Folge 4: Mauergarten – Pioniere vereinen Wilden Westen und Osten mit grünen Kraftkreisen

STANDORT UND BODENVERHÄLTNISSE

Wo früher der Todesstreifen zwischen Prenzlauer Berg und Wedding verlief, liegt heute der Mauerpark. Besonders am Sonntag zieht der Mauerpark viele Menschen an, die auf der Wiese und im Birkenhain grillen, im Flohmarkt-Gewühl nach einem Schnäppchen suchen, sich von den Musikanten und Schaustellern unterhalten lassen und am Karaoke-Fahrrad im Amphitheater selbst zum Mikro greifen.

Und eine Mauer für den gestalterischen Ausdruck gibt es auch, allerdings nicht die „echte“, sondern die Trennmauer zum angrenzenden Stadion – hier kommen die Sprayer täglich mit ihren Dosen und einer Tapezierrolle, um erst mal eine Fläche für ihr neues Werk einfarbig zu grundieren. Die Mauerschaukeln sind nicht nur bei Kindern beliebt, sondern auch ein umworbenes Fotomotiv.

Mich aber lockt heute eine andere Attraktion an: Der interkulturelle Gemeinschaftsgarten Mauergarten hat über Facebook zum Beetbau-Workshop eingeladen.

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Ich komme aus Richtung Voltastraße an der westlichen Seite in den Mauerpark. Ein Klangteppich von Menschengeschnatter und Musik dringt an mein Ohr und strenger Grill-Geruch in meine Nase. Wo soll hier bloß der Garten sein?

Zufällig streift mein Blick einen Bauzaun, am Horizont sehe ich Kräne und Rohbauten für eine neue Wohnsiedlung, aber dazwischen auf einer kahlen Fläche ragen ein paar Sonnenblumen in den Himmel.

Und stehen dort nicht auch Holzkästen auf dem Boden? Ich gehe näher. Tatsächlich, jetzt sehe ich in dem Areal zwischen den Bauzäunen eine kleine Kolonie von Menschen um ein Lagerfeuer, dort eine Konstruktion aus Holz, verkleidet mit gewellten Plexiglasscheiben – ja ein Gewächshaus, und sogar vereinzelt einige Hochbeete.

BLICKFANG

Ich umrunde den Bauzaun, stoße auf alte Eisenbahngleise und folge ihnen. Sie führen mich zu einer Öffnung, wo ein Zelt den Eingang markiert. Irgendwie komme ich mir hier vor wie im Wilden Westen. Oder im Wilden Osten?

Links in einer Ecke unter einem Baum sitzen einige Menschen mit buntem Geschirr um ein Lagerfeuer. Ich nähere mich der Gruppe und frage, ob ich hier richtig sei und ob hier heute Beete gebaut würden. Freundliches Nicken. Dann kommt ein Jüngling mit schwarzen Locken auf mich zu und bietet mir eine kleine Führung an.

Diego, so heißt der leidenschaftliche Gärtner, gehört zum festen Kern der Mauergartengemeinschaft. Warum hier alles so kahl aussieht, frage ich. Ihr Garten ist gerade im Wiederaufbau, erklärt er mir.

Schon 2 Mal mussten sie ihre Beete aus Europaletten von der Brachfläche, die an den Mauerpark angrenzt, auseinander nehmen und wieder zusammen setzen. Zuletzt wurde der Boden saniert (Schadstoffe von der früheren Eisenbahnstrecke der Berliner Nordbahn lagen dort), und dieser Bereich gehört nun zum Entwicklungsplan der Groth-Gruppe. Hier sollen Wohnkomplexe mit rund 600 Wohnungen entstehen. Dann sei es wohl aus mit der Abgeschiedenheit des Mauergartens.

Aber Diego ist voller Pionier-Optimismus. Sie sehen ihren 3. Neubeginn als Chance an. Jetzt ist ihr Garten offiziell anerkannt, sie bekommen auch Fördergelder von Grün Berlin, müssen dafür aber ihre Hochbeete nach gewissen Vorgaben bauen – statt Europaletten entstehen jetzt solide hölzerne Kästen. Stolz zeigt er mir die neuen Konstruktionen – sogar mit eingelassener Aufbewahrungskiste.

