Muss ich fürchten, als Schriftstellerin von ChatGPT ersetzt zu werden?

Vor kurzem ist das neuste Produkt aus Silicon Valley auf den Weltmarkt entlassen worden: ChatGPT („Generative Pre-trained Transformer“). Diese künstliche Intelligenz (KI) soll Medienberichten zufolge Unheimliches leisten und sogar so manche Zunft, u.a. schreibende Menschen, ersetzen können.

Muss ich um meine Zukunft als Autorin bangen?

Ich habe mir diesen Chatbot am Wochenende mal vorgeknöpft und ihn einigen schonungslosen (har har teuflisches Lachen) Experimenten unterzogen. Hier mein unparteiisches Protokoll:

ICH: Kannst du auch Geschichten schreiben? Bist du ein Schriftsteller?

ANTWORT KI: Als Sprachmodell bin ich in der Lage, Texte in verschiedenen Stilen und Genres zu generieren, einschließlich Kurzgeschichten. Ich kann eine Vielzahl von Geschichten erzählen, die auf verschiedenen Themen und Stimmungen basieren.

Allerdings bin ich kein Schriftsteller im traditionellen Sinne, da ich keine eigenen Ideen entwickle oder persönliche Erfahrungen oder Emotionen in meine Texte einfließen lassen kann. Meine Fähigkeit beruht auf statistischen Mustern, die ich aus großen Textmengen gelernt habe, und ich kann daher nur auf Basis von vorgegebenen Informationen und Anweisungen schreiben.

Nun denn, das sollte er mir beweisen. Ich habe ihn aufgefordert, eine Liebesgeschichte zu schreiben. Hierbei habe ich ihm ein lebensechtes Szenario vorgegeben (ich reise nämlich selbst in 3 Wochen zu den besagten DELIA-Liebesromantagen):

Die verheiratete Liebesromanautorin Imelda reist zur DELIA-Tagung nach Quedlinburg und trifft im Hotel auf den charmanten Kellner Ricardo und gerät in Versuchung, mit ihm eine Affäre zu beginnen.

Hier das Dokument mit meinen Vorgaben und allen Textantworten:

2023-02-26_Liebesgeschichte von ChatGPT_Arabella Meran

DAS SCHREIBT CHAT-GPT (innerhalb weniger Sekunden nach Eingabe der obigen Vorgaben):

Imelda Stern war eine Schriftstellerin, die seit Jahren in einer Ehe mit Torsten, einem langweiligen Beamten, gefangen war. Sie hatte schon lange keinen Sex mehr gehabt und fühlte sich oft vernachlässigt. Als sie die Einladung zu den Liebesromantagen von DELIA in Quedlinburg im Hartz erhielt, beschloss sie, alleine zu gehen und ihre Mann und ihre Tochter Laura zu Hause in Hamburg zu lassen.

Im Hotel Schlossmühle angekommen, traf Imelda ihre Kolleginnen und bekam ihr Zimmer zugewiesen. Schon bei ihrer Ankunft im Hotel fiel ihr der attraktive Oberkellner Ricardo auf, der sie mit seinen nussbraunen Augen und seinem strahlenden Lächeln begrüßte. Imelda spürte eine sofortige Anziehungskraft und fühlte sich von ihm magisch angezogen.

Während des Abendessens verschüttete Ricardo versehentlich die Suppe auf Imeldas Schoß. Sie lachten darüber und begannen sich näher kennenzulernen. Imelda war hin und her gerissen, ob sie eine Affäre mit Ricardo beginnen sollte. Sie hatte Gewissensbisse, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie von ihm angezogen war und von erotischen Erlebnissen und großen romantischen Gefühlen träumte. (…)

Während des Experiments habe ich die Handlung der Geschichte vorangetrieben (der Bot stoppt nämlich immer nach 500 Wörtern), indem ich wiederholt weitere Vorgaben zu Plot und Dialog gegeben habe.

ICH: Schreibe weiter. Wie entscheidet sich Imelda?

Imelda war hin und her gerissen, ob sie eine Affäre mit Ricardo beginnen sollte oder nicht. Einerseits war sie von ihm fasziniert und angezogen, andererseits hatte sie Gewissensbisse, da sie verheiratet war und eine Tochter hatte. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und die Entscheidung fiel ihr immer schwerer.

Zunächst einmal hat mich die rasende Geschwindigkeit erstaunt. Ich konnte kaum so schnell lesen, wie die Geschichte vor meinen Augen entstanden ist – und ich musste zwischendurch schallend lachen – über einige Ungereimtheiten, aber auch vor Überraschung über eine kleine Pointe im Dialog zwischen den Rivalen:

Ricardo (der Lover): „Ich denke, es ist besser, wenn wir auflegen. Ich wünsche euch alles Gute.“

Torsten (der betrogene Ehemann): „Das kannst du dir sparen.“

Eine fast unheimliche Überraschung war, was der Nachtwächter während der Führung sagt.

ICH: schreibe weiter. Wie läuft die Nachtwächterführung?

Imelda lauschte gebannt den Worten des Nachtwächters, der mit tiefer Stimme von längst vergangenen Zeiten erzählte. Als sie an einem besonders alten Gebäude vorbeikamen, erzählte er, dass hier einst eine berühmte Schriftstellerin gelebt hatte. Imelda spitzte die Ohren und fragte neugierig, wer diese Schriftstellerin denn war. Der Nachtwächter zog eine kleine Schriftrolle hervor und las vor: „Imelda Stern – eine begnadete Erzählerin, die es verstand, ihre Leserinnen und Leser mit ihren Romanen zu verzaubern.“

Imelda fühlte sich geschmeichelt und gleichzeitig unbehaglich. Wie würde sie sich fühlen, wenn sie später selbst einmal so berühmt sein würde, dass man sie auf Nachtwächterführungen erwähnte?

