Heute ist Halbzeit und ich habe die magische Marke von 25.000 Wörtern (111 Normseiten) gestern um kurz nach 1 Uhr nachts überschrieben. Ich habe im Schreiben meinen guten Rhythmus gefunden (eine Abendschicht und eine Nachtschicht von je 1 ½ Stunden) und schaffe meinen täglichen Wordcount.
Aber ach, die zweite Woche bringt so manche Sorgen, wie ich die Geschichte entwickeln soll. Die Figuren sind eingeführt, die Szenerie ist aufgebaut – und nun muss der Handlungsbogen nach oben gehen und auf einen dramatischen Höhepunkt zusteuern. Aber worin genau soll dieser bestehen? Es genügt nicht, dass meine Dirigentin immer wieder mit dem fiesen Kapellmeister Heger zusammenprallt und immer wieder knapp einer Entlarvung entkommt – das wiederholt sich zu sehr. Auch meine vielen Anekdoten und Details zu Angewohnheiten der Sänger, kleinen Bühnen-Pannen, Klatsch und Tratsch, die ich aus meinem tollen Opern-Buch habe, und Schwelgen in der Musik bilden zwar eine gute Würze, sind aber nicht handlungstragend.
Am Mittwoch habe ich ein langes Telefonat mit meiner Literaturagentin (meinen Antarktis-Roman hat sie einem Dutzend Verlage auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt, nun heißt es Geduld haben, es liegen noch keine Rückmeldungen vor, auch wenn die Lektoren vor Ort wohl positiv auf ihren Pitch reagiert haben). Sie fragt mich nach meinem neuen Romanprojekt und ich erzähle es ihr. Sie findet zwar das Thema „Frau in einer Männerdomäne“ gut und auch Wien als Sehnsuchtsort, fragt dann aber: „Wo ist der Höhepunkt? Warum und wie scheitert sie?“
Damit hat sie natürlich den Finger in die Wunde gelegt – ich weiß es noch nicht so richtig. Dann äußert sie eine grundsätzliche Skepsis: Aus Erfahrung weiß sie, dass Lektoren beim Thema Musik und Film in Romanen zurückhaltend seien, erst recht klassische Musik wäre nicht massentauglich und hat den Ruf, nur für ein intellektuelles Publikum zu sein. Es könnte also sein, dass ich mein Werk in hunderten Stunden harter Arbeit schreibe und die Verlage es dann nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Ich halte dem entgegen, dass ich für meinen Stoff brenne und diesen Roman auf jeden Fall schreiben werde, auch wenn er vielleicht erst mal (oder für immer) in der Schublade landet. Meine Agentin betont, sie wolle mein Feuer auf keinen Fall löschen und ich solle weiterschreiben.
Am Mittwochabend und Donnerstag bin ich dann doch ziemlich deprimiert, raffe mich trotzdem zum Weiterschreiben auf. Ich hoffe einfach, dass sich doch eine Leserschaft für meinen Roman – auch für die von mir so geliebte Opernwelt – begeistern wird und meine geschriebene Stimme nicht vor leeren Rängen verhallt.
Gleichzeitig überlege ich intensiv, wo das Drama für meine Figur herkommen könnte und wie ihre Heldenreise genau aussehen könnte. Dann kommt mir eine Erleuchtung: „Madame Butterfly!“ Danke Puccini! Eine Liebesgeschichte wollte ich sowieso einflechten (inklusive erotischer Liebesszene – bin sehr gespannt, ob ich das hinbekomme, habe so etwas noch nie zu Papier gebracht), aber nun wird sie auch schwanger werden und dann steht sie vor der Entscheidung: Kind oder Karriere. Mehr verrate ich nicht.
Habe nun jedenfalls die dramatische Entwicklung der Geschichte besser vor Augen und habe wieder Freude am Fantasieren und Schreiben.