Opus Klassik 2022 – Musik ist mehr als ein Schaumbad für die Seele

Am Sonntag, den 9. Oktober wurden in einer festlichen Gala im Konzerthaus Berlin die Preisträger:innen des diesjährigen Opus Klassik geehrt, darunter Jonas Kaufmann, Joyce DiDonato und Igor Levit.

Roter Teppich vor dem Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt
Jonas Kaufmann – Sänger des Jahres 2022

Nach den pandemiebedingten Einschränkungen der letzten zwei Jahre kommen Preisträger:innen und Gäste endlich wieder im vollbesetzten Konzerthaus zusammen, um die Magie der Musik zu feiern. Gerade in schwierigen Zeiten spüren viele Menschen, wie wohltuend die klassischen Klänge sein können. Aber im aktuellen Jahr zeigen die Musiker:innen, dass ihre Kunst mehr will, als nur ein tröstendes Schaumbad für angeschlagene Seelen zu sein. Sie mischen sich ein in den gesellschaftlichen Diskurs, wollen ein Zeichen setzen für den Umweltschutz und gegen Rechtsextremismus.

„Ihr seid Vollidioten!“, ruft Igor Levits Laudator Rapper „Danger Dan“ allen Antisemiten, Rassisten und Antifeministen da draußen und vor den Fernsehgeräten zu. Igor Levit nimmt den Preis für die Solistische Einspielung Instrument entgegen und betont in seiner Dankesrede sein Engagement gegen Rechtsextremismus.

Deutlich sanfter, aber nicht weniger eindrucksvoll setzt sich Komponist und Pianist Ludovico Einaudi, ausgezeichnet in der Kategorie Neue Klassik für sein Album „Underwater“, für den Umweltschutz ein. So macht er mit seiner „Elegy for the Arctic“ Klavier spielend auf einer Eisscholle auf die verheerenden Folgen des Klimawandels aufmerksam (in Kooperation mit Greenpeace).

Die Geigerin Tianwa Yang wird als Instrumentalistin des Jahres geehrt und widmet ihren Preis in einer bewegenden Rede den mutigen Musikerinnen aus der Ukraine, einige davon unterstützt sie selbst in deren Schweizer Exil.

Nicht immer wird jedoch die dramatische Weltlage thematisiert, hin und wieder darf auch unbeschwert gelacht werden – etwa wenn Reporter Fabian Köster im Einspieler das Tuba-Trio 21Meter60 in München besucht, im Handumdrehen berühmt macht und zum Dank deren drei gewaltigen Instrumente schleppen muss. Das sympathische Trio erhält den Preis für ihre Kammermusikeinspielung „nothing but tuba“.

Tuba-Trio 21Meter60 bestehend aus Steffen Schmid, Constantin Hartwig und Fabian Neckermann (v.l.n.r.)

Durch die Gala führt charmant und mehrsprachig Désirée Nosbusch, die den Preisträger:innen so manche persönliche Anekdote entlockt. So verrät die Harfenistin Magdalena Hoffmann, Nachwuchskünstlerin des Jahres, dass sie lieber Wildschwein, als Gans zu Weihnachten verspeist. Zusammen mit Oboist Albrecht Mayer, ausgezeichnet für seine Konzerteinspielung, bietet sie virtuos das Andantino aus dem Konzert für Harfe und Oboe von Wolfgang Amadeus Mozart dar.

Harfenistin Magdalena Hoffmann (Nachwuchskünstlerin des Jahres) und Oboist Albrecht Mayer (Konzerteinspielung)

Dem Espresso verfallen ist Startenor Jonas Kaufmann, der als Sänger des Jahres für sein Liedalbum „Liszt – Freudvoll und Leidvoll“ geehrt wird. Im Einspieler erlebt man, wie Fabian Köster den 53-jährigen Münchner in seiner Heimatstadt besucht, wo Kaufmann in einem Espressomaschinenladen an einer solchen Maschine herumschraubt. Gutgelaunt erzählt der Preisträger (der bereits zum 10. Mal mit dem Opus/Echo ausgezeichnet wird) von seinem Traum, einmal seine eigene Espressomarke auf den Markt zu bringen, den „Kaffee Kaufmann“ vielleicht. Auf der Bühne singt er zusammen mit seinem langjährigen Klavierbegleiter Helmut Deutsch gefühlvoll „O lieb, solang du lieben kannst“ (Liszt) und zaubert damit den bereits erwähnten Seelenbalsam für die Zuhörenden herbei.

Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch. © Lena Wunderlich / Sony Classical

Der 85-jährige ukrainische Komponist Valentin Silvestrov erhält die Ehrung für sein Lebenswerk. Die Laudatio hält Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Den Abend beschließt die amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato, ausgezeichnet für die Solistische Einspielung Gesang mit ihrem Album „EDEN“, mit Engagement für die Natur auf einer hoffnungsvollen Note. Gemeinsam mit dem Jugendchor The Young ClassX (erhält den Preis für Nachwuchsförderung) pflanzt sie die musikalische Saat für die Zukunft.

Joyce DiDonato (Solistische Einspielung Gesang) mit dem Jugendchor The Young ClassX (Nachwuchsförderung)

Für klangschöne Begleitung sorgt den ganzen Abend über das Konzerthausorchester unter der Leitung von Krzysztof Urbański.

Ein Hoch auf die klassische Musik mit ihren leidenschaftlichen und engagierten Interpret:innen. Sie sind nicht nur Seelentröster, sondern auch Botschafter für Humanität, Vermittler zwischen unterschiedlichen Lebenswelten und zuweilen Provokateure.

Einige der Preisträger:innen mit ihren Trophäen – die in diesem Jahr aus Umweltgründen aus Holz gefertigt sind.

Alle Preisträger:innen des Opus Klassik 2022 findet man hier aufgeführt. Die Preisverleihung wurde vom ZDF übertragen und ist in der Mediathek immer noch abrufbar.

Die Gala klingt in einer Aftershowparty aus.

Weitere Kultur-Reportagen von mir finden Sie hier.

Im blauen Himmelbett mit Jonas Kaufmann beim Rheingau Musik Festival in Wiesbaden

Wiesbaden, 21.08.2022

An diesem idyllischen Sommerabend erwartete die Klassikbegeisterten eines der Highlights des diesjährigen Rheingau Musik Festivals: Startenor Jonas Kaufmann entführte das Publikum im Kurpark Wiesbaden in die schwelgerische Welt der italienischen Oper und der Wiener Operette.

Schöne Atmosphäre für die nahezu ausverkaufte Gala im Kurpark Wiesbaden. Foto: UG
Jonas Kaufmann. Foto: Ansgar Klostermann

Zum Einstieg überraschte Kaufmann, festlich im Frack gekleidet, mit dem „Prolog“ aus der Oper von „Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo, einer Arie, die eigentlich für einen Bariton geschrieben ist. Trotz seines baritonalen Timbres fehlte es dem Tenor hier in den tiefen Lagen an Fülle und er konnte seine stimmlichen Stärken in diesem Stück nicht zur Geltung bringen, was auch mit ziemlich verhaltenem Applaus quittiert wurde. Im Anschluss trat der Star des Abends ans Mikrofon und entschuldigt sich fast schon für seinen Ausflug ins Bariton-Repertoire, aber diese Arie begeistere ihn so sehr, dass er nicht habe widerstehen können, sie auf der Bühne darzubieten. Kaufmann versprach aber, für den Rest des Abends in den Gefilden des Tenor-Repertoires zu bleiben.

Als nächstes präsentierte er das von Enrico Caruso berühmt gemachte Verismo-Stück „Vesti la giubba“ aus der selben Oper. Es ist der verzweifelte Seelenschrei des Clowns Canio, der sich das Lachen aufschminken muss und dem gleichzeitig das Herz vor Liebeskummer bricht. Kaufmann hat diese Rolle bereits bei den Salzburger Osterfestspielen 2015 sehr überzeugend und herzzerreißend dargeboten und hätte sie im Juli diesen Jahres wieder gespielt und zwar am Royal Opera House in London, wenn er nicht wegen seiner zweiten Corona-Erkrankung hätte absagen müssen. Am heutigen Abend scheint Kaufmann das alles nachholen zu wollen. Allerdings ist diese emotionale Tour de Force am Anfang des Programms sowohl für den Sänger, als auch für das Publikum ein ziemlicher Kaltstart und die Wucht des Gefühls mag nicht so recht entstehen, weil der Kontext der Oper fehlt.

Foto: Ansgar Klostermann

Kaufmann setzte seine Moderation fort und kündigte die nächsten Stücke von Giacomo Puccini an. Dass der Tenor gleichzeitig die Rolle des Conferenciers übernahm, schien eine spontane Entscheidung des Sängers zu sein, jedenfalls sprach er frei und las keinen vorformulierten Text ab. Beim ersten Open-Air-Sommerkonzert in diesem Format im Kloster Benediktbeuern hatte es geregnet und das Publikum war zudem nicht mit Programmzetteln ausgestattete gewesen, so dass Kaufmann auf seine flexible und freundliche Art dort die Moderation übernommen und den Abend ein Stück weit gerettet hatte. Anscheinend hat er gefallen an dieser Rolle gefunden, denn obwohl heute Programmzettel vorhanden waren, führte er mit seinen spontanen, die Stücke und Komponisten musikalisch einordnenden Ansagen durch den ganzen Abend, was ihn sehr nahbar machte – und auch fehlbar zeigte, denn hier und da verhaspelte und verbesserte er sich und merkte selbst an, dass die Moderation „nicht sein eigentlicher Beruf“ sei. Seine persönliche Ansprache ans Publikum brachte Kaufmann viele Sympathiepunkte ein, aber vielleicht nahm sie ihm auch ein wenig die Aura des unerreichbaren Stars.