Mein erstes Erstaunen ist jedoch schnell einiger Unzufriedenheit gewichen.

Zunächst: Die KI schreibt als auktorialer Erzähler. Sie springt mal hier und mal da in die Innensicht, aber die Figuren bleiben mir emotional fremd.

Im ersten Versuch bestand die Geschichte aus reinem „Telling“ (und endete auch mitten im Satz und ohne Sinn). Erst auf meine Aufforderung hin hat die KI Dialoge eingebaut. Allerdings gibt es hier nur „Talking Heads“. Nur an zwei Stellen kommt mal was Körperliches vor (über die Wange oder den Kopf streicheln).

Auch die Umgebung wird nicht eingebunden. Obwohl ich mit Quedlinburg einen Schauplatz vorgegeben habe, hat die KI keine spezifischen Straßen oder Häuser eingebaut, sondern nur Allgemeinplätze wie „idyllische Gassen und Fachwerkhäuser“ verwendet.

Sprachlich gibt es viele Wiederholungen und der Wortschatz ist begrenzt und ziemlich alltäglich (keine Individualität, keine eigene Stimme, keine Poesie).

Was die KI überhaupt nicht kann, ist Humor oder gar ein Flirt.

„Hey, du!“, sagte Ricardo und umarmte sie herzlich, als er sie sah. „Ich habe dich vermisst.“

Der Konflikt im Dialog mit Rede und Widerrede gelingt dagegen besser.

In weiteren Versuchen habe ich die KI eine Kussszene schreiben lassen (fand ich ganz nett, aber klischeehaft) .

In einem 4. Versuch sollte die KI eine Liebesgeschichte mit ganz wenigen Vorgaben schreiben.

ICH: Schreibe mir eine romantische Liebesgeschichte von einer Frau, die sich zwischen zwei Männern entscheiden muss. Mit Dialog. Und es soll Humor vorkommen.

Es war ein sonniger Frühlingstag, als Samantha zum ersten Mal auf den charmanten Anwalt Mark traf. Sie hatte ihn auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennengelernt, und obwohl sie zuerst unsicher war, ob sie ihn wiedersehen wollte, wurde sie von seiner bezaubernden Persönlichkeit und seinem Sinn für Humor angezogen.

Als sie jedoch den charmanten Arzt Alex traf, der im selben Krankenhaus wie sie arbeitete, wusste sie nicht mehr, was sie tun sollte. Alex hatte ein Lächeln, das sie schmelzen ließ, und eine ruhige Art, die sie beruhigte, wenn sie gestresst war.

Samantha war verwirrt, und als Mark sie zu einem romantischen Abendessen einlud, wusste sie, dass sie ihm ihre Gefühle gestehen musste. „Mark, ich muss dir etwas sagen“, begann sie. „Ich habe Gefühle für dich, aber es gibt auch jemand anderen, den ich sehr mag.“

Mark war überrascht, aber nicht entmutigt. „Ich verstehe“, sagte er. „Und ich möchte, dass du weißt, dass ich bereit bin, um dich zu kämpfen.“ (…)

Hier hat die KI selbständig Figuren und Namen eingebracht: den Anwalt Mark (schlank und schön) und den Arzt Alex (auch schlank und schön). Na, sind das nicht total die Träummänner? Oder eher voller Klischees und ohne Individualität.

ICH: Beschreibe mehr, wie die Leute aussehen. Was für einen Charakter haben sie?

Entschuldigung, dass ich diese Details in meiner vorherigen Antwort ausgelassen habe. Hier ist eine Überarbeitung der Geschichte mit mehr Beschreibungen der Charaktere:

Es war ein sonniger Frühlingstag, als Samantha zum ersten Mal auf den charmanten Anwalt Mark traf. Mark war groß und schlank, mit dunklen Haaren und braunen Augen, die sie in ihren Bann zogen. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug, der seine eleganten Züge unterstrich, aber er hatte auch eine entspannte Art, die sie sofort beruhigte. Mark hatte einen cleveren Sinn für Humor, der Samantha zum Lachen brachte, und sie fand ihn unglaublich charismatisch.

Als sie jedoch den charmanten Arzt Alex traf, der im selben Krankenhaus wie sie arbeitete, wusste sie nicht mehr, was sie tun sollte. Alex war groß und gut gebaut, mit dunklen Locken und strahlend blauen Augen, die jedes Mädchen zum Schmelzen brachten. Er hatte eine ruhige, aber bestimmte Art, die sie beruhigte, wenn sie gestresst war, und er hatte ein Lachen, das sie immer wieder hören wollte. Alex war ein leidenschaftlicher Arzt, der sich um seine Patienten kümmerte und sich für das Wohlergehen der Menschen einsetzte. (Text geht weiter wie oben)

Hier habe ich mich bei der KI beschwert und mir mehr Unterscheidbarkeit und Diversity bei den beiden Männerfiguren gewünscht.

ICH: Die beiden Männer sind sich viel zu ähnlich. Ich kann sie nicht unterscheiden.

