage bei der Vertragsanbahnung ein wichtiges (wenn auch sicher nicht entscheidendes) Merkmal – man möchte die Autorin schließlich vorzeigen können bei Lesungen und in Social-Media-Kampagnen. Hierbei kommt es nicht unbedingt auf Schönheit an. Obwohl gutes Aussehen schon immer hilfreich bei der Karriere war, auch im Buchgeschäft, z.B. wird der junge und gutaussehende Benedict Wells auf seinen Lesungen fast nur von weiblicher Leserschaft umschwärmt.

Wichtig scheint mir für das Foto eine sympathische Ausstrahlung zu sein und vielleicht auch etwas Merkenswertes. Auch ist das Autor:inbild meist dem Genre angepasst: Bei Thrillern blicken die Autoren fast immer düster bis diabolisch in die Kamera, ein Lächeln scheint tabu zu sein, erst recht bei „ernster“ Literatur. In der ChickLit (Mädelsliteratur) dürfen die Autorinnen sich auch mal mit blumiger Bluse und einem strahlenden Lächeln zeigen. Meine Agentur schickt mir zudem ein pdf mit einem Dutzend Beispielfotos von Autor:innen in der gewünschten Bildsprache, an die ich mich halten soll. Hier herrscht der „seriöse“ Look vor: Niemand zeigt seine Zähne, kaum Schmuck zu sehen, alle sehr geschäftsmäßig bis bieder (eher Bankberater, als Künstler).

Meine Vorbereitung (Look und Posen)

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf bereite ich mich also auf mein Fotoshooting vor. Ich vereinbare einen Termin für ein „Business-Shooting“ in einem Fotostudio meines Vertrauens. Dann stellt sich die Frage des Outfits. Hier weiß ich von den Beispielbildern, dass einfarbige Oberteile gängig sind (wilde Muster lenken vom Gesicht ab). Mein Kleiderschrank gibt nichts Passendes her, also bestelle ich online drei mintgrüne Blusen (grün passt zu meinem Teint und außerdem spielt die Natur in meinen Romanen auch eine Rolle). Zum Glück ist eine Bluse dabei, die mir gut steht.

Meine Wahl fällt auf die mittlere Bluse, weil sie am elegantesten aussieht.

Was brauche ich noch? Einen frischen Haarschnitt. Zwei Tage vor dem Fotoshooting lasse ich mir also meine zotteligen „Ich-lasse-meine-Haare-einfach-wachsen-Homeoffice-Frisur“ in einen modischen Bob zurückschneiden.

Frisch vom Frisör mache ich eine Generalprobe mit Selbstauslöser vor meiner Weißlichtlampe und probiere einige Posen aus (ja, auch die „Denkerin“ mit Kinn in die Hand gestützt, die ich ein wenig klischeehaft finde). Immerhin weiß ich jetzt, was ich vor der Kamera mit meinen Armen anstellen kann und wie ich am besten meinen Kopf halte.

Das Shooting

Am 24. Dezember um 11 Uhr ist es dann soweit: Ich bin für die Weihnachtstage in die Pfalz zu meiner Familie angereist und meine Zwillingsschwester begleitet mich zum Fototermin als moralische Unterstützung und als Trägerin meiner „Requisiten“: Ein Notebook, eine Grünpflanze und meine Jane-Austen-Lieblingtasse, die mich schon in so mancher langen Schreibnacht gewärmt hat.

Die Fotografin und ihre Assistentin erwarten uns schon. Ich erkläre, was ich mir so vorstelle – beim Business-Shooting darf ich zum Schluss fünf Bilder auswählen, hierbei möchte ich eine Bandbreite von Motiven von Porträt, über Bild mit Torso und mit ganzem Set (am Schreibtisch sitzend).

„Oh, Sie haben sogar einen Teebeutel mitgebracht“, staunt die Fotografin über meine detailgenaue Vorbereitung. Später schenkt mir die Assistentin sogar kochendes Wasser ein, so dass der Tee in der Tasse auch richtig dampft.

Aber los geht es mit einem Kaltstart. Ich soll vor einer weißen Leinwand posieren und fühle mich ziemlich verloren in dieser Leere.

„Jetzt stehen Sie mal ganz locker“, lautet die Anweisung und rechts und links von mir blitzen die Lampen auf, was mich erschreckt blinzeln lässt. Ich verkrampfe mich prompt, verschränke meine Arme vor der Brust, werfe suchende Blicke zu meiner Schwester und versuche, mir meine eingeübten Posen in Erinnerung zu rufen. Wie wollte ich nochmal meinen Kopf neigen, damit meine Augen auch symmetrisch in meinem Gesicht stehen???

„Sie versuchen, sich zu kontrollieren. Das wird so nichts mehr“, stellt die Fotografin wenig ermutigend in den Raum.

„Außerdem gucken Sie immer zu Ihrer Schwester für Anweisungen.“

Eingangs hatte ich ihr erzählt, dass mich sonst immer meine Schwester fotografiert – was diese auch super macht, wir sind ein eingespieltes Team, sie kennt meine „Schokladenseite“ und weiß auch, was mir nicht gefällt. Ganz im Gegensatz zur Fotografin. Diese verbannt meine Schwester nun auf die Besuchercouch in der anderen Zimmerecke. Sie will offenbar die alleinige Regie über das Shooting übernehmen und ich soll mich ihr anvertrauen – was mir schwer fällt.

Von der Leiter aus, wo sie erhöht mit ihrer Kamera steht, fordert sie mich auf:

„Wovon handelt denn Ihr Buch? Erzählen Sie mal.“

Ich stottere herum und grinse zwischendurch, ohne Ankündigung blitzen die Lichter auf.

„Hoffentlich ist mal ein Zufallsschuss dabei, wo ich nicht gerade den Mund beim Sprechen seltsam ziehe“, denke ich.

Eigentlich habe ich eine bewährte Methode, die ich von Joey aus FRIENDS gelernt habe: „Look down, look down“, dann auf Kommando (1,2,3) meiner Fotografin spontan aufschauen, so dass der Gesichtsausdruck nicht erstarrt wirkt. Aber leider gibt mir die Fotografin hier kein Signal, wann sie abdrückt. In Gedanken ringe ich mit ihr um Kontrolle, wie ich in Szene gesetzt werden will. Dann auch in Worten:

„Ich will nicht ständig lachen. Ich muss mal ernst blicken, nur mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen.“

Zwei Mal drückt sie auch ab, aber ich weiß schon, dass ich gequält aussehe. Dann soll ich sitzend mit einem Stuhl posieren. Das sieht blöd aus, merke ich sofort. Immerhin denke ich daran, meine Hände langgestreckt und locker zu halten und keine Kralle zu machen – die gellende Stimme von Heidi Klum aus jahrelangem „Germany’s next Topmodel“ Schauen klingt in meinen Ohren: „Mach schöne Hände und schöne Füße.“

Jetzt traue ich mich doch und äußere meinen Wunsch, mich mal auf eine Stuhllehne zu stützen, mit dem Kinn in die Hand gelegt, so wie ich es zu Hause geübt habe. Immerhin erlaubt sie mir das. Die Assistentin wechselt den Hintergrund zu schwarz und bringt mir einen schwarzen Stuhl mit hoher Lehne. Zwei mal drückt sie ab. Hoffentlich ist hier ein brauchbares Bild dabei.

Dann wechseln wir das Setting. Ich ziehe ein anderes Oberteil an (meine Lieblingsbluse mit Blumen und hoch geschlossenem Kragen). Am Glastisch des Studios richte ich mich ein, die beiden Frauen arrangieren die Pflanzen und Lampen um mich und nun kommt auch die Teetasse zum Einsatz. Hier werde ich endlich lockerer (ein Schluck Tee hilft auch) und in dieser Session taue ich endlich auf, auch die Fotografin ist zufrieden und zeigt mir erstmalig ein Bild auf dem Display.

Nach ca. 20 Minuten ist das Shooting vorbei. Ich bin total erleichtert und mein Unterhemd ist nassgeschwitzt vor Aufregung. Ich komme mir vor, als hätte ich eine Prüfung bestanden und meine Schwester macht mit dem Handy ein paar schöne Bilder „hinter der Ziellinie“ von mir im Set.

Die Auswahl

Im neuen Jahr bekomme ich die Fotoauswahl zugeschickt (22 Stück mit Wasserzeichen, die Fotografin hat schon die offensichtlichen Fehlschüsse aussortiert). Ich bin zunächst enttäuscht, weil wie befürchtet kein einziges gelungenes ernstes Porträt dabei ist, dafür aber einige mit einem „big smile“, was schön ist, aber ich wollte eine Bandbreite.