Kaufmann kündigte galant seine Gesangspartnerin, die amerikanische Sopranistin Rachel Willis-Sørensen an, die mit der Arie der Mimi aus „La Bohème“ den romantischen Teil des Konzerts einleitete. Im darauffolgenden Duett „O soave fanciulla“ konnten Tenor und Sopran ihre Stimmen in träumerischer Harmonie verschmelzen lassen. Ihr kräftiger und klarer Sopran mischte sich hier bestens mit dem samtigen Timbre des Tenors.

Foto: Ansgar Klostermann

Dann brachte Kaufmann die stiefmütterlich behandelte Tenorarie „Non piangere Liu“ aus Puccinis „Turandot“ zu Gehör, die er mit weichen Tönen und viel Stimmschmelz gestaltete. Zuvor stellte er dem Publikum jedoch augenzwinkernd – „darüber können wir später noch verhandeln“ – in Aussicht, dass sie später noch in den Genuss von DER Tenorarie aus dieser Oper kommen würden, deren Namen nicht genannt werden muss.

Vor der Pause gab Kaufmann noch das aufflammende Plädoyer des Dichters Andrea Chénier aus der gleichnamigen Oper zum besten, was ihm einiges an Stimmkraft abverlangte.

Nach der Pause – Kaufmann trug nun ein dunkelblaues Jacket auf weißem Hemd und leger offenstehendem Kragen – ging es mit der „leichten Muse“ in Gestalt der Operette weiter, die, so Kaufmann, alles andere als leicht zu singen sei, die Kunst liege darin, es leicht und süffig klingen zu lassen. Dass er diese Kunst beherrscht, zeigte der Tenor dann in den bekannten Stücken von Operettenkönig Franz Lehár wie „Dein ist mein ganzes Herz“ und im Duett „Wiener Blut“ mit Willis-Sørensen, die zusammen einen kleinen Walzer auf die Bühne legten. Inzwischen war auch das Publikum ganz in der Atmosphäre der Sommernacht unter freiem Himmel angekommen und applaudierte begeistert.

Foto: Ansgar Klostermann

Seine stimmlichen Verführungskünste und seinen unvergleichlichen Charme konnte Kaufmann in „Hab ein blaues Himmelbett“ aus der Operette „Frasquita“ von Lehár und im Chanson „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ von Ralph Erwin ausspielen. In seinem balsamischen Gesang kommen die große Farbpalette seiner Stimme sowie seine Gestaltungskunst bestens zur Geltung, die der vielseitige Tenor auch als gefragter Liedsänger immer wieder vorführt.

Das WDR Funkhausorchester unter der Leitung von Jochen Rieder, den Kaufmann sich seit vielen Jahren für seine Konzert-Tourneen an die Seite holt, in der Orchestermuschel begleitete den Startenor gefällig und schwungvoll.

Kaufmann beglückte sein Publikum mit vier Zugaben, darunter natürlich das Tenorglanzstück „Nessun Dorma“ von Puccini, was wie zu erwarten mit frenetischem Jubel und Standing Ovations belohnt wurde. Ausklingen ließ der Tenor den Abend mit dem sehnsuchtsvollen „Wien, du Stadt meiner Träume“ von Rudolf Sieczynskis.

So strömten die Massen am Ende dieses Abends mit einem Lächeln auf dem Gesicht dem Ausgang entgegen und kaum jemand merkte, dass der Star-Tenor selbst sich unter ihnen einen Weg von der Bühne zurück in seine Garderobe im Kurhaus bahnen musste.

 

Ausblick auf weitere Klassik-Highlights

Jonas Kaufmann wird im nächsten Mai in die Region zurückkehren und am 21.05.2023 ein Konzert in der Alten Oper Frankfurt geben. Wer nicht solange warten möchte, kann den Tenor in den nächsten Monaten an den Opernhäusern München, Zürich und Wien im italienischen Repertoire erleben. Auf seiner Homepage kann man seinen vollen Terminplan einsehen.

Das Titelbild stammt ebenfalls vom Fotografen Ansgar Klostermann, zur Verfügung gestellt vom Rheingau Musik Festival.

Foto: UG
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