Es tut mir leid, dass die Charakterbeschreibungen nicht ausreichend waren, um die beiden Männer unterscheidbar zu machen. Ich werde versuchen, sie genauer zu beschreiben:

Mark war ein erfolgreicher Anwalt, der gerne seine Zeit mit Freunden verbrachte. Er war der extrovertierte Typ, der auf Partys gerne im Mittelpunkt stand und sich gerne mit Menschen unterhielt. Sein Selbstbewusstsein war manchmal ein wenig überwältigend, aber er hatte auch ein großes Herz und war sehr aufmerksam gegenüber den Bedürfnissen anderer. Er hatte eine Vorliebe für schnelle Autos und teure Kleidung, aber er war auch ein Mann, der wusste, wie man einer Frau ein Kompliment machte und wie man sie zum Lachen brachte.

Alex war ein leidenschaftlicher Arzt, der viel Zeit damit verbrachte, seine Fähigkeiten zu verbessern und für seine Patienten da zu sein. Er war ruhig und zurückhaltend, aber wenn man ihn besser kennenlernte, zeigte er eine tiefe Intelligenz und einen Sinn für Humor, der unter seiner ruhigen Fassade zum Vorschein kam. Er war ein Mann mit einem großen Herzen und einer starken Verbindung zu seinen Freunden und seiner Familie. Alex hatte ein Faible für das Lesen von Klassikern und das Spielen von Klavier in seiner Freizeit.

Ich hoffe, dass diese Beschreibungen die beiden Männer klarer voneinander unterscheiden und ihre Charaktere besser veranschaulichen.

ICH: Warum sind die Männer immer groß, schlank und gutaussehend? Das ist nicht divers.

Sie haben vollkommen recht. Ich entschuldige mich dafür, dass ich in meiner vorherigen Antwort stereotype Beschreibungen verwendet habe. Es ist wichtig zu betonen, dass das Aussehen und der Körperbau einer Person nicht die einzigen oder entscheidenden Faktoren bei der Beurteilung ihres Charakters und ihrer Persönlichkeit sein sollten. Vielmehr ist es wichtig, Menschen in all ihrer Vielfalt darzustellen, unabhängig von ihrem Aussehen, ihrer Größe oder ihrem Hintergrund. Jeder Mensch hat einzigartige Eigenschaften und Erfahrungen, die sie als Individuen auszeichnen, und es ist wichtig, diese Unterschiede in Geschichten zu berücksichtigen und zu feiern. In Zukunft werde ich mich bemühen, diverse und realistische Charaktere zu erschaffen.

ICH: Dann beschreibe Marc und Alex nun divers.

Natürlich, ich werde gerne versuchen, die beiden Charaktere in einer diverseren Art und Weise zu beschreiben:

Mark war ein erfolgreicher Anwalt mit einem lässigen Kleidungsstil und einem strahlenden Lächeln. Er war ein extrovertierter Mensch, der gerne seine Zeit mit Freunden verbrachte und gute Gespräche führte. Seine Persönlichkeit war sehr zugänglich und er hatte eine Vorliebe für Musik, Kunst und Reisen. Mark war auch ein Mann, der sich für soziale Gerechtigkeit einsetzte und ständig daran arbeitete, die Welt um ihn herum zu einem besseren Ort zu machen. Er war stolz auf seine jüdischen Wurzeln und engagierte sich aktiv in der lokalen jüdischen Gemeinde.

Alex war ein engagierter Arzt, der sich leidenschaftlich für seine Arbeit und seine Patienten einsetzte. Er war ein Mann von durchschnittlicher Größe mit kurzen Locken und einem freundlichen Lächeln. Er war ruhig und introvertiert, aber wenn er sprach, waren seine Worte weise und sorgfältig gewählt. Alex hatte eine Leidenschaft für Musik und spielte gerne Klavier in seiner Freizeit. Er war auch ein Mann, der sich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einsetzte und ständig versuchte, seinen ökologischen Fußabdruck zu verringern.

Ich hoffe, dass diese diverseren Beschreibungen der beiden Charaktere dazu beitragen, ihre Persönlichkeiten und Merkmale besser zu veranschaulichen, und dass sie ein realistischeres und vielfältigeres Bild der Menschen in unserer Welt widerspiegeln.

Ich muss lachen. Die KI verwechselt Diversity wohl mit sozialem Engagement und Umweltbewusstsein. Und Mark hat „jüdische Wurzeln“ bekommen.

Wie findest du die Texte und Figuren der KI?

Ich bin nach diesem Experiment jedenfalls völlig beruhigt: Mein Arbeitsplatz als Schriftstellerin wird mir niemals durch eine KI streitig gemacht werden.

Ich werde den ChatBot jedoch in nächster Zeit als Recherchetool testen. Bei meinen Tests hat mir die KI schneller als eine herkömmliche Suchmaschine Antworten auf konkrete Suchanfragen geliefert. Allerdings ohne Quellenangaben, also nicht nachprüfbar. Aber als erste Orientierung könnte das hilfreich sein.

Willst du ChatGPT auch mal als Assistent beim Schreiben oder bei der Recherche ausprobieren?

Oder gibt es andere Bereiche, in denen du die K.I. für dich nutzen kannst?

Lernwelten 2030: Kapitel 7 – Eine Frage der Menschenkenntnis

Berlin: Am Campus der Ada Lovelace Universität – 28. Mai 2030, 9 Uhr – Fiona Kibe und Micky Mentor diskutieren über die Vorteile und Defizite einer K.I. in der Studienberatung

Fiona und Kibe saßen zusammen mit Micky Mentor in einem Gruppenarbeitsraum am Campus. Micky hatte einen sehr hilfsbereiten Charakter. Gerade schenkte er Fiona frisch aufgebrühten Kaffee aus einem All-in-One-Pot in eine Tasse auf dem Beistelltisch ein – und verschüttete dabei die Hälfte.