Hier die Auswahl:

Ich habe mich nun für fünf davon entschieden. Welche das sind, werdet ihr aber erst sehen, wenn ich eine erfreuliche Ankündigung machen kann (Buchvertrag…). Bis dahin sollen die Bilder intern von meiner Agentur verwendet werden.

So, das war nun mein aufregendes Fotoshooting.

Wer von euch hat auch schon Erfahrungen mit einem professionellen Fotoshooting gemacht? Ich bin gespannt auf eure Eindrücke.

Hennis Blog-Adventkalender 2021 – Was wäre, wenn …? Türchen 20

Alle Jahre wieder haben Sabine und Henni zum Blog-Adventskalender eingeladen und ich schreibe gerne mit. Das Thema der Geschichte lautet dieses Jahr: „Was wäre, wenn…“

Was bisher geschah, könnt ihr in diesem pdf nachlesen.

Türchen 19:

„Nein.“, denke ich. „Ich muss überhaupt nichts erklären.“
„Danke.“, sage ich. „Ich nehme lieber einen Apfelpunsch.“
„Okeeee!?!“ Maggie konnte ich schon früher nichts vormachen.
Egal, meine Entscheidung und damit mussten die beiden jetzt leben.
Puh, das fühlte sich auf einmal echt gut an.

Meine Entscheidung!

Nicht mehr nur auf andere Entscheidungen reagieren, sondern endlich mal selbst was in die Hand nehmen. War viel einfacher als ich gedacht hatte.
Da wollte ich gleich weiter machen.
Ich entschied, das ganze ‚was wäre, wenn‘ beiseitezuschieben. Wohin hatte es mich schließlich gebracht? In ein scheinbar unauflösliches Kuddelmuddel von Gefühlen und nicht zu Ende gelebten Geschichten.
Und da war plötzlich ein kleines bisschen Zufriedenheit in mir.
„Wie kommt es, dass ihr mal wieder in der Gegend seid?“, fragte ich und wärmte mir die Finger und die heilende Seele am Apfelpunsch.

Türchen 20:

„Wir ziehen wieder zurück auf’s Land“, sagt Thommie, „nach fast 10 Jahren in New York haben wir die Nase voll vom Großstadtlärm und Gedränge.“

„Wir haben einen alten Bauernhof gekauft“, verkündet Maggie und ihre grünen Augen sind ganz groß. Wie bei einem Reh, das ins Scheinwerferlicht blickt. Die Alarmglocke in meinem Bauch vibriert. Da stimmt etwas nicht. Maggie senkt den Blick und nippt an ihrem Glühwein.

„Papa, ich will nochmal“, klingt plötzlich ein Stimmchen zu uns hoch. Da steht ein Mädchen in einem viel zu warmen Schneeanzug und trampelt aufgeregt in der Pfütze zu unseren Füßen herum, „nochmal, nochmal!!“

Thommie nimmt das Mädchen auf den Arm.

„Das ist unser Allie“, sagt er mit Vaterstolz.

„Schau mal, das ist unsere Freundin. Sie heißt auch Allie.“

Die Kleine wirft mir einen flüchtigen Blick zu.

„Diesmal will ich auf das Motorrad“, ruft sie und zieht Thommie ungeduldig an seinen Ohrläppchen.

„Ich muss dann mal“, sagt er mit einem schiefen Lächeln und geht mit seiner Tochter zum Karussell für eine weitere Runde. Maggie und ich sehen uns an. Früher haben wir uns oft ohne Worte verstanden. Meine Frage liegt in der Luft und Maggie versteht sie.

„Also gut“, seufzt Maggie, „wenn du die Wahrheit wissen willst: Ich hatte einen Burnout. Deshalb habe ich meinen Job in der Bank gekündigt. Ich musste einfach raus aus der Stadt. Raus aus meinem Leben…“

„Du hast doch alles bekommen, was du immer wolltest. Deinen Traummann, deinen Traumjob, ein tolles Kind“, platzt es aus mir heraus. Warum bin ich nur so wütend auf sie? Ich weiß doch selbst, wie es sich anfühlt, wenn alles verkehrt ist. Meine Hand beginnt zu zittern. Was würde ich jetzt für einen Schluck Glühwein geben. Da spüre ich die kalten Fingerspitzen von Maggie auf meinem Handrücken…

Wie es morgen weiter geht, erfahrt ihr bei Sonja.

Hennis Blog-Adventkalender 2021 – Was wäre, wenn …? Türchen 6

Alle Jahre wieder haben Sabine und Henni zum Blog-Adventskalender eingeladen und ich schreibe gerne mit. Das Thema der Geschichte lautet dieses Jahr: „Was wäre, wenn…“

Was bisher geschah (in kursiv):

Sie saß am Schreibtisch im Licht der ersten Kerze vom Adventkranz und las ihre gerade geschriebenen Zeilen noch einmal durch. 

Was wäre, wenn wir über etwas schreiben, was wir nie vergessen haben?“ 

Ein Foto.

Ich auf einem Stuhl im Kindergarten mit einem Buch auf dem Schoß.
Welt im Kopf.
Ich konnte noch gar nicht lesen. 

Ein Foto.
Ich mit Schwimmflügeln im Planschbecken.
Welt im Wasser.
Ich konnte noch gar nicht schwimmen. 

Ein Leben.
Ich mit Stift in der Hand.
Welt in Welt.
Ich kann gar nicht mehr anders. 

Die Ankunft einer neuen Nachricht auf ihrem Smartphone lenkte sie kurz ab. 

Kommst du morgen auch zu unserem Abitreffen? Dreißig Jahre ist es her…“ Ich erschrak. Dreißig Jahre? Ist das wirklich wahr? Wie lange hatte ich nichts mehr von Babette gehört und jetzt auf einmal schrieb sie mir. Woher hatte sie überhaupt meine Nummer?

Bilder tauchten in mir auf: Vom Abiball, bei dem sich meine Haare in Dietmars Sakko- Knopfleiste verfingen und er mich fast skalpierte. Von meiner Deutschlehrerin Frau Zimbella, die meine Leidenschaft für Bücher teilte und die ich wie eine Göttin verehrte. Von Peter, dem Pickel-Peter, neben den sich keiner setzen wollte und der mir immer so leid tat und…

Und dann bohrte sie sich wieder in mein Herz, diese eine Frage, die ich mir schon so lange nicht mehr gestellt hatte. Aus Angst vor der Antwort. Aus Angst vor den Träumen, die mich danach heimsuchten. Aus Angst vor der Begegnung mit dem Damals. Als meine Welt eine Welt in der Welt war. 

Und doch kann ich ihr nicht entkommen. Dieser einen Frage: Was wäre denn geschehen, wenn ich in der einen Nacht nicht aus Thommis Auto gesprungen und in die Dunkelheit gerannt wäre?

Dunkelheit. Auch heute. Der Nachbar von gegenüber schaltet gerade seine Balkonbeleuchtung ein. Adventlich. Klaro. Für die nächsten Wochen wird sein Rentierschlitten ständig durch mein Blickfeld sausen, bunt blinken und doch keinen Zentimeter von der Stelle kommen.

Stillstand. Wie in der mehr als dreißig Jahre alten Frage „Was wäre, wenn …?“ Ich versuche gar nicht erst, mir etwas vorzumachen. Die Frage ist nur eine Ablenkung von der eigentlichen: „Was wäre nicht geschehen, was hätte vermieden, verhindert werden können?“

Natürlich ist das eine Aufforderung zum Tanz, die das Schicksal spöttisch verweigert. Meine Erinnerungen schauen sehnsüchtig zum Rentierschlitten, vergeblich, der wird sich nicht bewegen. Der Wahrheit lässt sich eben nicht mal auf Kufen entkommen. Thommie ist tatsächlich …

Thommie ist tatsächlich danach spurlos verschwunden. Ob er in seine brasilianische Heimat zurückgekehrt ist? Wenn es denn überhaupt stimmte, dass er aus Brasilien stammte. Er hatte sich da eigentlich immer sehr vage ausgedrückt, aber so, dass alle damals dachten, er sei der Sunnyboy von der Copacabana. Sie hatte ihn mit seiner Band das erste Mal auf der Bühne des Jugendklubs gesehen und sich sofort in ihn verliebt. Er war nach seinem Auftritt in der Stadt hängen geblieben und hatte sich als Kellner im Gasthof ‚Zur Post‘ durchgeschlagen. Er hatte ihr von seiner Heimat Brasilien erzählt, dem Urwald, dem endlos langen weißen Strand und dem Wellenreiten. Zunächst hatten sie sich auf Englisch unterhalten, dann hatte er immer besser gelernt, sich auch auf Deutsch auszudrücken. Sie hatte nicht nur ihn, sondern auch seinen Akzent geliebt.