Das Herzstück ist das Gewächshaus, das aus 2 Räumen besteht. Im Multifunktionsraum steht ein Schreibtisch und Baupläne hängen darüber, auf den Regalen ringsum werden gerade kleine Pflänzchen angezogen und in einer Kiste strahlt die reiche Kürbisernte orangefarben um die Wette.

Diego erklärt mir ihren neuen Beet-Plan. Die Beete sollen sich in 5 Bereichen jeweils um einen Kraftkreis drehen. Es wird die Kreise „Kräuterspirale“, „Pflanzenkinder“, „Bienenrefugium“, „Schattenplatz“ und „Kraftplatz“ geben.

Im 2. Raum zeigt mir Diego die Tomatenstauden und ich staune nicht nur über die schönen Pflanzen, sondern auch über die tolle handwerkliche Konstruktion des Baus, zum Beispiel auch die Belüftung durch Kippfenster.

Diego lächelt erfreut und bescheiden – erst später verrät mir ein anderer Gärtner, dass Diego der Architekt und Baumeister des Gewächshauses ist. Diego ist seit 4 Jahren Berliner und hat scheinbar hier im Gemeinschaftsgarten seine Herzensheimat gefunden.

Ich schaue mich auf dem weiteren Gelände um. Bei den großen Sonnenblumen auf einem Hügel aus Mutterboden bauen gerade Mutter, Vater und 2 Kinder ein neues Beet, auch weitere Gärtner kommen zwischendurch mit Rat und Tat zur Hilfe.

Eine andere Gartenfreundin gießt Kräuter- und Gemüse-Stauden in den Beeten, die zwar ein wenig einsam, aber hoffnungsvoll auf der staubigen Fläche stehen.

Entlang des Zauns stehen überall blaue Regentonnen. Die Beeren brauchen noch ein wenig Sonne.

Zum Abschied spreche ich noch mit einem anderen engagierten Gärtner, der sich über meinen interessierten Besuch freut. Im Moment genießen sie ihre Abgeschiedenheit. Bald wird der Bauzaun fallen und ihr Garten wird Teil des Menschentreibens des Mauerparks werden.

Das Abenteuer der Gartenpioniere geht in eine weitere Runde.

Ich werde die Mauergärtner auf jeden Fall im Blick behalten und bin gespannt, wie sich ihr Garten in der nächsten Zeit entwickeln wird.

LITERARISCHE ERNTE

„Der Garten ist ein Lebenspfad,
der keinen Tod vor Augen hat.
Man pflegt und pflanzt und nährt den Boden
und manches muss man dann auch roden.
Der Garten, der durch Menschenhand
so manches Schöne verband –
befristet ist er, wie ein Menschenleben –
es sei denn, dass wir’s weitergeben.“

Gisela Koch

AM WEGESRAND

Nur wenige Schritte von der stillen Steppe des Mauergartens entfernt stoße ich auf die grüne Prärie des Mauerparks. Hier wimmelt es vor lautstarker Zivilisation.

Zwischen wilden Blumen sitzen hippe Berliner mit Bierflaschen und Hüten. Trommelmusik aus mehreren Richtungen, ein Kind schaukelt vor der Graffiti-Mauer, eine Frau singt schräg ins Karaoke-Mikro. Pralles Großstadtleben im Grünen. Hier ein audio-visualler Eindruck.

Wie anders hat es sich eben noch in der still wachsenden Gärtner-Kommune angefühlt – ich komme mir vor, als sei ich in eine andere Zeit und Welt katapultiert worden.

Folge 2: London – Olympisches Gemüse und Ophelias Todesblumen

STANDORT UND BODENVERHÄLTNISSE

Wir sind immer noch in London.

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Es ist Nachmittag und ich schaukele in einem Doppeldeckerbus von meinem Hotel bei Earls Court zur Kensington Station – dort gibt es nämlich ein besonderes Gartenprojekt zu bestaunen.

Im Olymp des Gemeinschaftsgartens

Tatsächlich – auf einem Nebengleis des Bahnhofs Olympia liegt ein Obst- und Gemüsegarten, der von Anwohnern bewirtschaftet wird. Bunte Kübel auf dem unwirtlichen Asphalt haben das Areal in einen Garten verwandelt. Hier und dort ragen kleine Bäumchen, Blumen und Früchte hervor.