„Stopp Micky!“, rief Fiona und sprang auf, damit der heiße Kaffee nicht auf ihr Bein lief. Mickys große Augen in seinem blass schimmernden Gesicht schauten sie unverwandt an, dann erklang seine freundliche helle Stimme:

„Hast du dich erschrocken, Fiona? Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“

„Beratungsmodus“, sagte Fiona knapp und um Mickys Augen leuchteten blaue Lämpchen auf, die ein Augenblinzeln imitierten. Micky war nämlich ein Roboter.

Kibe konnte sich ein Grinsen nicht verkneife, als er mit einigen Papiertüchern die Sauerei auf dem Tisch aufwischte.

„Als Praktikant würde Micky seine Probezeit jedenfalls nicht überstehen – wo er noch nicht einmal Kaffee servieren kann,“ lachte Kibe. „Da waren die Soft Robots aus meiner Ausbildung in Nairobi geschickter. Dafür hat Micky ein niedlicheres Gesicht.“

„Immerhin hat er an meiner Stimme erkannt, dass mich seine missglückte Einschenk-Aktion erschreckt hat“, sagte Fiona. Auch sie war amüsiert. Der humanoide Roboter mit seiner Größe von 1,40 Metern, seinem hübschen hellen Gesicht mit den riesigen Kulleraugen, die Kameralinsen waren, erfüllte das Kindchen-Schema und löste einen mütterlichen Beschützerinstinkt in Fiona aus – besonders, wenn er so ungeschickt war. Man sah Micky nicht an, wie intelligent er war.

FUTURA hatte eine Künstliche Intelligenz entwickelt, der für jeden studentischen User die komplette Studienplanung übernahm mit individualisierten Lern- und Qualifikationszielen, Fortschrittskontrollen, Motivationsboosts und Beratungsgesprächen. Das Ziel war, auf diese Weise jeden Studierenden individuell zur perfekt passenden Berufsqualifikation hinzuführen. Sie hatten die Künstliche Intelligenz „Micky Mentor“ getauft. Nun wollten Fiona und Kibe Micky auf seine Beratungsfähigkeiten testen. Kibe rief auf dem Smartboard die 3D-Mindmap mit ihrer bisherigen Ideensammlung auf.

„Ich kann besser denken, wenn ich hier was handschriftlich auf die bunten Karten schreibe und zeichne“, sagte Fiona. Dann befestigte sie die neuen Karten am Smartboard.

„So können wir die Zusammenhänge besser visualisieren. Ich denke besser mit den Händen.“

„Denken mit den Händen oder Thinking with Hands ist eine Kreativmethode, die Workshops kreativer, innovativer und wirksamer macht!“, meldete sich Micky ungefragt zu Wort.

„Danke für die Definition“, sagte Fiona ironisch.

„Bitte sehr“, antwortete Micky, der Ironie nicht verstand, und blinzelte sie blauäugig an.

Fiona und Kibe testeten Micky Mentor nun in mehreren Durchläufen von Beratungsgesprächen und die K.I. gab schlüssige Antworten und machte plausible Vorschläge.

„Ich finde, ab sofort können wir Micky in echten Beratungsgesprächen einsetzen und selbst als stille Beobachter dabei sitzen“, sagte Kibe enthusiastisch.

„Du willst einfach in die Pilotphase gehen? Aber wir müssen uns vorher Gedanken machen, ob wir diese K.I. überhaupt auf Menschen loslassen dürfen! Vor allem das mit der Reaktion auf Emotionen kann ganz schön daneben gehen. Wenn ein Studierender in der Beratung Entscheidungen treffen soll, die seine oder ihre Zukunft prägen, dann sollte die Mentor-Instanz auch so etwas wie Einfühlungsvermögen und Lebenserfahrung mitbringen“, sagte Fiona skeptisch. Sie dachte an die Sprechstunde bei Professorin Lindenbaum und wie wohl und gut verstanden sie sich dort gefühlt hatte. Dieser lächerliche Roboter konnte da doch niemals mithalten. 

„Kommst du jetzt schon wieder mit deinen ethischen und pädagogischen Bedenken? In den Algorithmen, die FUTURA entwickelt hat, steckt doch die Lebenserfahrung aus den gesammelten Daten drinnen“, hielt Kibe dagegen.

„Aber diese Algorithmen müssen auch ethischen Prinzipien folgen. Diese müssen wir Menschen ihnen einprogrammieren“, sagte Fiona. „Dass die K.I. meine Lernaktivitäten auswertet und mir zum Beispiel fürs My-Path-Portfolio Vorschläge für meine nächsten Lerneinheiten macht, ist natürlich praktisch. Aber meine Lernbiografie gehört mir! Wenn die K.I. demnächst mein Leben steuern will, weil sie angeblich besser als ich weiß, welche Qualifikationen ich für meinen Traumjob sammeln muss, kriege ich Zweifel!“, gab Fiona vehement zu bedenken.

„Warum? Kein Mensch kann das alles so gut überblicken, was die K.I. weiß. Mit den vielen ‚Profilen‘ aus den vorigen Bildungs- und Berufswegen kann die K.I. dich sehr wohl passgenau anleiten. Es hat sich in vielen Feldern bewährt, dass aus Daten der Vergangenheit Prognosen für die Zukunft getroffen werden“, sagte Kibe.