Sie schaute in den langsam einsetzenden Schneefall auf das blinkende Rentierdesaster gegenüber. Was wäre, wenn Weihnachten im Sommer stattfinden würde, ging es ihr durch den Sinn. Ob jetzt in Rio auch diese Weihnachtsungeheuer über die Balkone hetzen, ohne von der Stelle zu kommen? Ob die Weihnachtsplätzen auch bei 30 Grad und mehr schmecken würden? Aus Schokolade sollten die dann aber lieber nicht sein. Ihre Lieblingsplätzchen mit den Whiskey-Kirschen wären dabei sicher witterungsbeständiger. Tief aufseufzend machte sie sich auf den Weg in die Küche…

… und riss die Schranktüren auf. Bald standen die meisten Zutaten für die süße Sünde vor ihrer Nase. Sie krempelte die Ärmel hoch und lächelte. „Seufzen verboten“, schalt sie sich und machte sich an die Arbeit, die ihr eigentlich ein Vergnügen war!  

Als sie das Ei aus dem Kühlschrank nahm, fiel ihr Blick auf den vergilbten Bierdeckel, der zwischen bunten Urlaubskarten unter einem Magneten pappte.  

Thommi. Drei Striche für Bier und 2,60 für Schlammbowle. Die mit Wodka, Kirschen und Vanilleeis. Das war ihr letzter richtiger gemeinsamer Abend gewesen, bevor sich ihre Wege Hals über Kopf getrennt hatten.

Ein komisches Gefühl kroch ihr den Rücken hoch. Sie schüttelte sich.  

Ihr Smartphone vibrierte erneut. Sie wischte notdürftig den Teig von den Fingern und öffnete die Nachricht. Wieder war es Babette.

Türchen 6:

„Ich hoffe, du kneifst nicht. Fast alle haben zugesagt, sogar unsere Lieblingsdeutschlehrerin Frau Zimbella“, lautet ihre Nachricht. Mit zittrigen Fingern tippe ich eine Frage ins Smartphone:

„Hat Maggie auch zugesagt?“

Ich halte den Atem an, bis die Antwort von Babette kommt.

„Ja.“

Maggie kommt also wirklich zum Abitreffen. Maggie, die ich seit jener fatalen Nacht in Thommis Auto vor 30 Jahren nie mehr wiedergesehen habe. Maggie, mit der ich im Sandkasten Kuchen gebacken habe. Maggie, mit der ich in der Schule mein Pausenbrot getauscht habe: Schwarzbrot mit Gouda gegen Weißbrot mit Nutella. Maggie, die an Karneval immer Prinzessin war und ich ihr Hofnarr im zu großen Kostüm von meinem Bruder. Maggie, die mir gezeigt hat, wie man raucht und wie man sich seinen BH ausstopft. Maggie mit ihren blonden Locken und den grau-grünen Augen, in denen immer Abenteuerlust funkelte. Natürlich war sie es, die als einziges Mädchen aus unserer Klasse einen Maibaum bekommen hatte. Zwar von Pickel-Peter, aber egal. Ich war nie eifersüchtig auf Maggie gewesen, wir gehörten zusammen wie Pech und Schwefel, wie Topf und Deckel, wie Fönfrisur und blauer Lidstrich.

Bis Thommi in unser Leben trat. Das Gasthaus „Zur Post“ war zum Treffpunkt aller Mädchen aus unserem Dorf geworden, seit Thommi dort kellnerte und Samstagsabends mit seiner Zwei-Mann-Band dort auftrat. Dann verwandelte sich dieser triste Keller in eine Insel der Glückseligkeit. Wenn Thommi mit seiner rauchigen Stimme sang und dazu mit seinen grazilen Fingern an den Saiten seiner Gitarre zupfte wie ein Liebhaber, träumte sich jedes Mädchen in seine Arme. Er hatte für jede seiner Bewunderinnen diesen speziellen Blick, den er unter seinen langen Wimpern warf. Auch mir sendete er diese magischen Blicke zu. Doch für Maggie hatte er einen besonderen Blick reserviert…

Morgen geht es weiter bei Christina

Eine literarische Agentur finden – der erste Schritt zur Veröffentlichung in einem Publikumsverlag

Ist nun endlich der Moment gekommen, an dem du dein Manuskript in die Welt hinaus schicken kannst – dein „Baby“, an dem du Monate, ja Jahre lang gebrütet, geschrieben und gefeilt hast?

Dann musst du zunächst eine grundsätzliche Frage für dich klären: In welchem Verlag soll dein Roman erscheinen? Hier sollten Wunsch und Wirklichkeit nicht zu weit auseinander klaffen. Eine realistische Einschätzung ist für diese wichtige Weichenstellung nötig.

Die erste Weichenstellung: In welchen Verlag passt dein Manuskript

Handelt es sich bei deinem Roman um Unterhaltungsliteratur (Belletristik)? In welchem Genre ist es anzusiedeln? Eine Übersicht der gängigen Genres findest du hier.

Die großen Publikumsverlage bedienen meist die gängigen Genres wie Krimi, Thriller, Science-Fiction, Historischer Roman und Liebesroman, manchmal auch Fantasy.

Diese „Big Player“ sind PENGUIN RANDOM HOUSE VERLAGSGRUPPE (dazu gehören u.a.: GOLDMANN, HEYNE, BLANVALET, DIANA), HARPERCOLLINS, ULLSTEIN, DROEMER, FISCHER, ROWOHLT, AUFBAU, PIPER, LÜBBE, PENGUIN, DTV. Diese Verlage haben meist noch diverse Imprints, d.h. Unterverlage mit eigenem Namen und oft spezifischer Zielgruppe (z.B. „Eichborn“ gehört zu Lübbe und steht für eher Anspruchsvolles).

Fantasy-Romane findet man z.B. auch bei RAVENSBURGER (Fantasy und Science-Fiction, Jugendbücher) und CARLSEN (Kinder- und Jugendbuch).

Am besten du schaust mal bei deinen Lieblingsromanen und literarischen Vorbildern nach, in welchen Verlagen diese Bücher erscheinen. Wenn dein Manuskript vom Inhalt und Stil vergleichbar ist, dann könnten diese Verlage die richtige Adresse für dich sein.

Oder handelt es sich bei deiner Geschichte um ein (literarisches) Werk, das in keine Schublade passt und eher eine Nische braucht? Also „Arthouse“ anstelle von „Blockbuster“? Kaviar statt Popcorn?

Dann sind wahrscheinlich kleine Independent-Verlage die Richtigen für dich. Wie du dein Manuskript bei einem Indi-Verlag am besten vorstellst, erfährst du in diesem Blogbeitrag.

Wenn du zum Ergebnis kommst, dass dein Roman ein „Blockbuster“ ist und am besten in einen der großen Publikumsverlage passt, dann führt der einzige realistische Weg dorthin über eine literarische Agentur.

Ohne eine Agentur landet dein Werk in den Stapeln unverlangt eingesandter Manuskripte, die sich bei den großen Verlagen türmen und die von Praktikanten im Eiltempo abgearbeitet werden, wenn überhaupt.

Die Agenturen jedoch sind die Türsteherinnen ins gelobte Bücherland, sie kennen die magische Kombination (bestehend aus Insiderwissen, Connections und cleverer Verkaufsstrategie), die die Tresortür des Verlags öffnen kann.

Wenn dein Romanprojekt (in Form von Exposé und Leseprobe) von einer Agentur beim Verlagslektorat vorgestellt und angepriesen wird, steigen die Chancen, dass es gelesen und in Betracht gezogen wird. Eine Garantie gibt es natürlich nicht, aber du hast auch nichts zu verlieren, denn eine seriösen Agentur geht für dich in Vorleistung und die Provision fällt nur dann an, wenn ein Verlagsvertrag zustande kommt.

Einen Agenturvertrag zu bekommen ist also die erste Hürde, die allerdings auch schon ziemlich hoch liegt. Auch hier musst du dich gegenüber von hunderten anderen Einsendungen durchsetzen. Nicht nur die Qualität deines Textes muss überzeugen, sondern auch die professionelle Präsentation (hierzu später mehr).

Welche Agentur passt zu dir?

Der erste Schritt ist, die Agenturen auszuwählen, die zu deinem Manuskript und dir als Autor:in passen. Hier findest du eine Liste aller Agenturen in Deutschland. Alternativ kannst du dir auch auf dieser Seite von Petra Schier einen Überblick verschaffen (hier werden nur die seriösen Agenturen aufgeführt – die Ertellerin ist Vorstand der Autor:innen-Vereinigung DELIA und lässt die Erfahrungen der Mitglieder hier einfließen).

Diese große Auswahl ist zugleich tröstlich wie erschlagend. Welche Agentur sollst du am besten zuerst anschreiben? Die in deiner Nähe? Vielleicht auf Empfehlung von anderen Autor:innen?