Leider hält mich auch hier ein Zaun zurück, zwischen den Pflanzen spazieren zu gehen (und vielleicht eine Beere zu kosten?). Ein Schild am Eingang besagt, dass der „Community Kitchen Garden“ Samstags geöffnet ist und man hier Kräuter und Setzlinge kaufen kann. Eine nahrhafte Oase gleich neben den ratternden Zügen. Nur ein bisschen schade, dass gerade keine Gärtner zum Gemüse-Talk da ist.

BLICKFANG

The Phoenix Garden

Ich bin schon öfters im Theaterviertel, dem berühmten Londoner West End, spazieren gegangen, aber diese versteckte Gartenoase entdecke ich (dank vorheriger Internetrecherche) heute zum ersten Mal.

Es ist Mittagszeit und hinter dem Phoenix Theatre und dem Odeon Cinema fällt mein Blick zuerst auf eine helle Mauer mit dem Gartennamen. Auch Zaun und Grünes sehe ich, aber wo geht es hier hinein? Brauche ich etwa wieder Genehmigung und Schlüssel?

Ich gehe am Zaun entlang und tatsächlich, im baumverhangenen Schatten tut sich eine kleine Öffnung auf, durch die Menschen in Anzug und Kostüm oder eher legerem Dress rege hinein strömen – meist mit einem Sandwich oder einer Plastikschale mit Salat in der Hand.

Ich betrete den Garten und fühle mich sofort in eine andere Welt versetzt. Kleine verschlungene Wege führen auf winzige Plätze, wo man sich auf eine Bank oder auf einen Stein umrankt von Zweigen und Blättern setzen kann. Ich folge dem Weg und hinter jeden Biegung taucht eine weitere kleine Überraschungsnische auf.

Obwohl hier viele Menschen sitzen und im Grünen ihr Mittagessen genießen, strahlt der Garten doch etwas Geheimnisvolles und Intimes aus.

Es ist übrigens ein Gemeinschaftsgarten, der von Anwohnern liebevoll gepflegt wird und ökologischen Prinzipien folgt (und von Spenden finanziert wird) und für JEDEN geöffnet ist, der sich nach einer Atempause im Grünen sehnt.

Im hinteren Teil suche ich mir eine Bank im Schatten und genieße einige Brombeeren, die mir der Strauch dahinter großzügig anbietet.

Ein friedlicher und lebendiger Ort.

LITERARISCHE ERNTE

Das letzte Mal habe ich Jane Austen geehrt, aber wenn es um englische Literatur geht, darf einer nicht fehlen:

Was sagt eigentlich William Shakespeare dazu?

In Hamlet windet Ophelia unter einem Weidenbaum am Bach sitzend eine Blumengirlande und sinkt mit ihr hinab ins Wasser und ertrinkt.

„Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach

Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,

Mit welchem sie phantastisch Kränze wand 

Von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen.“

aus: Hamlet, 4. Aufzug, 7. Szene

Dieses eindrucksvolle Gemälde „Ophelia“ von John Everett Millais habe ich in der Tate Britain bewundert.

Die Verse von Shakespeare und das Gemälde sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie Pflanzen in Literatur und Malerei als Symbole eingesetzt werden.

Im Bild von Ophelia könnt ihr folgende symbolträchtige Pflanzen und Blumen entdecken:

Trauerweide – verlassene Liebe

Mohnblume – Schlaf und Tod

Stiefmütterchen – Trauer

Butterblume – Undankbarkeit und Kindlichkeit

Nessel – Schmerz und Kummer

Gänseblume – Unschuld

Rose (pink) – Jugend, Liebe, Schönheit (Ophelia wird von ihrem Bruder „Rose of May“ genannt)

Veilchen (Girlande um Hals) – Treue, Keuschheit und früher Tod

AM WEGESRAND

Nach so viel Melancholie nun noch etwas Heiteres. Die Briten legen viel Wert auf Regeln und Etikette.

So gibt es auch Benimmregeln für Parkbesucher. Im St. James’s Park beim Buckingham Palace ist mir dieses Schild ins Auge gefallen. Dabei hätte ich doch so gerne ein paar Enten über den Rasen gejagt.

Die Entenliebe geht noch weiter. So dürfen im Londoner Untergrund minderjährige Ducklings mit ihrer Entenmutter kostenlos mit der Tube fahren.

London hat die grüne Messlatte also Baumhoch gehängt. Jetzt bin ich gespannt, was mir in Berlin so alles blühen wird.