„Das mag sein. Aber ich habe ein Problem damit, wie diese Profile von den anderen Usern erstellt und ausgewertet werden. Guck dir doch nur an, wie die Algorithmen mit Daten zu Geschlecht und Ethnie der Lernenden umgehen. Wenn in der Vergangenheit vor allem „weiße Männer“ in den Chefetagen saßen, dann ist deren Bildungsweg zum Erfolg doch keine Blaupause für dich oder mich! Deshalb müssen wir uns gut überlegen, welche Algorithmen wir der K.I. geben, denn da steckt unsere Ethik drin!“ 

Kibe schwieg und dachte nach. Das Vibrieren seines Smartphones riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute auf die neu eingegangene Nachricht.

 

„Was ist das denn?! Dein Vater hat mich für die Praktikumsstelle bei FUTURA abgelehnt? Dabei hatte er mich doch selbst eingeladen!“, rief Kibe. „Und was soll diese Gap Analysis? Da steht: „Um die ausgeschriebene Stelle anzutreten, müssen Sie diese fehlenden Qualifikationen erwerben…“ 

„Dass du rausgefiltert wurdest, wundert mich nicht. Mein Vater setzt für die Bewerbungsauswahl die K.I. „Select the Best“ ein“, erklärte Fiona. „Da siehst du mal, wie schlecht dich diese Algorithmen eingeschätzt haben! Gerade hast du noch ihr Loblied gesungen.“

„Dein Vater vertraut also mehr auf diese K.I., als auf seine eigene Menschenkenntnis. Er hatte mir doch gesagt, dass ich mich in seinem Workshop bewährt hatte“, stellte Kibe verbittert fest.

„Menschenkenntnis wird definiert als das Vermögen, andere Menschen richtig zu beurteilen,“ sagte Micky und schaute Kibe treuherzig aus seinen Kameraaugen an. Fiona und Kibe starrten den Roboter überrascht an. Während ihrer Diskussion hatten sie völlig vergessen, dass die K.I. jedes ihrer Worte mithörte und auf Schlüsselwörter reagierte.

„Micky, wer hat die bessere Menschenkenntnis, ein Mensch oder eine K.I.?“, fragte Kibe und fixierte das freundliche Robotergesicht mit wütend zusammen gezogenen Augenbrauen.

„’Menschenkenntnis ist das einzige Fach, in dem man ständig unterrichtet wird‘. Das ist ein Spruch von Alberto Moravia. Möchtest du weitere Zitate aus der Literaturdatenbank zur Menschenkenntnis oder Hintergrundinformationen zu Alberto Moravia?“, fragte Micky. Als Kibe nicht antwortete, fuhr die Roboterstimme gleichmütig fort:

„K.I. steht für Künstliche Intelligenz. Diese bezeichnet den Versuch, bestimmte Entscheidungsstrukturen des Menschen nachzubilden, indem zum Beispiel ein Computer so gebaut und programmiert wird, dass er relativ eigenständig Probleme bearbeiten kann. Im Verständnis des Begriffs Künstliche Intelligenz spiegelt sich die aus der Aufklärung stammende Vorstellung vom „Menschen als Maschine“ wider, dessen Nachahmung sich die sogenannte starke KI zum Ziel setzt: eine Intelligenz zu erschaffen, die das menschliche Denken mechanisieren soll, bzw. eine Maschine zu konstruieren und zu bauen, die intelligent reagiert oder sich eben wie ein Mensch verhält.“

Micky blinzelte wieder blauäugig und wartete auf weitere Fragen oder Befehle. Kibe schnaubte frustriert.

„Auf Oder-Fragen kann Micky immer noch nicht antworten,“ stellte Fiona fest.

„Hast du denn eine Antwort auf meine Frage?“, sagte Kibe und schaute Fiona herausfordernd an, seine Augen glänzten. Im Gegensatz zu Micky erkannte sie, dass dieses Glänzen Tränen der Enttäuschung waren.

Hier endet die Gesprächsaufzeichnung. Wie könnte das Gespräch weitergehen? Wir möchten Sie, liebe Leserinnen und Leser, dazu einladen, diese Szene weiterzuschreiben und zu diskutieren.

Foto von Gerd Altmann, frei nutzbar nach Pixabay License

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Begriffserläuterungen: Digitales und Kenia

Bezugspunkte: Fachliteratur und Populärkultur

Personen und Schauplätze

Die Autorinnen stellen sich vor

Titelbild:  Foto von Gerd Altmann, frei nutzbar nach Pixabay License

Lernwelten 2030: Kapitel 6 – Lernerfahrungen und Vorbilder

Berlin Spandau: Innovation Hub der Firma FUTURA – 8. Mai 2030

I. Fiona und Kibe im Workshop von Dozent Steven Frankenfels – 11 Uhr

Können wir endlich zum praktischen Teil kommen?“, dachte Kibe und unterdrückte ein Gähnen. Seit zwei Stunden saß er mit Fiona, Nele und neun weiteren Studierenden im Stuhlkreis im Innovation Hub der Firma FUTURA in Berlin-Spandau. Der Workshop des Professors für Lernpsychologie fand dort statt, weil die Studierenden an einem Kooperationsprojekt zwischen der Universität und der IT-Firma mitarbeiteten. In den letzten Tagen hatten die Studierenden im virtuellen Lernraum die 3D-Darstellung der neuen K.I.-LearnerPads mit Notizen versehen. Nun sollten sie Forschungsfragen entwickeln.