Auch bei den Agenturen gibt es große Unterschiede: Es gibt solche mit langer Tradition & Einfluss, die nur Preisträger:innen aufnehmen (z.B. Graf & Graf in Berlin), als Debütautor:in kannst du dir das gleich sparen, du hast dort keine Chance.

Groß und geschäftstüchtig sind auch Agenturen, die mehr als einen Sitz haben, z.B. die Agentur Thomas Schlück (Hannover und München). Der Nachteil solcher Agenturen ist, dass du als Autor:in dort evtl. nicht so individuell betreut wirst, wie bei einer kleinen Agentur, und dass deren Fokus ausschließlich auf den „Big Playern“ liegt und sie nicht für dich bei den kleinen Verlagen anklopfen gehen (weil dort der Vorschuss und somit auch die Provision zu gering für sie ist).

Dann gibt es die ganz kleinen „Dynamischen“, die angeblich auch Neulingen eine Chance geben, dafür ist ihre Provision höher (20 %; obwohl auch die „Großen“, die früher 15 % genommen haben, wegen Corona-Flaute auf diesen Prozentsatz aufgestockt haben) und ihre Vermittlungsquote (vermutlich) geringer.

Jede Agentur hat jedoch eine bestimmte Ausrichtung und auch bestimmte Verlage (Lektor:innen), mit denen sie besonders gut zusammenarbeiten. Das erfährst du, wenn du dich durch die jeweilige Homepage klickst und dir anschaust, welche Sorte Romane sie an welche Verlage vermittelt haben. Das ist Fleißarbeit, aber sehr erhellend.

Ich rate dir an dieser Stelle, eine Tabelle anzulegen, in der du jede Agentur einträgst, die du dir angesehen hast und dir Notizen machst: Welche Romane ähneln dem deinen, an welche Verlage vermitteln sie, wie groß ist die Agentur und wie zusammengesetzt – oft stellen sie sich mit ihrem Team vor. Wenn du z.B. einen Frauenroman geschrieben hast, ist natürlich eine Agentur mit vielen Frauen im Team (und in der Leitung) zu bevorzugen, anstelle von einem reinen Herrenclub.

Du kannst aber auch sprichwörtlich „Das Pferd von hinten aufzäumen“ und von deinem Wunschverlag die Spur rückwärts verfolgen über eine Autorin zur Agentur.

Wenn du zum Beispiel Young-Adult-Fantasy schreibst und im Fischer Verlag landen willst, dann stößt du dort auf die Silber-Trilogie von Kirsten Gier und findest auf deren Homepage ihre Agentur: Die Buchagenten Petra Hermanns und Christiane Düring in Frankfurt.

Nun hast du einige passende Agenturen gefunden. Ich empfehle nun, deine drei Favoriten auszuwählen und diese anzuschreiben. Wenn eine Agentur Interesse hat, meldet sie sich in der Regel innerhalb von 2-4 Wochen bei dir (manchmal dauert die Prüfung auch länger) und fordert das Gesamtmanuskript an. Damit sich deine Suche nicht über Jahre hinzieht, solltest du dir viele Chancen schaffen, z.B. jeden Monat drei „Bewerbungen“ verschicken.

Was erwartet die anzuschreibende Agentur von dir

Schau dir die Homepage der Agentur genau an und finde die Angaben zur Manuskripteinsendung: Meist gibt es einen eigenen Reiter oder du findest Angaben unter „Kontakt“. Hier steht, welche Unterlagen du an welche Stelle senden sollst: Meist per E-Mail, manchmal gibt es ein Online-Formular, manchmal in Papierform (lose Seiten) per Post.

Immer gefordert werden ein Exposé (1-3 Seiten), eine Leseprobe (20-50 Seiten) – halte die jeweiligen Seitenvorgaben möglichst genau ein – und eine Autorenvita mit Verzeichnis von Veröffentlichungen.

Bei digitaler Zusendung wird meist das pdf-Format bevorzugt, aber Word oder Open Office gehen auch.

Sende niemals das gesamte Manuskript unverlangt zu.

Wie du dein Romanprojekt am besten bei einer Agentur vorstellst

Hier gelten im Prinzip dieselben formalen Regeln, wie auch bei einer Jobbewerbung: Du brauchst als Erstes ein kurzes und knackiges Anschreiben (1 Seite) mit den wichtigsten Information. Das Anschreiben vermittelt den ersten Eindruck und kann schon das k.o. bedeuten, wenn dieses nicht gut ist.

In formaler Hinsicht ist es ein Geschäftsbrief: Briefkopf mit deiner Adresse, vollständige Anschrift des Empfängers, Ort und Datum. Der Betreff sollte lauten: „Manuskriptangebot: Titel und Genre“

Bei der Anrede ist es besser, du sprichst eine konkrete Person an, als das pauschale „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu verwenden. Wenn auf der Homepage der Agentur eine bestimmte Ansprechperson genannt ist, dann schreibe diese namentlich an, sonst den/die Inhaber:in der Agentur.

Erster Absatz: Warum wendest du dich an gerade diese Agentur

„Ich bin auf Ihre Agentur aufmerksam geworden, weil Sie Autorinnen wie XY („Z“ aktuellen Roman nennen) vertreten und sich mein (Genre-) Roman mit (Attribut einfügen: was verbindet meinen Roman mit dem zuvor genannten) gut / bestens dort einreihen könnte.“

Ein Einleitungssatz wie „hiermit möchte ich Ihnen mein Romanprojekt vorstellen“ ist eine bloße Floskel und somit verzichtbar. Der Betreff drückt das schon aus.

Zweiter Absatz: Was hast du anzubieten

Stelle dein Romanprojekt vor: Kurzpitch (1-2 Sätze).

Marktvergleich: Mein Roman ist so ähnlich wie… (d.h. passt in den Trend)

USP (unique selling point) / Alleinstellungsmerkmal: aber besonders, weil… (hebt sich von der Masse ab)

Dritter Absatz: Wer bist du

Stelle dich selbst vor: Welche Stipendien (z.B. Stadtschreiber:in) und Preise hast du schon gewonnen. Hast du schon Texte veröffentlicht (hier aber kein Selfpublishing nennen). Wenn du nichts Hochkarätiges vorzuweisen hast, dann lasse diesen Absatz weg. Deine kleinen Schritte Richtung Autor:innenberuf kannst du in deiner Vita darstellen.

Letzter Absatz: „jungfräulicher“ Status und unaufdringlicher Ausklang

„Ich habe das Manuskript gerade fertig gestellt und noch keinem Verlag angeboten. Bei Interesse sende ich Ihnen gerne das vollständige Manuskript zu. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.“

Agenturen wollen „frische“ Manuskripte. Wenn du damit schon bei zig Verlagen hausieren gegangen und abgelehnt worden bist, dann ist es aus Sicht einer Agentur „verbrannt“.

Also von der Reihenfolge her: Immer zuerst auf Agentursuche gehen, wenn diese keinen Erfolg hat, dann selbst auf Verlagssuche gehen (wobei hierbei die kleinen Verlage chancenreicher sind).

Nach diesen DO’s hier einige DON’Ts:

Schreibe keinesfalls Dinge wie:

„Sie können sich glücklich schätzen, als Erster meinen Roman lesen zu dürfen.“

„Meine Testleser / meine Deutschlehrerin waren hellauf begeistert von meinem Roman.“

Auch Selbstbeweihräucherung (wie in Jobbewerbungen üblich) sind hier fehl am Platz:

„Der Text überzeugt durch seinen virtuosen Schreibstil.“

„Ein Roman in Stil von XY (berühmte/n Autor:in nennen).“

Einzig das lobende Adverb „gründlich recherchiert“ ist m.E. okay, z.B. bei einem historischen Roman, dieses jedoch auch belegt durch Quellenangaben im Anhang der Leseprobe.

Verwende keine Emojis und auch Humoriges ist ein zweischneidiges Schwert (im Zweifel wird deine Ironie nicht verstanden).

Was auch nicht gut ankommt: Ein selbst designetes (oder professionelles) Buchcover mitzuliefern. Die Vermarktung soll dem Verlag überlassen werden.

Die perfekte Autorenvita

Hier hast du Gelegenheit, dich ins rechte Licht zu rücken. Zeige, dass du ein/e Wunschautor:in bist: Fachlich kompetent, eine faszinierende Persönlichkeit und medienwirksam.

In formaler Hinsicht: Die Vita ist in der dritten Person abzufassen (nicht in der Ich-Form).

Inhaltlich: Führe die wichtigsten Stationen deines beruflichen und persönlichen Werdegangs auf. Stelle hierbei einen Zusammenhang zwischen dir und deinem Roman her: Was macht dich zur Expertin auf diesem Gebiet? Entweder durch deinen Beruf oder dein Hobby. Wenn dein Roman in einem bestimmten beruflichen Milieu angesiedelt ist, kommt es gut an, wenn du selbst dort Einblicke hast.