Folge 1: London – Julia küsst und Mr. Collins wird in den Garten verbannt

STANDORT UND BODENVERHÄLTNISSE

Ich bin für eine Woche in London und halte meine Augen offen für die bekannten und versteckten grünen Oasen. Schließlich ist England in der ganzen Welt berühmt für seine Gärten und London gilt als Keimzelle der Guerilla Gardening-Bewegung.

Come with me…

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Die privaten Nachbarschaftsgärten

Ich habe am Nachmittag in meinem Hotel im Royal Borough of Kensington & Chelsea eingecheckt. Jetzt flaniere ich im Sonnenschein durch die gepflegten Straßen und bewundere die fürstlichen Fassaden. Es ist eine Gegend der Reichen, aber weil sich kaum einer mehr die Grundstückspreise und Mieten leisten kann, ist hier fast jedes Haus ein Hotel. Die Hotelzimmer haben erschwingliche Preise, mit winzigen Kämmerlein, in denen ein Kleiderhaken schon eine Luxusausstattung ist.

Jedes Haus hat ein Souterrain, die tiefliegenden Vorgärten sind mal liebevoll gestaltet, mal minimalistisch genutzt und ganz selten mal auch ein wenig vernachlässigt.

Das Gartenleben spielt sich in den „Garden Squares“ ab, die von allen vier Seiten von Reihenhäusern eingerahmt werden.

Städtebaulich setzte Covent Garden (1777) in Anlehnung an die Renaissance den Grundstein für diese Gartenplätze.

„Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Gestalt des Gartenplatzes vollendet. Das beste Beispiel ist der Bedford Square, der im Jahre 1783 fertig gestellt wurde. Man erkannte damals, dass der private aber zugleich gemeinschaftliche Garten nicht nur die Lebenswelt der Bürger verbesserte, sondern auch die Wirtschaft und die Gesellschaft der Stadt förderte.

Im 19. Jahrhundert wurde der Gartenplatz zu einem charakteristischen Element bei der Erbauung neuer Wohnbezirke. Zur selben Zeit entwickelte sich das Reihenhaus zum wichtigsten Beitrag Großbritanniens zur europäischen Stadtplanung.“

Auf meinem Spaziergang komme ich an einigen dieser Gärten vorbei, aber ich muss mich damit begnügen, durch den Zaun zu lugen. Hier schaue ich in den Nevern Square Garden.

Denn die Gärten sind exklusiv nur den Anwohnern vorbehalten. Schilder machen auf allerlei Regeln aufmerksam und es gibt bürokratische Anforderungen dafür, einen Schlüssel für den Garten zu bekommen.

Die Glücklichen, die sich im Innern tummeln, fühlen sich aber offensichtlich wohl in ihrem privaten Paradies – dem Gemeinschaftsgarten.

Dem Reiz des Verbotenen und des Geheimnisvollen eines solchen Gartens sind seinerzeit schon Julia Roberts und Hugh Grant in „Notting Hill“ erlegen – schaut es euch an – seufz!

Leider bin ich bei Tageslicht hier und weit und breit ist kein augenplinkernder Buchhändler in Sicht.

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Kew Gardens

Am meinem zweiten Tag führt mich mein Weg in den Königlichen Botanischen Garten (Kew Gardens) im Südwesten von London. Nachdem ich 30 Minuten in der prallen Sonne in der Ticketschlange gebrutzelt habe – ich wusste gar nicht, dass es in England überhaupt einen richtigen Sommer gibt, aber heute ist der Himmel blau und es sind fast 30 Grad Celsius – zieht es mich zuerst in das viktorianische Gewächshaus, das imposant an einem künstlichen See liegt.

Im „Palm House“ (errichtet von 1841-1849) schlägt mir feucht-warme Luft entgegen und ich bewundere allerlei Palmen und Bananen – die früher übrigens auch „Paradiesfeigen“ genannt wurden.

Dann steige ich die gusseiserne Wendeltreppe für den Rundweg unter dem Dach hinauf – und jetzt verstehe ich, warum vor dem Besuch gewarnt wird, wenn man Herz-Kreislauf-Schwierigkeiten hat – mit jeder Stufe nimmt die Wärme zu, bis sie sich oben zu nebliger Hitze staut – eine intensive Erfahrung.

Als ich später wieder in den Sonnenschein trete, sauge ich dankbar den kühlen Luftzug ein.

Der Botanische Garten ist weitläufig und bietet mehr, als ich an einem Tag erkunden kann. Hier möchte ich euch meine Key-Kew-Moments vorstellen.