Kibe rollte auf seinem Drehstuhl näher an Fiona heran und flüsterte ihr zu:

Immer wenn dieser Prof unsere Diskussion moderiert, dauert es so lange. Nach seiner Pädagogik ist es scheinbar streng verboten, klare Antworten auf unsere Fragen zu geben.“

Ja, er ist nur dann zufrieden, wenn er alle Klarheiten beseitigt hat“, wisperte Fiona. „’Umgehen mit Unsicherheit‘ nennt er das.“

Ich würde lieber was Brauchbares für meine spätere Arbeit lernen“, dachte Kibe.

Dann kam der Co-Dozent Steven Frankenfels in den Raum und zog die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Er begrüßte die Studierenden mit einem strahlenden Lächeln. Fiona sah, wie er beiläufig die RoleXX an seinem Handgelenk berührte und wusste, dass er den Aufnahmemodus seiner smarten Uhr aktiviert hatte. Nach dem Seminar würde er eine genaue Auswertung seiner Performance erhalten. Anhand der Stimmaufnahme erstellte das Gerät ein Profil seiner Emotionen und eine Animation zeigte ihm, wann seine Stimme in der optimalen „Teaching Modulation“ – die durch ein Expertenteam an Psychologen und 1000 Testpersonen ermittelt worden war – gewesen war und wann nicht. Er benutzte seit einigen Monaten diese in seiner Firma entwickelte „Your Voice Your Choice“ Selfcoaching-App und hatte seine Stimmmodulation erfolgreich damit trainiert.

In seinem maßgeschneiderten Dreiteiler aus chinesischer Zuchtseide sah er aus, als sei er eben den Hochglanzseiten eines Manager Magazins entsprungen. Er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Artisten zwischen den Stühlen, bezog jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer ein, nichts schien ihm zu entgehen. Fiona hatte schon oft erlebt, wie ihr Vater sein Charisma zu seinem Erfolg einsetzte. Erst kürzlich hatte ihm seine Nominierung als „Visionary of the Year“ einen lukrativen Deal als Markenbotschafter für den neusten autonom fahrenden BMW eingebracht.

Frankenfels erklärte den Studierenden nun den Arbeitsauftrag und dann testeten sie die K.I.-LearnerPads. Dafür setzten alle ihre Mixed-Reality-Brillen auf, mit denen sie sehen konnten, wie die virtuellen Lernobjekte den physischen Raum überlagerten. Sie spielten ein interaktives Lernszenario durch und probierten dabei aus, wie die K.I. nicht nur auf die Spracheingaben, sondern auch auf die Gesichtsmimik der Lernenden reagierte und sie psychologisch auswertete.

Fiona fand es seltsam, ihren Vater als Dozenten zu haben. Sie hatte das Gefühl, sie würde von ihm besonders kritisch beobachtet. Aber sie war auch fasziniert davon, ihn in Aktion zu erleben. Er kam ihr vor wie ein Trapezkünstler in der Manege, der sein Publikum immer wieder zum Staunen brachte. Ihr fiel auf, wie schnell er zwischen den Welten wechselte. Im einen Moment zeigte er Kibe etwas in der Mixed Reality, im nächsten regelte er Geschäftliches. Dazu sprach er leise in seine intelligente Smartphone App „Director“ und gab so seinem Assistenten Lasse Anckarström Arbeitsaufträge. Für manche Eingaben musste er nur in einem bestimmten Rhythmus auf ein Sensorfeld tippen. Das funktionierte wie bei alten Morsezeichen, hatte Frankenfels seiner Tochter erklärt. Vom Morsen hatte Fiona noch nie gehört.

Fiona schmunzelte, als sie entdeckte, dass ihr Vater die neuen Sneakers der Marke „Nature Lover“ trug. Ihr zuliebe hatte er seine Lederschuhe gegen dieses klimaneutral und vegan hergestellte Produkt eingetauscht.

Plötzlich stand Steven Frankenfels neben seiner Tochter.

Wieso hältst du dich bei der Teamarbeit immer im Hintergrund? Du solltest hier Erfahrungen als Team Leader sammeln“, sagte er und Fiona fühlte sich wie ein Schulmädchen aus der letzten Reihe.

Papa, es ist doch giga unfair, wenn ich meinem Team die Lösungswege verrate, die du mir gestern erklärt hast. Damit mache ich ihnen das Learning by Testing kaputt.“

Das sind deine Mitbewerber im Business, du musst jeden Vorteil nutzen“, sagte ihr Vater mit gesenkter Stimme, die seinen Unmut verriet. Die RoleXX an seinem Handgelenk blinkte rot auf – offensichtlich war Frankenfels von seiner stimmlichen Optimalmodulation abgewichen. Fiona verkniff sich eine trotzige Antwort, schließlich war ihr Vater auch ihr Dozent und da konnte sie sich nicht alles herausnehmen. Schon wendete sich ihr Vater mit einem eleganten Schwung ab und sprach wohl moduliert mit einem ihrer „Mitbewerber“.

Soll er doch sagen, was er will! Ich gehe mit meinen Mitstudis so um, wie ich es richtig finde“, dachte Fiona und zwirbelte eine Haarlocke um ihren Zeigefinger. Diese kleine Marotte hatte ihr Vater ihr nicht abgewöhnen können.