Wo spielt dein Roman? Ist der Schauplatz deine Heimatregion oder hast du diese (exotische) Region schon oft bereist?

Stelle Parallelen zwischen dir und deinen Figuren her. Ist deine Heldin eine Köchin, dann erwähne deine eigene Kochleidenschaft. Spielt z.B. Musik eine Rolle in deiner Geschichte, dann klingt es gut, wenn du selbst ein Instrument spielst oder in einem Chor singst. Natürlich sollst du nichts frei erfinden.

Obwohl es auf dem Buchmarkt gängige Praxis ist, dass Verlage sich die perfekte verkaufsfördernde Autorenfigur mit Pseudonym, Stockfoto und fiktiver Vita komplett neu erschaffen (wie du hier nachlesen kannst). Soweit solltest du bei der Agentursuche jedoch nicht gehen. Aber zeige die Facetten von dir, die zu deinem Roman passen.

Was auch gut ankommt und genannt werden sollte, sofern es zutrifft: Du bist Teil einer Schreibgruppe oder einer Lesebühne, du hast dir als Poetry Slammer:in einen Namen gemacht, du bist auf Social Media aktiv und hast viele Follower.

Schau dir als Vorbild die Vitas auf den Webseiten der Verlage oder auf der Umschlagseite der Bücher in deinem Regal an. Manche klingen (für meinen Geschmack) sehr langweilig (ob eine Autorin drei Katzen hat oder am liebsten mit ihrem Hund spazieren geht, interessiert mich ehrlich gesagt nicht).

Hier einige gelungene Beispiele: Marc-Uwe Kling (ein „Buchstabendurcheinanderbringer“, sein Humor tritt zutage), Doris Cramer (Expertise zum Schauplatz Marokko), Heinrich Steinfest („Nesthocker und preisgekrönter Autor“, interessante Widersprüchlichkeit), Jeanette Limbeck (Debütroman: Expertise zum Schauplatz Russland, in der längeren Fassung der Vita eine originelle Anekdote, die zum Abenteuergeist der Heldinnen des Romans passt: „… zu Fuß den Fluss Amudarja überquert“).

Wenn du ein Foto beifügst, dann nur eines aus dem Fotostudio (z.B. Bewerbungsbild), kein Selfie oder Urlaubsschnappschuss.

Weitere Tipps zur professionellen Autorenvita findest du auch hier.

Ein überzeugendes Exposé und Leseprobe sind natürlich auch essentiell. Hierauf werde ich in einem nächsten Blogbeitrag noch näher eingehen.

Beharrlichkeit, Geduld und Glück

Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Suche nach der für dich und dein Manuskript passenden Agentur. Lass dich nicht von Absagen entmutigen. Auf dem langen Weg bis zur Veröffentlichung deines Romans brauchst du viel Beharrlichkeit, Geduld und Selbstvertrauen – und eine Portion Glück!

Ich bin diesen Weg auch gegangen und habe nach monatelanger Suche eine tolle Agentur gefunden. Die Empfehlungen in diesem Beitrag gründen sich auf meine eigenen Erfahrungen, auf den kollegialen Austausch mit anderen Autor:innen und auf Recherche zum Thema (Ratgeber u.a.).

Ich hoffe, dieser Beitrag ist hilfreich für dich. Weitere Beiträge rund um das Autor:innenleben und den Buchmarkt findest du auf dieser Übersichtsseite.

Wenn du mehr über die Arbeit einer Literaturagentur erfahren möchtest, kann ich dir diese Interviews empfehlen, die interessante Einblicke geben:

Interview mit 7 etablierten Agent:innen : Uwe Neumahr (AVA), Natalja Schmidt, Andreas Brunner, Lianne Kolf, Michael Gaeb, Bastian Schlück, Holger Kuntze (Agentur Meller)

Interview mit Agentin Elisabeth Botros von der Agentur Gaeb & Eggers (Berlin) vom 27.02.2022

Die Literarische Agentur Michael Gaeb und Petra Eggers bietet Autor*innen Unterstützung von der ersten Projektidee, über Lektorate, Verlagsvertragsverhandlung bis hin zu Auslands- und Filmrechten an. In der Agentur sind Sie für die Bereiche Literatur, Unterhaltung und Sachbuch zuständig.

Klaus und Michaela Gröner im Interview von Annika Bühnemann 2016

Blaulichtpirat

Wieder hat meine Schreibfreundin Mo eine tolle Collage aus Worten und Bildern erstellt, die mich zu folgendem Gedicht inspiriert hat:

Blaulichtpirat

Wie es wohl wäre

unter Wasser zu leben

an tintenschwarzen Tagen

für einen Lichtschimmer

als Blaulichtpirat

 

Wie es wohl wäre

dem Strudel zu folgen

mit tosendem Ahoi

um Meer zu sein

als Blaulichtpirat

 

Wie es wohl wäre

die Luft anzuhalten

lange genug um Sterne zu sehen

im Dunkel der Ohnmacht

als Blaulichtpirat

 

Welche Assoziationen löst das geheimnisvolle Wort „Blaulichtpirat“ bei dir aus? Wenn du auch ein Gedicht beisteuern möchtest, nur zu: Schreibe deinen Text in den Kommentar und ich füge ihn gerne hier ein.

Hier eine wundervoll leuchtende lyrische Antwort von Mo:

Blaulichtpirat – Versuch einer Antwort

An immerschwarzen Tintentagen
trag ich gelassen
meinen eigenen Schimmer Licht vor mir her
bin Blaulichtpirat
erleuchte das Meer

Im Strudel des Lebens
halt ich mich fest
an meinem eigenen Stern
er leuchtet für mich
bin Blaulichtpirat
& teile mein Licht

Die Ohnmacht im Dunkel
kenne ich gut
manchmal nimmt sie mir den Atem
aber niemals den Mut
er ist die Glut
in meiner Laterne
bin Blaulichtpirat
ein Leuchtfeuer im Meer der Sterne

„Kawumm“ – leise bis laute Lyrik

Meine Schreibfreundin Mo hat eine wunderbare Collage erstellt, die mich zu diesem Gedicht inspiriert hat – gut genießbar als Medizin gegen Melancholie. Danke Mo für die Wörter und Bilder!

Ich wünsche euch einen farbenprächtigen November.

 

Anschnallen

BITTE

zwischen den Zeilen

brennt ein Leuchtfeuer

im Raktenstart der Farben

die sternklare Nächte

blass erscheinen lassen

zwischen einatmen

und ausatmen

macht es

wundersam wild

KAWUMM

bist du schon geheilt?

Brombeere – lyrische Hoffnung

„Hoffnung“ lautet das Thema des Gedichtwettbewerbs 2021 der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte. Ich habe hierzu mein Gedicht „Brombeere“ eingereicht, was es sogar unter mehreren tausend eingereichten Beiträgen unter die Auswahl der Jury zur Veröffentlichung in der Anthologie „Ausgewählte Werke XXIV“ geschafft hat. Viel Freude beim Entdecken:

Brombeere

Ein Dornenstrauch

der noch nie geblüht noch nie

eine Frucht hervorgebracht hat

steht auf Sand

 

Du wartest

auf die erste Brombeere

die wundersam wachsen wird

aus diesem Stand

 

Dein Frühling ist vorüber

Hellgrün welkt dahin

in gleißender Sonne

wird zu Staub

 

Du fragst dich

ob aus Ödnis wieder Eden werden kann

im lilaroten Herbst

zur Erntezeit

 

ENDLICH

 

Eine Brombeere

ziert die Dornen mehr als Lorbeer

deine Hand zerstochen

deine Zunge dunkelrot

 

Fruchtiger Lohn

am Ende der Dürre

schließt sich der Bogen

aus Brombeerhoffnung

Welche Gefühle und Erinnerungen verbindet ihr mit der Brombeere?

Blogparade: Ein tierischer Urlaub

Hiermit lade ich alle Schreibfreudigen zur tierischen Urlaubs-Blogparade ein.

Das Thema: Urlaub – selbst erlebt oder frei erfunden

Die Challenge: Bringe so viele tierische Sprachfiguren ein, wie in deinen Text passen.

Ist euch schon mal aufgefallen, wie viele Redewendungen, Vergleiche und Metaphern es rund um unsere tierischen Mitbewohner gibt?

Zahlreiche Tiere finden sich in zusammengesetzten Substantiven wieder: z.B. Unschuldslamm, Nachteule und Baulöwe.

Dann gibt es die Eigenschaften, die bestimmten Tieren zugeschrieben werden: z.B. fleißige Biene, harter Hund, diebische Elster.