Bei einem Rundweg in den Baumwipfeln („Treetop Walkway“) rauscht das Blattwerk der altehrwürdigen Bäume um mich herum und wird übertönt von trappelnden Füßen der Schulkindern in Uniform und anderen Besuchern – es erinnert mich daran, dass der Mensch sich zu oft als Herrscher über die Natur aufschwingt.

Im außergewöhnlichen Kunstwerk „The Hive“ hat ein Mensch versucht, die Natur zu imitieren: Ein begehbares Gerüst aus Glas und Aluminium mit Sound- und Lichtinstallation rekonstruiert die geheimnisvollen Flugwege der Bienen, man soll sich wie in einem Bienenstock fühlen.

Beim Herangehen sieht die Konstruktion wie eine Simulation eines Tornados aus, der sein Zentrum verloren hat.

Ich stehe in der Mitte und sehe durch Glas den Boden mit dunklen Menschenschatten unter mir und den Himmel über mir.

Die Metallstäbe vermitteln ein rätselhaftes Chaos. Die Welt der Bienen scheint mir unergründlich und wunderbar.

Richtig naturverbunden wird mir am See zumute – hier sitze ich auf einer Bank im Schatten und beobachte die Entenfamilien mit ihrem putzigen Nachwuchs.

Im Kew Palace fühle ich mich in die Zeit von Jane Austen zurück versetzt – an der Tür steht eine zierliche Frau im historischen Kostüm und in den Innenräumen erklärt mir ein junger „Footman“, wie bequem seine Garderobe mit den langen Rockschößen und weiß bestrumpften Waden sei.

Meine Schwester Dorit auf Zeitreise

Hier lebten King George III (der sich sehr für Landwirtschaft interessierte und von manchen Zeitgenossen als „Farmer“ verlacht wurde) mit seiner Ehefrau Charlotte bis 1818 und ihren 15 (!) Kindern.

Faszinierend ist der Kräutergarten des Palasts. Hier lerne ich, dass Kräuter nicht nur zur Herstellung heilender Elixiere verwendet wurden, sondern auch in Zeiten der Pest und anderer Seuchen in die Kleidung eingenäht wurden, weil die Menschen meinten, manche Kräutergerüche hielten die Krankheiten fern.

In abendlicher Stimmung zurück beim Palm House entdecke ich am Ufer mein neues Lieblingsgewächs:

Die Mammutblatt-Pflanze (Gunnera manicata). Ich komme mir wie Däumelinchen in Andersens Märchen vor, die aus einer Blüte geboren wird und später auf einem Seerosenblatt auf Reisen geht – allerdings fühlen sich die Mammutblätter ziemlich stachelig für eine Behausung an.

Die Pflanze stammt ursprünglich aus Südamerika (Chile). Dort werden die kräftigen Blätter übrigens als Regenschirme verwendet. Kein Wunder, dass die Engländer sie auf ihre Insel importiert haben.

LITERARISCHE ERNTE

Was sagt eigentlich Jane Austen dazu?

Gärten spielen in den Romanen von Jane Austen eine wichtige Rolle. So macht während eines Spaziergangs im Grünen Mr. Darcy in „Pride and Prejudice“ Elisabeth seinen 2. Heiratsantrag, den sie nun endlich annimmt.

Aber ein Garten ist auch praktisch, wenn man seinen nervtötenden Ehemann aus dem Haus haben will. So vertraut Charlotte, die kürzlich den Pfarrer Mr. Collins geheiratet hat, ihrer Freundin Elisabeth an:

„I encourage him to be in his garden as often as possible. Then he has to walk to Rosings nearly every day. … I admit I encourage him in that also.”

AM WEGESRAND

Gartenliebe

Zum Ausklang hier noch ein Garten, mit einem Manifest für die Liebe (und gegen den Kapitalismus). Ich habe ihn beim Spazierengehen in einer Straßen in Kensington (bei Earls Court) entdeckt.

„LOVE MORE Love is wealth“

To be continued…

Folge 0: Prolog – Grüne Fee mit zwei linken Daumen

Willkommen zur 2. Saison auf meinem Blog. Passend zum Sommer gehe ich in Berlin auf Entdeckungsreise zu Gärten aller Art.