Fiona dachte an den Workshop bei Professorin Lindenbaum, in dem sie erst gestern einige gute „Peergroup Learning“-Techniken ausprobiert hatte. Genau so wollte sie ihr Team beim Lernen anleiten. Auch wenn sie dann vielleicht nicht die Lorbeeren einheimste, die ihr Vater von ihr erwartete.

II. Kibe holt Rat bei Steven Frankenfels ein und erzählt von seinem Bildungsweg – 8. Mai 2030 – 14 Uhr

Nach dem Workshop ging Kibe zu seinem Dozenten Steven Frankenfels in die Sprechstunde, um ihn zu seinem geplanten Startup „Boost Kenya“ um Rat zu fragen.

Frankenfels war in den vergangenen Wochen bereits aufgefallen, dass der junge Kenianer viele gute Ideen in die Workshops einbrachte und sich zum Einsatz der Lerntechnologien im Alltag Gedanken machte. Er fragte Kibe nach dessen Berufserfahrung.

Als ich mit 18 mit der High School fertig war, dachte ich nicht daran, an eine Uni zu gehen. Keiner in meiner Familie hat das gemacht“, erzählte Kibe. „Mein älterer Bruder arbeitet bis heute in Nairobi in einer Firma, die Soft Robots herstellt. Das gefällt ihm gut. Also habe ich dort eine Ausbildung als Mechanical Engineer gemacht. Zuerst war es echt was Neues, am Fließband Seite an Seite mit den Robotern zu arbeiten. Die waren aber nicht besonders gesprächig, sie konnten nur präzise Handgriffe“, sagte Kibe lächelnd. „Unsere gebauten Soft Robots waren natürlich viel schlauer. Und ich wollte dann immer mehr wissen, wie man so eine Künstliche Intelligenz herstellt.“

Frankenfels hörte interessiert zu. Kibe kam sich wie in einer Prüfung vor und strengte sich an, seine Qualitäten herauszustellen. Er erzählte, wie er nach vier Arbeitsjahren genug gespart hatte, um ein IT-Bachelorstudium an der Murang’a University of Technology aufzunehmen. Dort gab es aber zu wenige Dozenten, da die Ehrgeizigen abwanderten. Deshalb füllte Kibe diese Lücken, indem er sich mit YouTube-Tutorials und MOOCs weiterbildete. Was anfangs eine Notlösung war, zeigte sich bald als Türöffner für ihn.

Dann habe ich am MIT einen „MicroMasters“ zu den Grundlagen von Künstlicher Intelligenz geschafft. Das war ganz schön anstrengend, aber damit konnte ich mich für das Stipendium hier in Berlin bewerben“, sagte Kibe.

Und was ist Ihr Konzept für Ihre Startup Firma?“, fragte Frankenfels.

Das Bildungssystem in Kenia hat Lücken. Dann ist es eine riesige Chance, wenn man an Online-Kursen an anderen Schulen und Unis teilnimmt. Das habe ich selbst erlebt“, erzählte Kibe enthusiastisch. „Und dafür muss der digitale Zugang geschaffen werden.“

Kibe erklärte, dass es in Nairobi eine Stiftung gab, die Tablets an Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten verlieh, die sich Bildung sonst nicht leisten könnten. Das Problem war, dass sie mit der digitalen Ausrüstung dann allein gelassen wurden. Kibe hatte vor, für diese Tablets einen künstlich intelligenten Tutor zu entwickeln, der die Lernenden in Kenia bei selbständigen Lernphasen inhaltlich unterstützte.

Natürlich brauche ich auch Menschen vor Ort als Tutoren, die das Ganze begleiten. Für diese Tutoren könnten wir Weiterbildungsworkshops organisieren. Das lässt sich vielleicht über Spenden finanzieren, die wir mit einem „Harambee“-Event sammeln.“

Das klingt nach einem tragfähigen Konzept. Als Kreativdirektor Ihres Startups müssen Sie nicht der Experte in allen Details sein“, sagte Frankenfels, „aber Sie müssen alle Fäden zusammenführen, Konzepte entwerfen und die Aufgaben an die passenden Experten geben. Sie begeistern Ihr Team am besten für Ihre Ideen, wenn Sie ihm Spielräume zum Ausprobieren geben.“

Mir ist schon aufgefallen, wie gut die kreativen Teams bei FUTURA zusammenarbeiten. Ich könnte bei Ihnen viel für mein eigenes Startup lernen“, sagte Kibe. Er gab sich einen Ruck, schließlich war ihm beigebracht worden, dass man persönliche Connections für seine Karriere nutzen sollte.

Ihre Tochter Fiona hat mir erzählt, dass es bei FUTURA einige Praktikumsplätze gibt. Ich würde mich gerne darauf bewerben“, sagte Kibe hastig.