Außerdem gibt es viele Vergleiche: z.B. wie eine Motte ins Licht, wie ein Storch im Salat, wie ein Elefant im Porzellanladen.

Darüber hinaus gibt es noch geflügelte Worte wie: einen Frosch im Hals haben, einen Bärenhunger haben, den Vogel abschießen.

Ich schlage vor, dass ihr im ersten Schritt ein kleines Brainstorming macht und eine Liste schreibt mit allen Tier-Redewendungen, die euch einfallen (es gibt noch viele mehr, als oben genannt – aber meine Beispiele dürft ihr natürlich gerne aufgreifen).

Im zweiten Schritt schreibt dann spontan eine Urlaubsgeschichte dazu und lasst euch von eurer tierischen Wörtersammlung inspirieren.

Prosa und Lyrik sind gleichermaßen willkommen. Die Blogparade läuft bis zum Ende der südlichsten Sommerferien, also bis zum 13. September.

Wie machst du mit: Poste den Link zu deinem Blogbeitrag unten in einen Kommentar. Wenn du keinen eigenen Blog hast, sende mir gerne deinen Text per Mail (ulgu1[at]web.de), ich veröffentliche ihn dann hier.

Ich freue mich auf eure tierischen Texte.

Den Anfang der Parade mache ich selbst mit einem Urlaubsgruß der Freundinnen Birdy und Bee – halb erfunden, halb selbst erlebt.

Liebe Nesthocker,

sonnige Grüße von euren Paradiesvögeln aus dem Süden nach Balkonien Germania. Hier herrscht eine Affenhitze am Strand, dafür ist die Klimaanlage im Hotelzimmer schweinekalt. Bee hat sich leider schon eine Erkältung eingefangen – und einen Sonnenbrand dazu – das muss man erst mal schaffen. Das Hotel ist gerade fertig gebaut und wir sind so was wie die Versuchskaninchen. Alles noch glänzend neu und tip-top – wir fühlen uns pudelwohl. Auch das Essen ist super lecker – wir haben all inclusive – da gucken die Neidhammel ohne Armbändchen immer ganz belämmert, wenn wir uns den dritten Eisbecher on the house holen.

Eigentlich kräht da jetzt kein Hahn mehr nach, aber ich will euch trotzdem vom Hinflug erzählen: Wir Unglücksraben haben nämlich verschlafen (der Abflug sollte um 5:55 Uhr in der Frühe sein) und mussten ein sauteures Taxi rufen, das mit 180 Sachen zum Flughafen gedüst ist – nur um dort festzustellen, dass sich unser Abflug um 2 Stunden verspätet. Iiiiaaaaa! So ein Lackaffe am Schalter hat dann behauptet, mein Koffer wäre zu schwer, also musste ich auch noch für Übergepäck bezahlen. Aber den Vogel abgeschossen hat dann die Brillenschlange von der Security, die mich von oben bis unten ge-strip-searched hat, dabei hatte ich nur ein zerknülltes Taschentuch in der Hosentasche und nicht mal einen BH mit Metallbügeln an – alle Leute haben geglotzt und ich war voll das schwarze Schaf. Bee hat dabei geschimpft wie ein Rohrspatz, aber geholfen hat es nüscht.

Für morgen haben wir eine Rundfahrt über die Insel gebucht – ich Sparfuchs habe natürlich das günstigste Angebot rausgesucht. Ich musste die Katze im Sack kaufen, weil es den Flyer zur Rundfahrt nur in der Landessprache gab – und das kam mir ziemlich spanisch vor. LOL.

Tierische Urlaubsgrüße

Birdy & Bee

Hier läuft die Parade weiter:

Bei Sonja hat der Erste Offizier auf einer Kreuzfahrt ganz schön Schmetterlinge im Bauch.

Bei Anne regnet es Katzen und Hunde auf eine tapfere Wandersfrau, die mit Bärenhunger in eine Kneipe einkehrt und dort mit einem falschen Hasen ihr blaues Wunder erlebt.

Bei Sabine springt die Erzählerin wie von der Tarantel gestochen in die Höhe, als sie erfährt, dass sie einen Urlaub auf einem Hausboot gewonnen hat. Oder hat ihr jemand einen Bären aufgebunden?

Die Collage von Mo ist ein farbenfroher Rausch der Sinne, wo Schmetterlinge unsere Gedanken fliegen lassen und wir uns im Grashüpfergras ausruhen können.

 

Was der Buchmarkt verlangt: Trilogien vom Reißbrett – deutsche Frauenschicksale mit Lokalkolorit

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich die verkaufsfördernde Figur des Autors auf dem Buchmarkt unter die Lupe genommen, heute möchte ich zeigen, welche Stoffe zurzeit im Trend liegen.

Der Weg von der Debüt-Autorin zur Profi-Autorin mit Veröffentlichung in einem Publikumsverlag ist ein langer und beschwerlicher, gepflastert mit Zurückweisungen und Enttäuschungen. Die Pforte ins gelobte Land der Verlagswelt ist nur einen winzigen Spalt weit geöffnet und die Literaturagent:innen sind die Torwächter:innen, die eine erbarmungslose Auslese vornehmen.

Wenn man es jedoch einmal geschafft hat, werden offenbar auch mittelmäßige bis schlechte Manuskripte von den Verlagslektor:innen durchgewunken – Hauptsache, die/der Autor:in hat schon einen bekannten Namen – nur so kann ich mir erklären, warum ich schon so oft so unausgereifte oder hingeschluderte Bücher gelesen habe.

Nach meinen Erfahrungen der letzten Monate scheint es weniger auf die schriftstellerische Qualität eines Manuskripts anzukommen, damit man als Debüt-Autorin bei Agenturen oder Verlagen durchdringen kann, sondern es zählt alleine die Vermarktbarkeit eines Stoffes. Hier scheint es ganz feste Schubladen und Labels zu geben, die bedient werden müssen.

Bei meiner Marktschau zu Romanen für Frauen (also dem Genre, in dem ich selbst schreibe) haben sich für mich folgende Erfolgsparameter heraus kristallisiert:

  • bekannte Marke, Institution oder berühmter Name (Künstler, Erfinder, Denker wie in „Fräulein Einstein„, Politiker wie in „Lady Churchill„) kommt vor
  • Deutschland als Schauplatz, vorzugsweise starker Bezug zu einer Region (Lokalkolorit)
  • Frauen- oder Familien-Schicksal in bewegten Zeiten (19. und 20. Jahrhundert)
  • Serien-fähig, am besten eine Trilogie

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Programm der Aufbau Verlage: „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“ – auch hier dienen große Namen als Zugpferde: Maria Callas, Edith Piaf, Coco Chanel, Grace Kelly, Marlene Dietrich, Frida Kahlo und Maria Montessori. Das Feld scheint mir aber schon ziemlich abgegrast zu sein.

Bei diesem eng eingezäunten Trend-Feld der Verlage wundert es nicht, dass die Agentur Lianne Kolf auf ihrer Homepage schreibt:

„Manuskripteinsendungen
Aktuell suchen wir Historische Romane mit den folgenden Eckdaten:
*Weibliche Protagonistin/nen
*Zeitraum: Ende des 19. Jahrhunderts – ca. 1960er Jahre
*Handlungsort: Deutschland mit Bezug zu Nachbarländern
*Reihenfähig; pro Band ca. 300-350 Normseiten“

Diesen Trend verfolgt zurzeit Bastei Lübbe sehr intensiv: „Starke Frauen in bewegten Zeiten“ lautet das Motto ihres Programms. Auf einer Landkarte Deutschlands findet man zu jeder Region ein Frauenschicksal in bewegten Zeiten – natürlich immer als Trilogie.

Der Verlag kooperiert mit der Lesejury“ ­– hier erhalten Lesebegeisterte kostenlose Exemplare vor dem Erscheinungstermin und verfassen hierfür Rezensionen – meisten sehr wohlwollend bis enthusiastisch (sehr effektives und kostengünstiges Marketing). Ich habe mich auch dort als „Wortfee“ angemeldet – um meine Konkurrenz zu analysieren und zu lernen, wie man schreiben muss, um veröffentlicht zu werden. Mittlerweile habe ich schon zwei Lübbe-Romane rezensiert.

Meinen Einstand hatte ich mit dem zweiten Teil der Trilogie „Palais Heiligendamm“ (also Ostsee mit Hotelstory kombiniert in 1920er Jahren bis in die Nazizeit). Das Machwerk hat mich alles andere als überzeugt. Meine kritische Rezension könnt ihr hier nachlesen (*** „Flache Figuren enttäuschen“). Ich hatte den Eindruck, bei dieser Trilogie handelte es sich um ein Auftragswerk seitens des Verlags bei der etablierten Autorin, die dann vom Reißbrett diese dünne Story geschrieben hat, die perfekt in die Verkaufsschublade des Verlags passt.