#Botanischer Garten #Obstgarten #urban gardening #Dachgarten

#guerilla gardening #Schrebergarten #Philosophischer Garten

#Geheimer Garten #Kräutergarten #Gemeinschaftsgarten

Bin gespannt, wo mich mein Weg überall hinführt. Ich freue mich, wenn ihr mich begleitet.

Mit diesem Prolog sollen jedoch nicht nur Worte die Saat für eine blühende Blog-Saison sein, sondern ich habe echte Samen meiner Lieblingsblume – der Sonnenblume – gesät und bin ab heute eine taufrische Guerilla Gärtnerin.

Mein kleines Abenteuer möchte ich euch in phänologischen Phasen erzählen – ein bisschen Botanik kann nicht schaden – insbesondere, da ich selbst überhaupt keine Ahnung davon habe.

Vorfrühling

Als Kind habe ich im elterlichen Garten Unkraut gejätet und noch lieber in großen Mengen Johannisbeeren geerntet und verspeist. Das ist mein ganzer Erfahrungsschatz.

Ach ja, Zimmerpflanzen brauchen unter meiner Pflege einen starken Überlebenswillen.

Erstfrühling

Heute habe ich mich auf meinen neuen Lebensabschnitt als Guerilla Gärtnerin vorbereitet.

Ich habe Saatgut und eine kleine Gartenschaufel gekauft (bei Rossmann – gibt es etwas, was  man in diesem Laden nicht bekommt?). Gießkanne und Eimer habe ich schon.

Ich habe die Aussaatbeschreibung auf den Samentüten eingehend studiert und bin bereit für große Taten. Ende Juni ist zwar ein wenig spät, aber da drücken die Sonnenblumen hoffentlich ein Auge zu.

Jetzt fehlt mir nur noch ein Fleckchen Erde für mein Gartenprojekt. Für Guerilla Gardening brauche ich eine brachliegende Fläche im öffentlichen Raum und meine Bepflanzung soll möglichst auch andere Menschen erfreuen.

Mein Beet habe ich schon vor einigen Wochen fest ins Auge gefasst: Ein trostloses Rondell beim Ausgang der S-Bahnstation Karlshorst, gegenüber ist eine Baustelle, drumherum parken oft Autos und viele Menschen gehen vorbei. Seit ein paar Wochen hat die Sonne einige wilde Blumen hervor gelockt.

Aber wie schön wäre es, wenn in dieser wilden Ödnis im Herbst Sonnenblumen ranken würden?

Ich werde es hier versuchen.

Der Boden auf dieser Insel ist ziemlich sandig. Damit meine Sonnenblumensamen besser aufgehen, möchte ich sie in einigermaßen fruchtbare Erde betten – die werde ich mir in der Natur holen.

Vollfrühling

Mein Fahrrad hat sich sehr gefreut, als ich es aus seinem langen Winterschlaf im Keller geweckt und eine Tour durch die nahe Wuhlheide gemacht habe.

Hier habe ich zu einer Zaubermischung verschiedene Erdsorten gesammelt.

Erde aus schattigem Dickicht, Erde aus einem kleinen Teich – wenn hier nachts nicht sogar ein Wassermann und kleine Meerjungfrauen an die Oberfläche kommen – und sogar saftige Pferdeäpfel sind mir auf dem Weg vor die Reifen gekullert.

Frühsommer

Inzwischen ist es kurz nach 19 Uhr, die Sonne brennt nicht mehr so nieder und gerade strömen Heimkehrer aus dem Regionalexpress zu ihren Autos und Häusern. Sobald der Trubel sich gelegt hat, schreite ich zur Tat.

Zuerst säubere ich das Rondell vom Müll.

Dann verteile ich meinen (kleinen) Eimer Zaubererde in der Mitte und begieße die dunkelbraunen Brocken, in denen schon eifrig Insekten krabbeln.

Auch in den sandigen Bereich um meinen Erdkreis versenke ich einige Samen. Wobei ich die Abstände von 50 cm pro 2-facher Samenstärke nicht einhalte (ich setze sie dichter).

Aber ich vertraue auf die Worte von Jeff Goldblum in Jurassic Park: „Das Leben findet einen Weg“.

Ich hoffe nur, meine Sonnenblumen mutieren nicht zu Karnivoren.

Vorschau: Hochsommer

Ich werde in den nächsten Wochen regelmäßig mit meiner Gießkanne vorbei gehen und schauen, ob dort Grünes aus der Erde klettert. Ich halte euch auf dem Laufenden.

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