Das können Sie gerne tun“, sagte Frankenfels erfreut. „Aber auf unsere Stellen bei FUTURA bewerben sich so viele, dass unsere K.I. „Select the Best“ [SeB] eine Vorauswahl trifft und herausfiltert, wer Facetime für einen Pitch bei mir bekommt. Dabei wertet SeB für jeden Bewerber die gesamte bisherige Bildungs- und Beschäftigungsvita aus und erstellt so ein Qualifikationsprofil. Das wird dann mit dem Idealprofil verglichen, das wir für diese Stelle haben. Sie wissen sicherlich, dass es den Datenpool „Stories of Failure and Success“ gibt, in dem Algorithmen unzählige Berufsvitas auswerten und so beziffern können, welche Personen in welchen Job-Positionen erfolgreich sind und sein werden. Unsere SeB zieht sich aus diesem Pool die Idealprofile für unsere Stellen raus. So finden wir zuverlässig die Besten für jedes gewünschte Anforderungsprofil.“

Kibe schwieg eingeschüchtert. „Wie soll ich in so einem harten System je einen Job bekommen?“, dachte er. „Wie können diese Algorithmen wissen, wie viele Hürden ich genommen habe, um das zu erreichen, was Anderen in den Schoß gefallen ist?“

Aber manchmal fallen mir helle Köpfe auf und ich lade sie direkt zum Pitch ein“, fügte Frankenfels mit freundlicher Stimme hinzu. „Bei Ihnen, Kibe, sehe ich Potenzial. Wenn Sie Interesse an einem Praktikum bei FUTURA haben, können Sie Ihr Bewerbungsportfolio an meinen Assistenten Lasse Anckarström mailen.“ Frankenfels zeigte Kibe seine digitale Visitenkarte und Kibe scannte die Kontaktdaten mit seinem Smartphone ab.

Das mache ich sofort! Vielen Dank für diese Chance!“, sagte Kibe und konnte sein Glück kaum fassen. Kibe ging mit leuchtenden Augen aus dem Gespräch mit Frankenfels. Mit diesen neuen Gedanken und Möglichkeiten nahm sein Weg in die Zukunft Gestalt an.

III. Steven Frankenfels hat einen neuen Werbeauftrag für die Kunstfigur „Estello“ und entscheidet über Kibes Bewerbung als Praktikant – 18. Mai

Steven Frankenfels hatte im Innovation Hub seiner Firma FUTURA gerade die neuen K.I.-Features seiner RoleXX getestet. Nun ging er zu einem „Private Meeting Cube“, schloss die Tür und aktivierte den Privatsphäre-Modus, der die Glaswände in Milchglas verwandelte, und skypte mit Andy von der Social Media Marketing Agentur, die sich auf das Erschaffen von Influencer-Kunstfiguren spezialisiert hatte.

Hallo Andy, Danke für den Report zu meinem vorigen Auftrag. Die Reihe mit Estello in Cannes ist wirklich gut gelaufen: 7.000 neue Abonnenten auf InstaREAL. Das Red Carpet Video hatte fast eine Millionen Viewer“, stellte Steven fest.

Ja, bei den Kommentaren dazu gab es auch einen Rekord. Das Flirting Update bei unserer Estello-K.I. hat sich ausgezahlt“, sagte Andy. „Wenn Sie weitere Red Carpet Live Appearances buchen wollen, reserviere ich unser Model Marco für diese Termine.“

Ja, ich buche drei Mal Red Carpet mit Marco für die nächsten sechs Wochen. Was sagen Ihre Datenkraken zum aktuellen Interessenprofil unserer Zielgruppe? Was eignet sich für die Daily Posts von Estello?“

Die Typen ‚Fashion Fail‘ und ‚Backstage Peek‘ haben sich in den letzten zwei Wochen ausgereizt. Upcoming Favorites sind ‚Homestorys‘ und ‚Urban Gardening‘ mit Frühlingsblumen“, empfahl Andy.

Gut, dann machen Sie in den nächsten Tagen eine mehrteilige Homestory, in der Estello mit intelligentem Support seiner RoleXX seinen Dachgarten bepflanzt. Die Details überlasse ich Ihnen. Ich schicke Ihnen gleich den Text zu den Features, die beworben werden sollen“, schloss Steven Frankenfels den Auftrag ab.

Schon stand der nächste Termin an. Pünktlich zu ihrem Meeting kam Lasse Anckarström, der persönliche Assistent von Frankenfels, in den Cube. Der junge Schwede hatte sich innerhalb von zwei Jahren bei FUTURA in diese Position hochgearbeitet. Frankenfels schätzte die Zielstrebigkeit, mit der Anckarström bereits als Student die passenden Qualifikationen für diesen Job erworben hatte. Unter dem langen blonden Haar, das Anckarström in einem trendigen Knoten trug, steckte ein präzise arbeitender Verstand.

Nun besprachen sie, welche FUTURA Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich auf welche anstehenden Projektaufgaben beworben hatten.

Die eine Praktikumsstelle ist noch unbesetzt. Das hier sind die Bewerbungsportfolios der drei besten Kandidaten, die SeB ermittelt hat“, briefte Anckarström seinen Chef.

Wie hat mein Student Kibe Ndung‘u abgeschnitten?“, fragte Frankenfels.

Moment, ich schaue nach“, sagte Anckarström. „Beim Abgleich mit dem Idealprofil für diese Stellenausschreibung hat er nur 69 Prozent erzielt. Seine Zusatzpunkte für „Personal Recommendation“ haben ihn auf 89 Prozent hochgebracht, aber damit liegt er auf Platz 5 im Ranking.“

Hm. Dann klappt es diesmal nicht. Bitte schicken Sie ihm die übliche Gap Analysis, damit er weiß, an welchen fehlenden Qualifikationen er bis zu seiner nächsten Bewerbung arbeiten muss“, entschied Frankenfels.

Foto von Gerd Altmann, frei nutzbar nach Pixabay License

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Begriffserläuterungen: Digitales und Kenia

Bezugspunkte: Fachliteratur und Populärkultur

Personen und Schauplätze

Die Autorinnen stellen sich vor

Titelbild:  Foto von Gerd Altmann, frei nutzbar nach Pixabay License

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