Ein zweites Erfolgsrezept ist: Die eigene Familiengeschichte. Seit über einem Jahr steht „Zwei Handvoll Leben“ von Katharina Fuchs erschienen bei Droemer Knaur auf der Spiegel-Bestsellerliste. Diesen Roman habe ich gelesen – hier muss ich zugeben, dass die Autorin wirklich gut schreiben kann und die Geschichte ihrer beiden Großmütter (vom ersten Weltkrieg über die 1920er Jahre in Berlin, dort im KaDeWe, bis zum Ende des zweiten Weltkriegs – also hochdramatische Zeiten deutscher Geschichte aus dem Erleben von zwei einfachen Frauen) packend und authentisch erzählt hat. Ich war so angetan, dass ich mir auch die Fortsetzung „Neuleben“ über ihre Tante und Mutter (in West-Berlin und DDR der 1950er Jahre) gekauft und mit viel Vergnügen gelesen habe.

Hiermit scheint ein weiterer Trend etabliert zu sein: Die Geschichte und Figuren sollen „echt“ sein.

Wenn ich an meinen Antarktis-Roman denke, dann hätte ich bestimmt schon einen Verlag gefunden, wenn Caroline Mikkelsen meine Großmutter wäre (oder ich mich einfach als ihre Nachfahrin ausgeben würde) und ich das Manuskript mit dem Label: „meine wahre Familiengeschichte“ versehen könnte.

Das bringt mich wieder zurück zur Frage, ob ich als Autorin nur über selbst Erlebtes (mittelbar über Familienbande) schreiben darf oder ob ich nicht genauso gut einer historischen Person über gute Recherche nahe kommen kann. Ich bin von Letzterem überzeugt.

Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob ich nicht auch die bewegte Kriegsgeschichte meiner Großeltern erzählen könnte. Hier kenne ich einige eindrucksvolle Erzählungen und mein Opa väterlicherseits hat auch Aufzeichnungen gemacht, auf die ich zurückgreifen könnte. Trotzdem weiß ich nur Bruchstücke und kenne nur die Episoden, die als „kindertauglich“ im Familienkreis erzählt wurden. Auch bei der Geschichte meiner Großeltern müsste ich sehr genau recherchieren.

Meine Vorfahren (Ur-Großeltern)

Aber ich spüre, dass ich eine innere Hemmung habe, die Erlebnisse meiner Großeltern für einen Roman zu „melken“.

Außerdem habe ich die verklärte liebevolle Sicht eines Kindes auf Oma und Opa – diese müsste ich als Autorin abstreifen und einen nüchternen bis schonungslosen Blick auf meine Großeltern werfen (Wie haben sie sich in der Nazi-Zeit verhalten? Haben sie auch Schuld auf sich geladen?). Das will ich aber eigentlich nicht. Mir fehlt die nötige schriftstellerische Distanz zu den Figuren, ich fühle mich befangen. Ich fürchte, eine freie Figurenentwicklung und dramaturgische Verdichtung wäre mir nicht möglich. Ich komme zu dem Schluss, dass ich nicht über meine Familienmitglieder schreiben möchte. Wenn ich historische Personen für einen Roman auswähle, dann möchte ich mich ihnen völlig unvoreingenommen und unbefangen nähern.

FAZIT: TRENDS NACHJAGEN ODER EIGENER ÜBERZEUGUNG UND INSPIRATION FOLGEN?

Was ziehe ich also nach dieser Marktschau für Schlüsse für meine zukünftigen Romanprojekte – die bitteschön in einen Trend der Verlage passen sollen, damit ich nicht nur für die eigene Schublade schreibe?

Ich denke, es tut weder der Kreativität noch dem schriftstellerischen Ergebnis gut, wenn ich als Autorin stumpf einem bestimmten Trend nachjage oder ein ausgeleiertes Strickmuster reproduziere.

Der Stoff soll mich begeistern, ich will dafür brennen – so wie bei meinem Wiener-Oper-Roman, den ich mit Feuereifer und Herzblut geschrieben habe, obwohl meine damalige Agentin mir davon abgeraten hat – das Klassik-Thema sei nicht massentauglich, bei Verlagen würden da sofort die Rollladen runter gehen. Ob das wirklich so ist, muss sich noch zeigen – ich biete mein Manuskript aktuell an.

Es wäre jedoch naiv, Markttrends völlig zu ignorieren. Ich denke, es kann nicht schaden, einige Erfolgselemente aufzugreifen und einzubauen – wenn sie zu meiner individuellen Geschichte passen.

Passen Autorin und Roman zusammen? Fiktive Autorenbiografien auf dem Buchmarkt

Muss ich mich als Autorin neu erfinden, um auf dem Buchmarkt erfolgreich zu sein?

Ja, lautet die Antwort aus meinen Erfahrungen der jüngsten Zeit. Mit meinen zwei historischen Romanen habe ich es trotz Agenturvertrag bisher nicht geschafft, einen Verlag zu finden.

Liegt es vielleicht an meinen Stoffen, die nicht in die aktuellen Trends und Schubladen der Verlage passen? Dieser Frage gehe ich im nächsten Beitrag noch nach.

Aber es gibt noch einen weiteren Faktor, der mir bei der Vorstellung meiner Manuskripte an literarische Agenturen vor Augen geführt worden ist: Die Figur des Autors/der Autorin muss perfekt zum Roman passen!

Diese erschreckende Erkenntnis habe ich kürzlich gemacht, als ich meiner (Ex-) Agentin (einer großen Mainstream-Agentur) drei meiner neuen Romanprojekt gepitched habe.

Eine Romanidee soll in der DDR der 60er Jahre spielen. Die Antwort der Agentin lautete:

Aus unterschiedlichen Gesprächen mit Lektoren zu DDR-Themen kam immer wieder ein ganz wichtiger Punkt zu Sprache: Man erwartet dafür vom Autor eine hohe „Mitsprache“-Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Oder anders ausgedrückt: Man mag sich von einem West-Autor nicht die DDR erklären lassen. Ich weiß tatsächlich aus dem familiären Umfeld, dass dies nach wie vor  ein sehr heikles Thema zwischen ehemaligen Ostdeutschen und Westdeutschen ist.  Erst neulich fragte ein Verlag bei mir an, ob eine Autorin sich vorstellen könne, eine OST-WEST – Geschichte zu schreiben, und es wurde betont, es müsste eine Autorin mit Ost-Vergangenheit sein (aus vorgenannten Gründen). Daher würde ich zu diesem Projekt nicht raten können.“

Auch eine weitere Roman-Idee (drei Schwestern auf einem pfälzischen Landgestüt um 1814 im Stil von Jane Austen / Regency Romance) wurde von ihr mit dieser Begründung abgeschmettert:

Zu den Pferden: das ist sehr austauschbar, es fehlt das Besondere wie z.B. aus eigener Familiengeschichte inspiriert, weil Sie selbst leidenschaftliche Pferdenärrin sind. Es wirkt zu konstruiert, weil es nicht aus der eigenen Lebenswelt entspringt. Natürlich kann man sich an ein Pferdthema wagen, auch wenn man selbst keine Reiterin ist, aber dann sollte es dennoch etwas Neues / Besonderes sein.“

Wie ihr euch denken könnt, haben mich diese herben Absagen erst mal ziemlich herunter gezogen und meine Schreiblust und meinen Optimismus für einige Tage völlig abgetötet. Plötzlich habe ich bei jeder Idee für einen Roman sofort rote Stopp-Schilder vor mir gesehen und diese Stimme in meinem Kopf gehört: „Darüber darfst du nicht schreiben! Damit kennst du dich nicht aus!“

Solche Schreibverbote sind natürlich für jede Kreativität fatal und ich habe mich nach Kräften bemüht, diese Gedanken wieder aus meinem Kopf zu verbannen.

Trotzdem möchte ich dieser Hypothese von Identität zwischen Autor*in und Stoff näher auf den Grund gehen – zumal sie in der Agentur- und Verlagswelt offenbar gültig ist und gegen anstrebende Schriftsteller*innen verwendet wird.

Muss ich „kennen“ was ich schreibe? Muss ich „sein“ was ich schreibe?

Auf mein eigenes Beispiel bezogen: Muss ich selbst leidenschaftliche Reiterin sein, wenn ich über ein Pferdegestüt schreiben will? Muss ich aus der DDR stammen, wenn ich einen Roman über die DDR schreiben will?

Wenn ich diese Hypothese mal an einem Extrembeispiel versuche: Muss ich als Thriller-Autor*in selbst jemanden ermorden und mich im Zerstückeln von Leichen geübt haben? Das ist natürlich absurd.

Was die Sach- und Fachkenntnis angeht, so bin ich davon überzeugt, dass mir als Autorin hier die Mittel der Recherche zur Verfügung stehen. So habe ich mir z.B. für meinen Antarktis-Roman ein präzises Wissen darüber angeeignet, wie der Walfang in den 1930er Jahren abgelaufen ist und wie die Wale von den Fängern zerlegt wurden. Auch hinsichtlich anderer Berufsbilder, Länder und Sitten, die ich nicht aus eigener Erfahrung kenne, kann ich mir das Wissen durch Recherche und Interviews aneigenen (so habe ich z.B. drei junge Dirigentinnen für meinen Wien-Roman interviewt).

Schwieriger wird es jedoch mit meiner eigenen kulturellen Identität. Ich bin in Westdeutschland aufgewachsen. Das kann ich nicht ändern oder abstreifen.

Immer wieder wird dieses Thema in der Literaturwelt heiß diskutiert unter dem Begriff der kulturellen Aneignung. Problematisch scheint es zu sein, wenn eine Autorin aus einem „dominanten“ Kulturkreis die Geschichte einer „unterdrückten“ Kultur bzw. einer Minderheit schreibt. Hier wird (oft von eben dieser Minderheit) der Ruf laut, ihre Kultur werde von der anderen vereinnahmt und verfälscht dargestellt. Es besteht der Verdacht des Überstülpens fremder Werte über eine Minderheit im Stile eines literarischer Kolonialismus.

Vor nicht allzu langer Zeit ist um den Roman „American Dirt“ von Jeanine Cummins eine solche Debatte („cultural appropriation“) entbrannt: Darf eine Amerikanerin die Geschichte einer Mexikanerin schreiben?

Im Beitrag vom Deutschlandfunk „Kulturelle Aneignung und die Frage, wer zu hören ist“ vom 21.04.2020 heißt es:

Bei der Debatte um kulturelle Aneignung gehe es um Dominanz, sagt die Literaturkritikerin. „Es geht nicht darum, dass jede Autorin und jeder Autor nur über das schreiben darf, was er erlebt hat oder darum, dass Literatur nur etwas Allgemeingültiges erzählen darf. Es geht in der Debatte darum, welche Stimmen in dem Feld dominant sind. Und das sind immer noch weiße Autorinnen und Autoren. Sie sind diejenigen, die die Publikationsmöglichkeit bekommen.“

Ich kann dieser Argumentation insofern folgen, als dass es sicher wünschenswert wäre, wenn Autor*innen nicht-weißer Herkunft eine gleiche Repräsentanz auf dem Buchmarkt bekommen würden, wie weiße Autor*innen.

Aber ich halte es für fatal, einer Schriftstellerin vorzuschreiben, sie dürfe in ihren Romanen nur in ihrer eigenen kulturellen Herkunftswelt bleiben. Ich denke, dass gerade die Auseinandersetzung mit dem „Fremden“ für jedes Individuum (schreibend oder lesend) eine Erweiterung des eigenen Horizontes ist, Vorurteile abbaut und Toleranz und Verständnis für andersartige Kulturen und Menschen ermöglicht.

Umgekehrt würde ein Rückzug und eine Beschränkung auf den eigenen bekannten Kulturraum eine gedankliche Verarmung bedeuten – es führt zu Engstirnigkeit und Intoleranz.

Was ich allerdings auch feststellen kann, wenn ich mir die populäre Frauenliteratur ansehe: Es gibt ein breites Segment von „exotischen“ Frauenromanen, die alle nach demselben Strickmuster funktionieren: Eine weiße Frau aus Europa (meist Engländerin) kommt in ein „exotisches“ Land (Indien, Orient, Afrika, Australien, Neuseeland) und führt dort irgendeine Plantage (meistens wird Tee angebaut, manchmal auch Schafe gezüchtet). Die weiße Frau lernt die dortigen Bräuche kennen (nicht selten pflegen die „Eingeborenen“ menschenunwürdige Rituale, die aus Sicht der moralisch überlegenen Christen abgeschafft gehören) und findet Erfüllung mit einem heißblütigen „exotischen“ (= erotischen) Mann – der natürlich auch ein Klischee aus einer Frauenphantasie ist.

Fast immer spielen diese Romane auch in der Kolonialzeit, geben also die historischen Begebenheiten insofern korrekt wieder – aber dabei voller Klischees und aus westlicher Sicht. Hierbei wird das koloniale Verständnis in romantisierter und unkritischer Weise fortgeschrieben und für moderne Frauen in den Köpfen neu verankert.

Ich verspüre keinerlei Bedürfnis, selbst einen Roman nach diesem fragwürdigen und überholten Muster zu schreiben.

Aber passt dieses Tabu der kulturellen Aneignung auch auf die deutsch-deutsche Geschichte?

Laut der Agentin: ja. Gehen viele Menschen 30 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch von einem Über-Unter-Ordnungsverhältnis zwischen West- und Ostdeutschland aus? Offenbar wird auf dem Buchmarkt davon ausgegangen.

Ich finde das erschreckend und weigere mich, das zu akzeptieren. Wenn ich also irgendwann meinen Ost-Berlin-Roman schreibe, dann werde ich dafür genauso gewissenhaft recherchieren, wie für jeden anderen historischen Roman – ob Schauplatz und Figuren sich in Westdeutschland, Ostdeutschland oder sonst wo auf der Welt befinden, macht für mich keinen Unterschied!

Ich bin sogar der Meinung, dass gerade die Distanz zu der Gesellschaft und Kultur den Blick schärfen kann, als Beobachterin sehe und verstehe ich mehr, als wenn ich selbst mitten drinnen bin.

Sehr gute Beispiele hierfür sind der Roman „Was vom Tage übrig blieb“ („The Remains of the Day“) von Kazuo Ishiguro und der Film „Sense and Sensibility“ vom Chinesen Ang Lee – beides Werke, die ich sehr beeindruckend und gelungen finde.

Im Fall von Kazuo Ishiguro hat seine japanische Herkunft sicherlich dazu beigetragen, dass er die britische Gesellschaft mit besonders scharfen Augen und feinem Gespür für deren Eigenheiten wahrgenommen hat. In beiden Fällen gehören Autor und Regisseur nicht (originär) dem englischen Kulturkreis an und haben gerade deswegen ein hoch sensibles Porträt dieser Gesellschaft gezeichnet.

Trotz all meiner Überlegungen: Der Fakt bleibt, dass der Buchmarkt (angefangen bei den Literaturagent*innen) diese ideale Autor*innenfigur verlangt.

Was ist also der Ausweg aus diesem Dilemma, wenn ich über den Tellerrand blicken möchte und mich beim Schreiben nicht auf meine eigene kleine Erfahrungswelt beschränken will?

Ich schreiben nicht das Buch, das zu mir passt, sondern die Autorenbiografie, die zu meinem Roman passt!

So machen es die Verlage scheinbar ohnehin: Anders kann ich mir nicht vorstellen, dass die Vita der Autor*innen immer so haargenau auf den Romaninhalt passt. Da hat jemand genau das passende Hobby oder Beruf, lebt oder bereist ständig den Schauplatz – zu viele Zufälle, um wirklich wahr zu sein.

Manche Verlage gehen sogar soweit, die Figur des Autors komplett zu erfinden. Das fängt schon beim Pseudonym an: Ein klangvoller Name muss her, der Assoziationen weckt, die zum jeweiligen Buchgenre passen.

Aber manche gehen noch weiter. So wie die Lektorin und Verlegerin Daniela Thiele, die für ihren Erfolgsroman „Das Lächeln der Frauen“ den Autor Nicolas Barreau in einem genialen Marketing-Schachzug erfand. Eine Biografie (junger Franzose) passt zum Setting von Paris, dazu noch ein attraktives Bild aus einer Datenbank: Fertig gebacken ist ein Autor, der Frauenherzen höher schlagen lässt.

Ich weiß noch, dass mir dieser Roman gut gefallen hat und ich gedacht habe: Erstaunlich, dass so ein junger Mann solch ein Frauenversteher ist. Mir kam die Sache damals schon nicht ganz koscher vor, ich hatte den Verdacht, dass ein Deutscher sich als Franzose ausgibt, weil im Roman die totale Touristen-Sicht auf Paris serviert wurde. Dass aber in Wahrheit eine Frau dahinter steckt, hätte ich mir damals nicht träumen lassen.

Das Täuschungsmanöver blieb nicht unentdeckt, was aber dem Erfolg von „Nicolas Barreau“ keinen Abbruch getan hat – seine Romane verkaufen sich nach wie vor bestens.

Was lerne ich also aus alledem: Ich werde auch in Zukunft darüber schreiben, was mich anzieht und fasziniert und wofür ich brenne. Egal, ob meine Herkunft und Biografie zum Stoff und den Figuren passt. Ich muss mich als Autorin einfach gleich mit neu erfinden.

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